24

Die folgenden Tage verbrachte ich entweder mit meinen Großeltern oder bei Leonie und ihrer Nachfolgerin. Trotz seines anfänglichen Protestes hatte mein Großvater es zugelassen, daß Akim ihn mehrmals gründlich untersuchte. Ich platzte bei einer dieser Sitzungen herein und wollte gleich wieder den Raum verlassen, aber Karas bat mich inständig, ihm beizustehen, der Heiler würde ihn sonst gewiß erbarmungslos zu Tode foltern. Diese scherzhaft geäußerten Worte jagten mir einen Schauder über den Rücken, und das Bild einer Nadel, die in einen ungeschützten Nacken fuhr, blitzte vor meinem geistigen Auge auf. Dann schalt ich mich eine Närrin und begrüßte Akim zurückhaltend.

Der sah nicht auf – er zapfte Karas gerade Blut aus seinem Arm ab: ich blickte nur kurz hin und starrte dann lieber zum Fenster hinaus – und knurrte ein geistesabwesendes: »Hallo, Landplage.«

Endlich hatte er sein scheußliches Werk beendet, verstaute mehrere mit dunkelroter Flüssigkeit gefüllte Röhrchen in seiner Tasche und sah mich an. »Es ist wirklich bemerkenswert«, sagte er schließlich. »Wie hat sie das eigentlich angestellt?« Ich schwieg verständnislos.

»Leonie«, sagte er ungeduldig. »Wie hat sie es bewerkstelligt?« Ich zuckte mit den Achseln.

Er schüttelte verzweifelt den Kopf. »Wir haben immerhin zusehen müssen, wie du dir ein Messer in den Thorax rammst. Der Kater war völlig außer sich, wie du dir vielleicht denken kannst. Und dann steht ohne Vorwarnung ein weibliches Ebenbild unserer alten Landplage vor uns – ich fürchtete schon, ich müßte Tom Mund-zu-Mund-beatmen. Die alte Hexe hat wirklich einen Sinn für theatralische Effekte!« Es schien ihn ernstlich zu verbittern, daß er den ›Trick‹ nicht durchschaute. Ich konnte ihm dabei nicht helfen, selbst wenn ich gewollt hätte. Ein Blick auf Karas zeigte mir, daß Akims Mißvergnügen ihn köstlich erheiterte.

»Frag sie doch«, schlug er hinterhältig vor.

»Darauf könnt ihr euch verlassen«, knurrte Akim. »Aber ich weiß jetzt schon, daß ihre Antwort mich nicht befriedigen wird!« Er knallte die Tür hinter sich zu, und Karas und ich grinsten uns an.

Meine Großeltern begannen nun ernsthaft, mich auf mein Erbe vorzubereiten. Mir wurde jetzt erst bewußt, wieviel Wissen mir Karas in meiner Zeit als sein Schreiber schon vermittelt hatte. Trotzdem brummte mir nach diesen Sitzungen häufig der Schädel. Karas fragte vorsichtig mein Wissen über die Allianz ab und berichtete mir dann alles, was er selbst von Galen erfahren hatte. Die Mitglieder der Allianz hatten nach dem langen Krieg, in den sie verwickelt worden waren, damit begonnen, all die Welten wieder zu besuchen, zu denen sie die Verbindung verloren hatten. Es ging ihnen darum, festzustellen, welche der Kolonien überhaupt noch existierten, und inwiefern die Nachkommen der einstigen Verbündeten noch willens und in der Lage waren, sich der Allianz wieder anzuschließen.

Unsere Welt war von Galen als ›nachtechnisch‹ bezeichnet worden, erzählte Karas. Wahrscheinlich wäre man mit uns noch in keine nähere Berührung gekommen, wäre da nicht die erstaunliche Tatsache gewesen, daß die ersten Einwohner des Planeten sich des Daseins der fremden Besucher durchaus bewußt waren und sie freundlich willkommen geheißen und um Hilfe gebeten hatten.

Ich staunte, und Karas fuhr fort: »Die Magier – besser gesagt: ihr Oberhaupt Leonie – haben laut Galen eine Grußbotschaft an den Leiter des Forschungsteams, diesen Omelli, geschickt. Der Inhalt lautete etwa so: ›Schön, daß ihr endlich kommt, wir haben ein Problem, bei dem ihr uns vielleicht helfen könnt.‹« Karas lachte kurzatmig. »Galen sagt, in der ganzen Allianz hätte helle Aufregung darüber geherrscht. Ein in ihren Augen ›unterentwickeltes‹ Volk, das dennoch auf nicht nachvollziehbarem Weg eine Botschaft schickt und freundlich anfragt, ob man nicht dabei helfen könnte, sein Aussterben zu verhindern! Die Gelehrten der Allianz müssen sich darauf gestürzt haben wie Geier auf eine Pferdeleiche.«

Jedenfalls hatte das wohl den Ausschlag gegeben, daß Omelli und seine Leute meine Welt nun etwas genauer in Augenschein nahmen. Omelli hatte schließlich entschieden, Galen als offiziellen Botschafter der Allianz zu den beiden größten Mächten zu schicken. Ich war erstaunt, daß ein einzelner Mensch eine Entscheidung treffen konnte, die eine ganze Welt betraf. Ich fragte Karas, ob er diesen Omelli jemals persönlich kennengelernt habe, doch mein Großvater verneinte bedauernd. Alle Verhandlungen und Gespräche hatten ausschließlich mit Galen stattgefunden.

