55.

Sean und Michelle hatten den Großteil des Abends und des nächsten Tages mit Nachforschungen verbracht und dabei herausgefunden, dass es in Georgia, Mississippi und Alabama Dutzende von Militäreinrichtungen mit Hunderttausenden von Soldaten und Angestellten gab - bei weitem zu viele, als dass es ihnen bei ihren Ermittlungen geholfen hätte. Als sie wieder in ihrem Büro saßen, hatte Sean eine Idee. Er rief Chuck Waters an und hinterließ eine Nachricht. Ein paar Minuten später rief der FBI-Agent zurück.

»Diese Isotopenuntersuchung, die Sie an der Haarprobe haben vornehmen lassen ...«, begann Sean.

»Was ist damit?«

»Ist da noch was rausgekommen?«

»Zum Beispiel?«

»Ich weiß, dass man auf diese Art herausfinden kann, wie der Besitzer des Haares sich während der letzten Jahre ernährt hat. Aber kann man auf diese Weise auch Anomalien in dieser Kette feststellen?«

»Anomalien?«

»Zum Beispiel, ob der Betreffende sich kurzzeitig anders ernährt hat.«

»Warten Sie mal einen Augenblick.«

Sean hörte das Rascheln von Papier.

»Hier steht jedenfalls nichts davon«, sagte Waters schließlich.

»Nichts Ungewöhnliches?«

Wieder das Rascheln. »Nun, ich bin kein Wissenschaftler, aber erinnern Sie sich noch daran, wie wir aufgrund der Ernährung darauf geschlossen haben, dass der Täter vermutlich vom Land kommt?«

»Klar.«

»Wir haben auch erhöhte Salzwerte gefunden, was durchaus Sinn ergibt, wenn diese Leute ihr Essen mit Salz haltbar machen.«

»Ja, darüber haben wir schon gesprochen.«

»Neben den erhöhten Salzwerten hat man auch erhöhte Natriumwerte gefunden.«

»Chuck.« Sean seufzte. »Natrium ist Salz. Das stammt vermutlich von eingemachtem Gemüse. Das hatten wir doch schon.«

»Okay, Einstein«, erwiderte Waters, »das ist mir schon klar. Aber es gibt neue Techniken, mit denen die Weißkittel feststellen können, um welche Art von Natrium es sich handelt. Die Tests haben ergeben, dass diese Art Natrium zwar kommerziell hergestellt, normalerweise aber nicht an Privathaushalte verkauft wird.«

»Weil dieses Salz ans Militär geht?«

»Wenn Sie es schon gewusst haben, warum fragen Sie dann?«, knurrte Waters wütend.

»Ich habe es nur vermutet. Bis Sie es mir gerade gesagt haben, wusste ich es nicht mit Sicherheit. Aber da Sie es offenbar schon länger wissen, wäre es nett gewesen, Sie hätten uns informiert.«

»Ich leite die Untersuchung hier, King, nicht irgendein Berater.«

»Einmannpackungen werden auch an Privatleute verkauft, zum Beispiel für Wandertouren. Sind Sie sicher, dass das Natrium nicht aus so einer EPA stammt?«

»In den Einmannpackungen beim Militär wird mehr Natrium verwendet als in denen für Camper. Es hat also definitiv einen militärischen Ursprung. Toll, das engt unsere Liste von Verdächtigen auf nur ein paar Millionen Leute ein.«

»Vielleicht ja, vielleicht aber auch nicht.«

»Was soll das nun wieder heißen?«

»Wenn die Täter zum Militär gehören, können Sie die DNA dann nicht durch die Datenbanken des Pentagons jagen? Heutzutage nehmen die doch von jedem eine DNA-Probe.«

»Das habe ich schon versucht, aber deren Scheißsystem ist zusammengebrochen. Weil sie in zwei Kriegen gleichzeitig kämpfen, gibt es offenbar kein Geld mehr für die Serverwartung. Das System ist erst in ein paar Wochen wieder einsatzbereit.«

»Na toll.« Sean legte auf und schaute zu Michelle.

»Und? Was hat uns das jetzt gebracht?«, fragte sie.

»Jetzt ist es zumindest sehr wahrscheinlich, dass einer unserer Täter einen militärischen Hintergrund hat. Das zu wissen, kann nicht schaden. Jetzt müssen wir ihn bloß noch finden. Schade nur, dass wir die DNA nicht prüfen können.«

»Er könnte immer noch beim Militär sein, oder?«

»Nein. Oder glaubst du etwa, er hat sich extra ein paar Tage frei genommen, um eine Entführung durchzuziehen? Und dann kehrt er mit zerkratztem Gesicht und einer Schussverletzung in die Kaserne zurück?«

»Dann ist er entlassen worden?«

»Vermutlich. Ehrenhaft oder unehrenhaft. Aber das hilft uns auch nicht weiter. Schließlich gibt es weit mehr ehemalige als aktive Soldaten.«

Michelle starrte auf Seans Brust.

Er schaute nach unten. »Was ist? Kaffeefleck?«

»Er hat einen Körperpanzer getragen. Sicher, wenn man die Army verlässt, kann man das ein oder andere mitgehen lassen, aber einen Körperpanzer?«

»Den bekommt man auch auf der Straße.«

»Vielleicht«, erwiderte Michelle, »oder man klaut ihn einfach.«

»So ein Ding kann man sich nicht gerade in die Hosentasche stecken, wenn man entlassen wird, und damit durchs Tor marschieren.«

»Und wenn er nicht entlassen worden ist?«

»Du meinst, wenn er desertiert ist?«

»Damit hätten wir nicht mehr ganz so viele Leute zu überprüfen. Kennst du jemanden, der für uns mal nachschauen könnte?«, fragte Michelle.

Sean griff zum Telefon. »Ja, so jemanden kenne ich. Einen Zwei-Sterne-General, den ich während meiner Zeit beim Service kennengelernt habe. Mit ein paar Karten für die Spiele der Redskins könnte ich ihn vielleicht überreden.«

»Du hast Karten für die Redskins?«

»Nein, aber für einen guten Zweck kann ich welche bekommen.«