17. Kapitel

 

«Chuala mi a´gluasad an talla», raunte Eliane und Beryl antwortete: «Tha, ´s e a´chaileag.»

Sie sprachen in ihrer seltsamen Sprache. Jarout verstand kein Wort von dem, was sie sagten, aber der Klang ihrer Stimmen ließ nichts Gutes erahnen.

«Bha´i gle laidir.»

Beide lachten listig und Jarout hörte ihre Flügel leise rascheln. Er war todmüde. Zum einen, weil bereits der Morgen dämmerte, als er in den Keller schlich und zum Anderen, weil er direkt aus dem Porch kam, wo er die ganze Nacht lang mit Serena zusammen gewesen war. Und eine Nacht mit dieser Frau zu verbringen, bedeutete für gewöhnlich, dass er hinterher so fertig war, dass er kaum mehr einen vernünftigen Gedanken zustande brachte.

«Es ist das Mädchen. Und jetzt gebt Ruhe», mischte sich Blanche gereizt ein.

«Ja, sie läuft dort oben herum», flüsterte Eliane.

«Sie spioniert, sie sucht, sie findet!»

Jarout hielt eine Diskussion mit den beiden für vollkommen überflüssig. Ob Blanche nun mit ihnen redete oder nicht, sie fällten ohnehin ihr eigenes Urteil. Die Frage war nur, wie das ausfiel, und was die beiden Schwestern in ihren verkorksten Hirnen ausbrüteten, und welche Folgen sich daraus für wen ergaben.

 Er war nur froh, dass Karen immer noch im Hause war. Ebenso gut hätte sie ihre Drohung wahr machen und einfach verschwinden können - er wäre vermutlich stinksauer abgehauen, wenn ihn jemand so behandelt hätte wie er sie. Aber blieb ihm etwas anderes übrig? Er musste weg von ihr. Sie brachte ihn dazu ... Verflucht, ihm wurde schon hundeübel, wenn er nur daran dachte. Gestern Abend war er kurz davor gewesen, die Kontrolle zu verlieren und ... Er erinnerte sich an ihren Duft, ihr dichtes, rotes Haar, das wie flüssiges Kupfer schimmerte und voll und glänzend durch seine Finger rann. Ihre warme Haut, die so weich und weiß wie Seide unter seinen Lippen war. Und darunter der heiße Puls ihres Blutes. Hastig schüttelte er die Erinnerung ab. Soweit durfte er nie wieder gehen. Sie war eine Sterbliche. Nichts weiter, als ein dummes, naives Mädchen. Nicht zu vergleichen mit Serena oder einer anderen Hirudo. Seltsam war nur, dass er heute Morgen nicht dieselbe erschöpfte Zufriedenheit wie sonst nach einer Nacht in Serenas Gesellschaft empfand. Mehr als ein schaler Nachgeschmack war von den vergangenen Stunden nicht geblieben, und er fühlte sich nicht ruhiger.

Tatsächlich verspürte er eine seltsame Anspannung, als er Karen im Erdgeschoss umherlaufen hörte.

«Theid sinn faic i?», fragte Eliane und schreckte ihn aus seinen Gedanken.

«Tha, morgen Nacht», antworte Beryl.

Was zum Teufel beredeten sie da bloß? Morgen Nacht? Was morgen Nacht?

«Wagt es nicht, sie anzurühren», fuhr Jarout sie an. Selbst in der Dunkelheit des Kellers und von seinem Schlafplatz aus konnte er ihre Gesichter gut erkennen. Sie grinsten gemein.

«Ach, halt den Mund!» Beryls Stimme war zuckersüß, doch ihr Blick strafte jede Freundlichkeit Heuchelei.

«Ich meine das im Ernst. Ihr lasst sie zufrieden!»

«Oder was? Du bist nicht Lucas.» Wieder lachten sie, diesmal noch gehässiger als vorher.

«Ihr werdet die Finger von ihr lassen!», schrie er auf. Ihre Herablassung machte ihn rasend. Doch auch eine große Portion Angst war mit dabei. Sollten die beiden entschlossen sein, Karen zu nehmen, dann würden sie das auch tun. Wenn nicht hier im Haus, dann bei anderer Gelegenheit.

Erschrocken bemerkte er, dass er einen flüchtigen Augenblick sogar daran dachte, dass das vielleicht gar nicht die schlechteste Lösung für sein Problem war. Scheiß doch auf seinen genialen Plan. Lass Karen auf nimmer wiedersehen verschwinden und mit ihr diese dämliche Anwandlung, die viel eher zu Denis oder Lucas passte als zu ihm.

 «Warum ist sie überhaupt hier?», zischte Beryl.

«Das geht dich nichts an», knurrte er gereizt und fügte ein sehr leises, »noch nicht« hinzu, das ihnen aber trotzdem nicht entging.

«Ah, ein Geheimnis!», raunte Eliane.

Ja, ein Geheimnis und wenn er sich nicht bald wieder in den Griff bekam, blieb es das auch. Ach, halt endlich die Klappe, Jarout. Nichts wird schief gehen, du hast alles unter Kontrolle und nichts und niemand kann daran was ändern. Erst recht nicht ein so dummes Ding wie Karen! dachte er und ballte wütend die Hände.

Er wollte den beiden noch sagen, dass sie sich ihre Spötteleien sonst wo hinstecken konnten, denn nur allzu bald hätten sie nicht mehr allzu viel, worüber sie sich lustig machen konnten. Bald war er derjenige, der lachte. Doch er kam nicht mehr dazu, denn der Schlaf legte sich wie ein bleischweres Tuch über ihn, lähmte jede Bewegung und zwang ihn erbarmungslos, die Augen zu schließen und sich ihm zu ergeben. Jedoch nicht, ohne sich vorher zu schwören, um jeden Preis zu verhindern, dass ihm die Dinge noch einmal entglitten. Sollten radikale Maßnahmen notwenig sein, um Karen und ihre Wirkung auf ihn loszuwerden, dann war er bereit, die auch zu ergreifen. Natürlich erst, nachdem die Sache mit Lucas erledigt war.