»Er und mein Vater sind verheiratet«, sprach ich gedankenlos vor mich hin. Karas verschluckte sich an seinem Tee, und ich mußte ihm eine Weile lang kräftig auf den Rücken schlagen, ehe er zu husten aufhörte.

»Armes Kind«, lachte er schließlich atemlos. »Ausgerechnet der Botschafter – da du ihn doch so sehr verabscheust!«

Ich wurde rot. »Zieh mich nicht auf, Großvater«, bat ich beschämt. »Ich weiß, wie d-dumm ich mich verhalten habe, aber ich bin durchaus in der Lage, einen Fehler einzugestehen.« Er gab mir einen zufriedenen Kuß auf die Wange und schickte mich fort, weil er müde war. Ich suchte ein wenig nach Jenka und begab mich dann, weil ich meine Freundin nirgends finden konnte, zu Leonie.

Die alte Magierin saß auf dem Altan und blickte gezielt in die Sonne. Magramanir, die keinen Schritt von ihrer Seite wich, wenn Leonie wach war, hüpfte über den Boden und schien wie eine Katze hinter irgendwelchem Getier herzujagen. Als ich an Jemainas Seite auf den Altan trat, flatterte die Rabin hoch und setzte sich auf Leonies Hand. Die Magierin lächelte uns entgegen. Jemaina lehnte sich gegen die Brüstung und stopfte ihre Pfeife. Ich hockte mich Leonie zu Füßen und sah sie voller Zuneigung an. Sie strich mir sacht über das Haar und fragte: »Geht es dir gut, Kind?« Ich überlegte kurz und bejahte ihre Frage. Es ging mir gut, wenn ich auch mit etwas Unbehagen in meine Zukunft sah. Ich fühlte mich der auf mich wartenden Aufgaben bei weitem noch nicht gewachsen, aber angesichts des sich verschlechternden Zustandes meines Großvaters mußte ich damit rechnen, erheblich früher, als mir lieb war, in mein neues Amt eingeführt zu werden – wahrscheinlich schon im nächsten Frühjahr.

Leonie schien wieder einmal meine Gedanken zu lesen. »Hab keine Angst, Elloran«, sagte sie. »Du bist niemals allein, vergiß das nicht. Außerdem – wer weiß ...« Sie schwieg, und ich sah verwundert in ihr stilles Gesicht. Sie hatte sich seit der Nacht des Zweikampfes verändert. Ihre Sicht schien sich mit dem Verlust ihres Augenlichtes auf andere, unsichtbare Sphären verlagert zu haben. Sie wirkte äußerlich zerbrechlicher als früher, aber dennoch strahlte sie eine seltsame Kraft aus, die mich noch weit mehr beeindruckte als ihre alte, oft beängstigende und spöttische Art.

Jemaina fragte: »Ist alles in Ordnung, Leonie?« Die alte Magierin antwortete nicht. Ihre Hand legte sich sacht auf mein emporgewandtes Gesicht. Es war fast wie die geistige Berührung durch Galen; nur, daß jetzt wortlose Bilder durch mein Bewußtsein fluteten. Ich fühlte ihren Schmerz darüber, daß ihr Volk langsam starb, daß ihm kaum noch Kinder geboren wurden und die weniger und weniger werdenden Erwachsenen sich in alle Winde zerstreuten, weil sie die Gegenwart anderer immer schlechter ertragen konnten. Einige der Jüngeren, die noch die Gesellschaft suchten, taten sich mit menschlichen Partnern zusammen und vermischten so ihr Blut mit dem der kurzlebigen Neuankömmlinge. Die meisten der alten Zauberer, Leonies Gefährten, verschwanden nacheinander spurlos in der menschenleeren Wildnis unserer Welt, und niemand, nicht einmal Leonie, wußte, wie viele von ihnen überhaupt noch lebten. Die Stadt der Zauberer war zu einer Geisterstadt geworden.

