81.

Die beiden Helikopter setzten sanft auf.

Der Präsident schaute aus dem Fenster. Sein Gesicht war knallrot. »Was ist hier los? Was sind das für Leute?« Er deutete auf das SWAT-Team.

Bevor jemand antworten konnte, klopfte Chuck Waters an das Glas. Ein Agent öffnete die Helikoptertür und klappte die Leiter herunter.

»Was sind das für Leute?«, fragte der Präsident noch einmal.

Waters antwortete: »Ein Sondereinsatzkommando, Sir. Sie haben das Areal gesichert.«

»Ich habe keine derartige Aktion autorisiert.«

»Ich weiß, Sir. Das Okay kam vom Direktor des FBI.«

Cox war nicht glücklich darüber, doch der FBI-Direktor war der einzige Mann in einer solchen Position, der nicht vom Präsidenten abhängig war. Er hatte eine feste Amtszeit, und wer gerade im Weißen Haus saß, konnte ihm ziemlich egal sein.

Die beiden Sprengstoffhunde aus dem anderen Helikopter wurden zum Haus geführt. Auch wenn die Roboter das Gebäude bereits überprüft hatten, war eine solche Vorgehensweise Standard. Die Hunde gingen das Gelände ab und verschwanden im Gebäude. Ein paar Minuten später kamen sie wieder heraus, und einer der Hundeführer signalisierte, dass alles sauber sei.

Im Helikopter fuhr Waters fort: »Unser Direktor hat sich mit dem Chef des Secret Service besprochen. Er hält das hier für die beste Vorgehensweise, Sir, wenn man Sie schon nicht davon abhalten konnte, herzukommen.«

»Wie rücksichtsvoll von ihm. Lassen Sie uns nur hoffen, dass meine Nichte wegen seiner Rücksichtnahme nicht tot ist.«

»Dann ist sie also der Grund, warum wir hier sind?«, fragte Larry Foster. »Weil die Entführer eine Forderung gestellt haben?«

Alle Blicke richteten sich auf Jane Cox.

Waters sagte: »Wir wissen, dass der Brief, den wir Ihnen abgenommen haben, nicht echt war, Mrs. Cox. Stand in dem echten Brief, Sie sollten hierherkommen?«

»Nein, da stand nur eine Telefonnummer, die ich anrufen sollte. Bei diesem Telefonat hat man mir dann gesagt, ich solle mit dem Präsidenten herkommen, wenn ich meine Nichte lebend wiedersehen will.«

»Und hat der Anrufer Ihnen auch gesagt, was Sie tun sollen, wenn Sie hier sind?«

»Wir sollen ins Haus gehen und uns eine Frau anschauen, die im Bett liegt«, antwortete Jane.

»Nun, die SWATs haben tatsächlich eine Frau in dem Haus gefunden. Sie ist an lebenserhaltende Geräte angeschlossen. Wer ist sie?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Jane mit fester Stimme. »Ich bin nur hier, um meine Nichte zurückzuholen.«

»Sie kennen die Frau nicht?«, hakte Waters skeptisch nach. »Sind Sie sicher?«

»Woher soll ich wissen, ob ich die Frau kenne?«, sagte Jane mit scharfer Stimme. »Ich habe sie ja noch nicht einmal gesehen!«

Foster blickte verwirrt drein. »Aber was genau sollen Sie hier tun? Dem Bericht der SWATs nach zu urteilen, ist die Frau nicht bei Bewusstsein.«

Jane und der Präsident schauten einander an. Schließlich antwortete Jane: »Ich kann Ihnen nur sagen, dass der Präsident und ich in das Haus gehen und uns die Frau ansehen sollen. Mehr weiß ich auch nicht.«

Der Präsident erklärte: »Und wir sollen allein hineingehen.« Rasch fügte er hinzu: »Zumindest hat man das Jane so gesagt.«

Waters und Foster tauschten besorgte Blicke. »Mr. President«, sagte Foster, »das gefällt mir ganz und gar nicht. Es gibt nur einen Grund, warum jemand Sie hierher lotst - um Ihnen Schaden zuzufügen. Alles andere ergibt keinen Sinn. Dieses Gebäude könnte genauso gut eine Zielscheibe auf dem Dach haben. Wir sollten wieder nach Huntsville zurück und von da nach D. C. fliegen. Sofort.«

»Und dann stirbt meine Nichte!«, rief der Präsident zornig aus. »Erwarten Sie ernsthaft von mir, dass ich einfach verschwinde und das zulasse?«

»Ich verstehe, was Sie durchmachen müssen, Sir, aber Ihnen bleibt keine andere Wahl. Und mir auch nicht. Sie sind der Präsident der Vereinigten Staaten. Ihre Sicherheit darf nicht gefährdet werden. Soweit es mich betrifft, ist Ihr Leben mehr wert als jedes andere, auch als das Ihrer Nichte.« Er schaute zu Jane. »Nicht einmal das Leben Ihrer Frau ist so wichtig. So lautet das Gesetz. Das ist meine Pflicht, und die gedenke ich zu erfüllen.«

»Ich scheiße auf das Gesetz und auf Ihre Pflicht, Foster. Wir reden hier über das Leben eines kleinen Mädchens. Ich werde nicht zurückfliegen.«

»Bitte nötigen Sie mich nicht, Zwangsmaßnahmen einzuleiten, Sir. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich ermächtigt bin, Sie zur Rückkehr zu zwingen, und ich bin bereit, das auch zu tun.«

»Haben Ihre Leute das Areal nicht überprüft? Hat das SWAT-Team nicht jeden Stein hier umgedreht? Worin besteht da bitte die Gefahr? Wird die Frau plötzlich aufspringen und mir den Hals umdrehen?«

»Sie hängt an einer Herz-Lungen-Maschine«, sagte Foster.