Ich fühlte Tränen über mein Gesicht laufen. Leonies Finger trockneten meine nassen Wangen und lösten die Berührung. Ich blinzelte und bemerkte erst jetzt, daß ich an Jemainas Schulter lehnte. Meine untergeschlagenen Beine kribbelten schmerzhaft. Die Sonne stand inzwischen tief am Horizont, und erste Sterne funkelten am dämmrigen Himmel. Ich mußte Stunden hier neben Leonie verbracht haben, ohne daß ich mir dessen bewußt gewesen war. Als ich in meinen Geist hineinblickte, hatte ich die Geschichte eines ganzen Volkes vor meinem inneren Auge: Leonies Auftrag an die künftige Herrscherin der Kronstaaten. Mir war schwindelig. Jemaina half mir auf die Beine und führte mich nach einem schnellen Blick auf die anscheinend in Schlaf gesunkene Leonie hinein. Sie hieß mich niedersetzen und brachte mir einen Becher mit Wasser, den ich dankbar leerte. Jemaina kümmerte sich derweil um Leonie, hob sie wie ein Kind aus ihrem Lehnstuhl und trug sie zum Bett. Ich erkannte plötzlich, daß ich Leonie nach dem verhängnisvollen Abend kein einziges Mal mehr hatte stehen oder sich fortbewegen sehen. Jemaina sah meinen erschreckten und fragenden Blick und schüttelte zur Antwort nur traurig den Kopf. Fürsorglich deckte sie die alte Magierin zu und dankte Magramanir für ihre Anwesenheit. Die Rabin krächzte rücksichtsvoll leise und strich durch das geöffnete Fenster in die Abenddämmerung.

Ich stand auf und wandte mich zum Gehen, immer noch halb benommen. Jemaina legte mir eine Hand auf den Arm und sagte gedämpft: »Sie hat dir eine sehr große Last aufgebürdet. Wenn du mich brauchen solltest, Kind, ruf mich, ich komme dann sofort zu dir. Vielleicht kann ich es dir etwas erleichtern.«

Ich umarmte sie dankbar und flüsterte: »Es geht schon, Jemaina. Aber ich komme sicher darauf zurück.«

Der nächste Morgen fand mich früh auf den Beinen. Jenka war zur Zeit wieder zur Nachtwache eingeteilt, deshalb sahen wir uns weit seltener, als mir lieb war. Wenn sie ihren Dienst beendete, weckte sie mich, und wir frühstückten gemeinsam, bevor sie sich zu Bett begab – oder, genauer gesagt, bevor ich mich noch einmal mit ihr in die Kissen kuschelte. Wenn sie dann eingeschlafen war, stand ich auf und leistete meinen Großeltern Gesellschaft bei ihrem Frühstück. Karas fiel es immer schwerer, seine Räume überhaupt zu verlassen. Es schmerzte mich sehr, seinen fortschreitenden Verfall hilflos mitansehen zu müssen.

An diesem Morgen also hatte mich Veelora an der Tür zu Karas' Schlafraum abgefangen und flüsternd fortgeschickt. Mein Großvater hatte eine schlimme Nacht hinter sich und schlief nun einen drogenbetäubten Schlaf. Jemaina hatte sich um ihn gekümmert, aber dem hoffnungslosen Gesichtsausdruck meiner Großmutter nach zu urteilen, hatte die Oberste Maga nicht viel mehr tun können, als Karas' Schmerzen etwas zu lindern und ihn mit einem ihrer Tränke in Schlummer zu versetzen.

Ich holte mir die Abschriften des Friedensvertrages mit S'aavara, den ich am Tag zuvor angefangen hatte durchzuarbeiten, aus dem Arbeitszimmer und verzog mich mit ihm und zwei knackigen Äpfeln in das Rosenlabyrinth. Dort konnte ich sicher sein, daß man mich fand, wenn man mich suchte und ansonsten niemand mich stören würde, so sehr hatte sich meine Umgebung inzwischen daran gewöhnt, daß dies ›mein‹ Platz war. Karas nannte das Herz des Irrgartens mein ›Büro‹ und hatte scherzhafte Überlegungen angestellt, wie es überdacht und geheizt werden könne, damit ich zur Winterzeit nicht in Schnee und Eis dort sitzen und frieren müßte.

Der neue maior T'jana schien wirklich der einsichtige und friedliebende Mann zu sein, als den Galen ihn geschildert hatte. Ich las seine persönlichen Anmerkungen zum Vertrag und freute mich darauf, ihn im Frühjahr selbst kennenzulernen, wenn er mit seinem Sohn zu meiner Amtseinsetzung nach L'xhan käme.

Die Krönung sollte nun endgültig auf dem Frühlings-Krontag stattfinden. Ich hatte mich geweigert, das alte Versteckspiel mitzuspielen, dem die Krone sich jahrzehntelang unterworfen hatte. Wenn jemand vorhatte, mich zu töten, würde es ihm gelingen, allen Versuchen der Tarnung zum Trotz, das hatte Julian mir deutlich genug vor Augen geführt. Meine Großeltern hatten sich – nicht gerne, aber notgedrungen – schließlich meinem Wunsch gebeugt. Es blieb ihnen allerdings auch kaum etwas anderes übrig, denn ich hatte sie vor die Alternative gestellt: Entweder bekam ich eine öffentliche Krönung, oder ich würde noch vorher abdanken. Da sowohl die alte als auch die neue Oberste Maga mich in diesem Punkt unterstützten, gaben Karas und Veelora endlich nach. Karas schien der Gedanke sogar zu erleichtern, daß die Heimlichtuerei nun wirklich ein Ende haben sollte.

Um Veeloras sorgenzerfurchtes Gesicht zu glätten, hatte ich aber immerhin ihrer Bitte zugestimmt, mein Geheimnis bis zur Krönung noch nicht zu enthüllen. Das fiel mir nicht schwer, da meine engste Umgebung ohnehin inzwischen Bescheid wußte. Ich saß in dem duftenden, sonnengesprenkelten Irrgarten, die Akten um mich herum ausgebreitet und dachte an den Tag zurück, an dem Jenka herausgefunden hatte, warum immer alle so ein Getue um mich machten. Wir waren, ohne uns abzumelden, hinunter in die Kronstadt geritten und hatten den Markt besucht. Müde, staubig, und sehr befriedigt von unserm Ausflug kehrten wir spät des Nachmittags mit unseren Einkäufen beladen zurück zur Burg und wurden von einer sehr aufgeregten Kommandantin der zweiten Wache empfangen, die uns sofort zu Veelora eskortierte. Dort erwartete mich ein Donnerwetter erster Güte, von dem auch meine arme Jenka den einen oder anderen Schauer abbekam. Veelora schickte uns mit einer Eskorte wie ungezogene kleine Mädchen auf unser Zimmer – fast erwartete ich, sie würde uns für diese Woche den Nachtisch streichen – und Jenka war eigenartig still, während wir dorthin begleitet wurden. Als sich dann die Tür hinter uns schloß und wir allein waren, sprach sie immer noch nicht. Ich ließ sie eine Weile in Ruhe, aber dann wurde es mir doch zu viel. Ich nahm sie in den Arm und fragte sie, was los sei.

Sie wandte ihr Gesicht ab und antwortete nicht. Ich legte meine Arme um ihre Hüften und bat sie, mich anzusehen. Sie tat es, aber mit verschlossener, gekränkter Miene.

»Was soll ich sagen, Liebste?« fragte ich hilflos. »Es tut mit leid, daß du Großmutters Standpauke miterdulden mußtest. Es war mein Fehler, ich hätte ihr wirklich sagen müssen, wohin ich gehe. Aber ich w-wollte einmal wieder ohne eine Bewachung sein – du bist schließlich die beste Eskorte, die ich mir wünschen kann. Du wirst sehen, morgen ist alles vergessen. Auf dich ist sie ohnehin nicht böse, Jen.«

Sie sah mich an, und ihre Augen blickten vorwurfsvoll. »Du vertraust mir nicht.«

»Jen, nein! Wie kommst du darauf? Du bist meine liebste Freundin, meine engste Vertraute. Wie kannst du so etwas sagen?« Sie wand sich aus meinen Armen und trat zum Fenster. Ich stand da, mit hilflos herabhängenden Händen und wußte nicht, wie mir geschah.

»Warum machen sie alle so einen Aufstand, wenn du einmal alleine irgendwohin gehen willst? Warum brauchst du überhaupt eine Eskorte? Warum hat Julian versucht, dich zu töten?« Ihre Fragen kamen scharf und böse. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Zwar hatte ich versprochen, Stillschweigen über mein und meines Großvaters Geheimnis zu bewahren, aber galt das auch für die Frau, die mein Leben teilte?

Ich eilte zu ihr ans Fenster und umarmte sie. Ihr Körper versteifte sich in meinen Armen, doch sie wehrte mich nicht wieder ab. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter und blickte mit ihr zum Fenster hinaus. Ich konnte ihr Profil sehen und die unbeugsamen Linien darin. »Jen, ich bin die Erbin der Krone«, flüsterte ich in ihr Ohr. »Ich werde im Frühjahr gekrönt – und ich möchte dich bitten, meine Hand zu sein. W-würdest du das für mich tun?« Sie tat einen langen, bebenden Atemzug und drehte sich zu mir um. Ihre Augen forschten in meinem Gesicht.

»Hättest du mir das nicht ein bißchen schonender beibringen können?« fragte sie schließlich mit leicht zittriger Stimme. In ihren Augen standen Tränen. Ich bedeckte ihr Gesicht mit Küssen – und schließlich mußten wir beide lachen.

»Irgend so etwas habe ich ja geahnt«, sagte sie sehr viel später, als wir zufrieden nebeneinander auf dem Bett lagen und die süßen Trauben aßen, die wir auf dem Markt erstanden hatten. »Diese ganze Geheimnistuerei. Sogar meine Tante hat sich geweigert, mir zu sagen, was hier vor sich geht. Die ganze Zeit habe ich darauf gewartet, daß du mich in dein Vertrauen ziehst ...« Schuldbewußt hob ich ihre Finger an meine Lippen und küßte sie um Vergebung heischend. Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie diese ganze seltsame Geschichte auf Jenka wirken mochte. Sie war so loyal und geduldig gewesen, voller Vertrauen abzuwarten, bis ich ihr eine Erklärung für alles bieten würde.

Ich schloß die Augen und dachte an die Versöhnung zurück, die unserer ersten ernsthaften Mißstimmung gefolgt war. Die Sonne schien auf meine Lider, und ich döste ein wenig ein. Schritte und eine Stimme weckten mich auf. »Hallo, Ell? Bist du dort drinnen?«

»Ja, Nik, ich b-bin hier«, rief ich und sprang auf. Die Papiere schneiten rund um mich zu Boden. Nikal hatte sich drei ganze Wochen nicht bei mir gemeldet, und ich hatte ein ganzes Gebirge an neuen Fragen an ihn. Er bog um die Ecke und war mit zwei Schritten bei mir, um mich fest zu umarmen.