»Dann stellt sie auch keine Bedrohung für mich dar. Sie haben Ihre Sprengstoffhunde mitgebracht. Sie haben nichts gefunden. Da draußen steht eine ganze Armee von schwer bewaffneten Männern, und über uns kreisen Flugzeuge und Helikopter. Nur ein Panzer, ein Geschütz oder ein Raketenwerfer könnten dieses Haus auf größere Entfernung treffen, und wenn ich richtig informiert bin, gehört sämtliches derartiges Gerät im Staat Alabama uns. Wir sind hier ganz allein. Was sollte mir da schon passieren?«

»Sir, wenn wir die Gefahr kennen würden, wäre es keine Gefahr mehr. Es ist das Unbekannte, was mir Sorgen macht.«

»Das Unbekannte!«, stieß der Präsident hervor. »Ich will Ihnen mal was Bekanntes sagen, Larry: Wenn ich umkehre und meine Nichte sterben lasse, und wenn das dann herauskommt, kann ich meine Wiederwahl abschreiben. So einfach ist das. Haben Sie das verstanden, mein Freund?«

Foster, Waters und die anderen Agenten im Hubschrauber schauten einander an. Sie konnten nicht glauben, was sie gerade gehört hatten.

»Okay«, begann Foster bedächtig, »Sie verlieren dann also die Wahl ...«

»Der Präsident hat sich ein bisschen unglücklich ausgedrückt«, meldete Jane sich rasch zu Wort. Ihr Mann hatte offenbar nicht bemerkt, welche Reaktion er bei den Männern hervorgerufen hatte. »Diese Sache hat den Präsidenten sehr mitgenommen, und mich auch. Genau wie ich macht er sich große Sorgen um unsere Nichte. Aber er hat auch hart für dieses Land geschuftet. Wir werden nicht zulassen, dass irgendein Psychopath oder Terrorist unserer Nichte ein Leid zufügt oder die Geschichte dieses Landes verändert, indem er meinem Mann eine zweite Amtszeit verwehrt. Das Leben meiner Nichte kommt natürlich an erster Stelle, aber hier steht noch weit mehr auf dem Spiel. Machen wir uns da nichts vor.«

»Tut mir leid, Mrs. Cox«, sagte Foster und schüttelte den Kopf. »Ich werde trotzdem keinen von Ihnen in dieses Haus lassen.« Über sein Headset sprach er mit dem Piloten. »Jim, wirf die Maschine an und ...«

Foster brachte den Satz nicht zu Ende, denn Cox riss dem Agenten neben sich die Pistole aus dem Holster, entsicherte sie und drückte sie an seine Schläfe.

»Großer Gott!«, rief Foster.

Und Waters brüllte: »Mr. President, nicht ...!«

»Halten Sie den Mund, beide!«, rief Cox. »Wenn jetzt noch jemand versucht, uns aufzuhalten, können Sie meine Leiche nach D. C. zurückbegleiten und dort erklären, wie Sie versucht haben, mich zu beschützen, indem Sie mich so verrückt gemacht haben, dass ich mir das Hirn aus dem Schädel gepustet habe!«

Er winkte Jane. »Steig aus.« Dann wandte er sich wieder Foster zu. »Ich werde jetzt mit meiner Frau in dieses Gebäude gehen. Wir werden nur ein paar Minuten dort bleiben, und Sie werden keinerlei Überwachungsgeräte oder Wanzen an diesem Haus anbringen. Der Kidnapper war sehr deutlich, was das betrifft. Wenn wir fertig sind, steigen wir wieder in den Hubschrauber und fliegen nach Hause. Und dann wird meine Nichte hoffentlich freigelassen, und Sie alle werden vergessen, was hier geschehen ist. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

Die Männer schwiegen, starrten nur weiter den Präsidenten an, der sich eine Waffe an den Kopf gedrückt hatte.

Waters brach schließlich das Schweigen. »Sir, wenn Sie darauf bestehen, müssen Sie nur eines tun.«

»Ich gebe hier die Befehle, nicht das FBI!«

Waters wandte sich an Jane. »Da ist etwas, was Sean King herausgefunden hat. Sie vertrauen ihm doch, nicht wahr?«

Jane nickte.

»Dann sollten Sie beide genau zuhören, was ich Ihnen jetzt sage. Werden Sie das tun?«

»Wenn wir dann ins Haus gehen und diese Sache hinter uns bringen können, ja!«, antwortete der Präsident.

Ein paar Minuten später stiegen Jane, den Mantel eng um sich geschlungen, und der Präsident aus dem Helikopter. Als die SWAT-Beamten den Präsidenten mit einer Waffe in der Hand sahen, erstarrten sie.

»Mr. President ...?«, sagte der Einsatzleiter verwirrt.

»Aus dem Weg!«, fuhr Cox ihn an. Der Einsatzleiter, ein Veteran aus zwei Kriegen und unzähligen Feuergefechten mit Drogendealern und den unterschiedlichsten Psychopathen, sprang sofort beiseite. Cox nahm die Hand seiner Frau und ging weiter. Als sie die kleine Veranda erreichten, schauten sie einander kurz an und gingen hinein.