»Wie geht es Galen?« Er nickte beruhigend und sah mich sehr seltsam an. »W-was ist?« fragte ich nervös.

»Ich wollte dich fragen, ob du für ein paar Tage mit mir kommst. Omelli möchte dich endlich persönlich kennenlernen«, entgegnete er. Mir verschlug es den Atem.

»Ich m-müßte meine Großeltern um Erlaubnis bitten«, stammelte ich endlich aufgeregt. »Falls sie mich jetzt weglassen – aber das tun sie bestimmt, Karas geht es zur Zeit ohnehin n-nicht gut, er kann sich sicher in den nächsten Tagen nicht mit mir b-beschäftigen ... Wohin g-gehen wir denn, wo hält sich Omelli auf?«

Nikal lächelte verhalten und drückte mich auf die Bank. Dann begann er, die verstreuten Papiere einzusammeln und mir in den Schoß zu legen. »Jetzt hol erst mal tief Luft und beruhige dich. Wir gehen gleich zu deinen Großeltern und bitten sie um einige Tage Urlaub, Prinzessin. Mir scheint, du hast ihn wirklich nötig.«

Ich sortierte mit fliegenden Fingern die Akten. Nikal hockte sich auf seine Fersen und sah mir mit undeutbarer Miene zu. »Freust du dich auf deine neue Aufgabe?«

Das hatte mich noch niemand gefragt, und ich wußte keine Entgegnung darauf. Nikal sah mich unverwandt an. Seine hellen Augen durchforschten mein Gesicht nach einer Antwort.

»Ich weiß nicht, Nik«, begann ich nach einer Weile zögernd. »Es kam alles so überraschend für mich. Ich h-hätte gerne noch etwas mehr Zeit gehabt, mich daran zu gewöhnen und auf das Amt vorzubereiten. Aber Karas ist zu krank, um das noch lange durchstehen zu können. Gerade die Friedensverhandlungen werden noch sehr viel Kraft erfordern; mehr, als er in der Lage ist, zu geben. Außerdem – was für eine Wahl hätte ich?« Er nickte, aber seine Miene wirkte zweifelnd. Er erhob sich aus seiner kauernden Stellung und reichte mir höflich die Hand, um mir aufzuhelfen. Ich klemmte das zerfledderte Aktenbündel unter meinen Arm und geleitete ihn schweigend hinein.

Veelora hörte sich seine Bitte stirnrunzelnd an und biß sich auf die Lippen. »Das kommt nicht allzu gelegen, Kommandant. Das Kind hat im Augenblick ein riesiges Pensum zu bewältigen, und jeder Tag, den sie dabei verliert, ist nicht mehr aufzuholen. Ich kann das nicht befürworten.«

Nikal hörte sich ihre Einwände ohne Widerspruch an und verlangte dann freundlich, aber hartnäckig, den Kammerherrn persönlich zu sprechen. Veelora fuhr heftig auf, und ich sah meine Felle schon davonschwimmen, als eine schwache, aber befehlsgewohnte Stimme aus dem Nebenzimmer sie unterbrach. »Vee, meine Liebe, schicke mir die beiden doch bitte herein!«

Meine Großmutter preßte erbittert die Lippen zusammen und öffnete uns stumm die Tür. »Regt ihn nicht auf!« zischte sie noch, dann traten wir in Karas' Schlafraum. Mein Großvater saß in die Kissen gelehnt in seinem Bett und hatte wie immer einen Wust von Papier um sich ausgebreitet. Ich eilte zu ihm und küßte ihn auf die weiche Wange, und Nikal neigte voller Achtung seinen Kopf.

Karas winkte uns, uns niederzusetzen und schob die Papiere auf seinem Schoß etwas zusammen. Sein Gesicht war von starken Schmerzen gezeichnet, aber der Blick seiner kurzsichtigen Augen schien so wach und aufmerksam wie früher. Noch ehe Nikal oder ich etwas sagen konnten, räusperte er sich und erklärte, daß Galen ihn schon vor längerem auf Nikals Bitte vorbereitet habe. Selbstverständlich sei es mir gestattet, meinen Vater zu begleiten. Er hielt inne und betrachtete Nikal mit einem scharfen Blick. »Du gibst mir dein Wort, daß du sie mir wiederbringst?«

Ich sah Nikal von der Seite an und war erstaunt über den Schatten, der über sein Gesicht glitt. Er erwiderte den Blick meines Großvaters mit unerklärlicher Härte. Die beiden schienen ein stummes Duell auszutragen, dessen Grund ich nicht begriff. Aber endlich senkte Nikal den Blick und nickte. Karas entspannte sich und fiel ermattet zurück in die Kissen. Sein Gesicht war grau und schmerzverzerrt, und er bat uns schwach, ihn zu verlassen. Ehe ich seinem Wunsch nachkommen konnte, winkte er mich noch einmal zu sich, ergriff meine Hand und zog mich zu sich herunter. Sein Mund war dicht an meinem Ohr, er flüsterte: »Bitte, Elloran. Ich vertraue ihm nicht völlig, ich brauche auch dein Ehrenwort. Ich bitte dich, komm zurück zu uns, bleibe nicht bei den Fremden!« Ich starrte ihn entgeistert an. Was brachte ihn auf den Gedanken, ich könnte bei ihnen bleiben? Sie würden bald wieder abreisen, und keiner von uns sähe sie jemals wieder – das jedenfalls hatte Nikal behauptet.

Die Augen des alten Mannes waren flehend auf mich gerichtet. Ich schüttelte den Kopf. »Hab k-keine Angst, Großvater. Ich lasse dich nicht lange allein, das verspreche ich dir. Nik sprach nur von einigen Tagen.«

Er schloß die Augen, und seine Finger lösten ihren festen Griff. Ich legte seine Hand behutsam zurück auf die Bettdecke und ging leise hinaus. Nikal stand wartend bei der Tür, und Veelora starrte ihn wütend an. Ich ging zu ihr, um mich von ihr zu verabschieden. Sie zog mich beiseite.

»Kind, wir brauchen dich hier. Ich bitte dich, gehe nicht mit ihm. Es sind Fremde, keiner von uns weiß, was sie wirklich vorhaben.« Ich vernahm die echte Angst in ihrer Stimme und umarmte sie fest.

»Großmutter, ich verspreche es dir, wie ich es Karas versprochen habe: Ich k-komme wieder. Aber ich muß mehr über sie erfahren, es ist meine Pflicht als zukünftige Herrscherin, das verstehst du doch.« Ihre Augen durchforschten mein Gesicht. Endlich nickte sie traurig und wandte sich ab, um ins Nebenzimmer zu gehen. Nikal stand reglos wartend da, und sein Blick traf mich kalt und hell. Zu meiner eigenen Verwunderung bemerkte ich, daß ich Angst verspürte, gerade so, als hätte sich die Besorgnis meiner Großeltern auf mich übertragen. Wußte ich, was die Fremden mit mir vorhatten? Konnte ich Nikals Worten einfach so Glauben schenken, daß sie meinem Volk nicht übelwollten? Meine gemischten Gefühle mußten sich in meiner Miene widergespiegelt haben, denn er trat einen Schritt auf mich zu und reichte mir seine Hand. Ich erwiderte ihren festen Druck, und er lächelte mich beruhigend an.

»Keine Angst, Prinzessin. Niemand will dir schaden, dafür verbürge ich mich mit meinem Leben. Du wirst es nicht bereuen, mit mir gekommen zu sein. Gib es zu, du bist doch viel zu neugierig, um dir diese Gelegenheit entgehen zu lassen!«

Ich mußte lachen. Natürlich hatte er recht. Er drückte meine Schulter und schob mich zur Tür hinaus. Wie ich es vermutet hatte, führte er mich hinauf auf den Alten Turm. Oben auf der Plattform angekommen, hieß er mich warten und ging einige Schritte zur Mitte. Er blieb stehen und fuhrwerkte in der leeren Luft herum. Etwas schimmerte auf und schien die Luft zu verdrängen. Ich traute meinen Augen kaum, als vor uns ein liegendes zylindrisches Objekt von der Größe eines kleinen Fischerkahns erschien. Es zeigte keinerlei Öffnungen oder Unterbrechungen in seiner metallischen Oberfläche. Stumm und bewegungslos lag es vor uns auf der Plattform. Gefesselt trat ich heran und betastete vorsichtig seine Hülle, während Nikal mir schweigend dabei zusah. Ich fühlte seltsam kühle Glätte unter meinen Fingern: nicht das Metall, das ich erwartet hatte, sondern irgendein fremdartiger Stoff, den ich nicht einordnen konnte. Fragend drehte ich mich zu Nikal um.

»Überraschung«, lachte er und wies auf den Gegenstand. Unter meinem Blick öffnete sich in der makellosen Oberfläche eine Luke, durch die ich ins Innere blicken konnte. Schwaches Licht drang heraus, und ich wich erschreckt zurück.

»Ist das Zauberei?« fragte ich ihn. Er lachte nur und winkte mir, ihm zu folgen. Herzklopfend sah ich zu, wie er den Kopf einzog und in das seltsame Behältnis stieg. Ich nahm all meinen Mut zusammen und kletterte hinter ihm her. Er faltete seine langen Gliedmaßen zusammen und verstaute sie in einer Art von gepolsterter Liege mit breiten Armlehnen. Mit zusammengebissenen Zähnen tat ich es ihm nach. Ich legte mich auf die zweite Liege, die gleich daneben im Boden verankert war. Damit war der kleine Raum auch schon fast vollständig ausgefüllt. Ich konnte einen Schauder nicht unterdrücken, als sich die Öffnung lautlos wieder schloß und uns in diesem winzigen Behälter einsperrte.

Nikal sah mich besorgt an. »Kannst du es für eine Weile aushalten?« fragte er. »Das ist zwar nicht die komfortabelste Art zu reisen, aber auf kurze Entfernung die einfachste. Es wird nicht lange dauern, Prinzessin.« Ich nickte verkrampft, und er zeigte mir, wie ich meine Beine am besten unterbringen konnte. Die Liege war erstaunlich bequem und paßte sich sanft meinem Körper an. Ich blickte mich um und sah vor mir eine schwarze Tafel, auf der in einem gelblichen Licht fremdartige Schriftzeichen und Symbole glommen. Gebannt sah ich darauf und bemerkte, daß die Zeichen wie Ameisen über die Tafel wanderten und manche von ihnen sich dabei magisch in andere verwandelten.

Nikal saß neben mir und ließ seine Finger über verschiedenfarbig leuchtende Felder auf seinen Armlehnen gleiten, wobei er konzentriert auf eine ähnliche Schrifttafel vor seinen Augen sah. Ich blickte auf die Lehnen meiner Liege nieder, die die gleichen Verzierungen aufwies, die aber nicht in diesem zauberischen Licht glommen, sondern dunkel und tot erschienen.

»Inaktiv«, hörte ich Nikal kurz erläutern. Er unterbrach seine Tätigkeit nicht. Ich fragte nicht nach, was er damit gemeint hatte, sondern sah mich weiter neugierig um. Woher kam das Licht in diesem kleinen Raum? Ich konnte nirgends Kerzen oder Öllampen sehen. Dann schien sich etwas zu verändern, aber ich konnte nicht sagen, was genau es war. Mir wurde schwindelig, und in meinen Ohren summte es. Nikal lehnte sich entspannt zurück und sagte in die Luft: »Wir sind unterwegs, Maggie.« Er drehte sich zu mir und hob eine Hand, um sie mir beruhigend auf die Schulter zu legen. Ich schluckte, weil mir übel wurde. Er grinste mitfühlend.

»Keine Angst, Ell. Was du jetzt fühlst, ist beim ersten Mal ganz üblich – du wirst dich schon noch daran gewöhnen. Wir sind bald da.«

»Mit wem hast du eben gesprochen?« fragte ich matt. Eine Unterhaltung würde mich von meinem Unwohlsein etwas ablenken.

»Mit dem Schiff«, antwortete er. Sein Blick streifte in Abständen die Tafel mit den geheimnisvollen Zeichen vor ihm, während seine Finger hin und wieder beiläufig die Verzierungen der Armlehnen berührten.

Etwas summte leise. Eine fremde Frauenstimme sagte: »Ich habe euch, Kolja. Willkommen zu Hause.«

»Danke, Maggie. Bring uns rein«, antwortete er und lachte über mein erschrecktes Gesicht. Der Behälter, in dem wir saßen, schien sich zu drehen und ruckte sacht. Dann hob sich die Luke neben mir. Helles, freundliches Tageslicht fiel herein.

»Steig schon aus«, sagte Nikal. Seine Finger huschten wieder über die Armlehnen, und ich sah beide Tafeln und die erleuchteten Felder auf der Liege nacheinander erlöschen. Ich wandte ängstlich den Blick zur offenen Luke und schob mich ungeschickt aus dem Sitz. Atemlos musterte ich den großen, hellen Raum, in dem unser Behälter – unser Fahrzeug? – nun ruhte. Neben ihm lagen noch drei weitere dieser Zylinder, sonst aber war der Raum vollkommen leer. Auch hier konnte ich keine sichtbare Lichtquelle erkennen, obwohl es wirkte, als schiene eine unsichtbare Sonne durch ein nichtvorhandenes Fenster. Hinter mir krabbelte Nikal mit dem Hinterteil zuerst aus dem kleinen Fahrzeug und reckte sich dann stöhnend, die Hände in den Rücken gestemmt.

»Ich werde langsam zu alt für diese kleinen Flitzer«, bemerkte er.

Die Frauenstimme von vorhin antwortete aus der leeren Luft: »Du bist einfach verwöhnt, Kolja, das ist alles. Hast du Maddoc abgesetzt?«

Nikal winkte mir, ihm zu folgen, während er seine Unterhaltung mit der Geisterstimme fortsetzte. Wir schritten durch eine Tür, die magisch vor uns in der Wand erschien und hinter uns wieder verschwand, in einen kahlen Korridor. Alles hier schien aus demselben kühlen, glatten Stoff gemacht wie das Ding, das uns hierhergebracht hatte. Türen öffneten sich für uns und ließen uns hindurch, und endlich standen wir in einem kleinen runden Raum, der ebenfalls leer war. Kannten diese Fremden keine Möbel? Die Tür schloß sich, und nichts geschah. Nach einer Weile öffnete sie sich wieder. Ich blickte staunend – aber nicht in den Korridor, den ich erwartet hatte, sondern in ein freundlich eingerichtetes Zimmer.

Auch hier gab es das Licht ohne Quelle und keinerlei Fenster. Dafür war der Boden mit einem weichen Stoff belegt, und ich sah Tisch und Stühle und eine in die Wand eingelassene Bettnische.

»Deine Kabine, Ell«, sagte Nikal. Er zeigte mir einen in der Wand verborgenen Schrank mit Kleidungsstücken und eine winzige Nische mit einer Waschgelegenheit und wies auf eine Tafel mit leuchtenden Feldern neben der Tür und neben dem Bett und erklärte mir, wie ich mit ihrer Hilfe das Licht regulieren, die Tür öffnen und schließen und eine Sprechverbindung mit den anderen Leuten auf dem Schiff herstellen konnte.

»Was ist das für ein Schiff?« unterbrach ich ihn. »Auf welchem Meer schwimmt es, auf dem Südozean oder in der S'aavarasee? Und bitte, kann ich einmal an Deck – ich war noch n-nie auf einem richtigen, großen Schiff.«

Nikal lachte. Ich kam mir dumm und unbeholfen vor. Er bemerkte es und umarmte mich. Ich sträubte mich ein wenig dagegen, dann aber gab ich nach und legte meine Arme um ihn. Er küßte mich auf die Wange und sagte leise: »Entschuldige, Prinzessin. Du bist zwar meine Tochter, aber ich vergesse immer wieder, daß du in einer anderen Welt geboren und aufgewachsen bist und daß alles hier schrecklich fremd für dich sein muß. Komm, ich zeige dir, auf was für einem Schiff du dich befindest.«

Wieder standen wir für kurze Zeit in der kleinen Kammer vor meiner Kabine, und wieder öffnete sich die Tür auf einen fremden Ausblick. Der Raum, in den wir traten, war recht weitläufig und nur gedämpft erleuchtet. Tische standen darin, aber wir waren die einzigen Personen. Waren außer mir und meinem Vater und der Frau, deren Stimme ich vernommen hatte, überhaupt noch andere Menschen an Bord? Ich fragte Nikal, und er sagte: »Aber ja, Kind. Hier an Bord leben fünfzig Besatzungsmitglieder und sorgen dafür, daß alles reibungslos läuft. Obwohl ich glaube, daß Omelli das durchaus auch alleine schaffen könnte, stimmt's, Maggie?«

»Sicher, Kolja, und wahrscheinlich sogar viel besser. Aber es wäre schrecklich langweilig ohne euch«, antwortete die unsichtbare Frau lachend.

Wir gingen durch den Raum und erreichten eine Wand, die ein raumhohes, wunderschönes Gemälde zierte: ein nachtschwarzer Himmel mit mehr Sternen, als ich je in meinem Leben gesehen hatte. Nikal sah auf das Bild und lächelte versunken.

»Es ist immer wieder überwältigend«, bemerkte er schließlich. »Ich habe es doch so oft schon gesehen, und dennoch ...« Er schwieg eine Weile, dann sagte er: »Maggie, Liebling, bist du so nett und drehst uns zum Planeten? Elloran soll ihre Heimat sehen.«

»Wird gemacht, Schatz«, antwortete die fröhliche Stimme. Die Sterne auf dem Bild vor mir begannen sich langsam zu bewegen. Mir wurde schlecht. Das war überhaupt kein Bild – es war ein Fenster! Ich jammerte leise und suchte nach Nikals Hand. Er legte mir schützend einen Arm um die Schulter und flüsterte: »Dieses Schiff schwimmt im größten Meer, das die Menschheit je befahren hat, aber du mußt dich nicht fürchten. Du wirst es schnell lernen, den Anblick zu lieben, so wie ich ihn liebe. Schau, Elloran: deine Welt!«

Ich vergaß alle Furcht. Ein strahlender, blau, grün, weiß und golden schimmernder Ball drehte sich ins Bild. Der Anblick war von solch ehrfurchtgebietender Schönheit, daß mir der Atem stockte. Nikal ließ mich das Bild mit allen Poren aufsaugen, dann erklärte er mir behutsam, was ich dort sah. Er zeigte mir Ozeane, deutete auf die Länder, die ich kannte, erklärte mir die weißen Wirbel, die den Ball überzogen. Ich stand voller Staunen und Ehrfurcht vor der Majestät meiner Heimatwelt.

»Genug«, bat ich endlich benommen. »B-bitte, Nik, ich kann nicht mehr. Darf ich später wieder hierherkommen und mir das ansehen?«

»Aber natürlich, Ell. Das hier ist die Messe, hier nehmen wir gewöhnlich unsere Mahlzeiten ein, und es ist unser Aufenthaltsraum, wenn jemandem seine Kabinendecke auf den Kopf fällt und er Gesellschaft braucht. Du kannst jederzeit hierher kommen. Möchtest du jetzt in dein Quartier zurück?« Ich nickte matt. Mein Kopf schmerzte, ich fühlte mich krank und zerschlagen.

Ich bat Nikal, mich eine Weile hinlegen zu dürfen. Er betrachtete mich besorgt. »Du siehst wirklich elend aus, Ell. Schlaf ein wenig, dann geht es dir sicher besser. Ich lasse dich alleine, du weißt ja, wie du mich rufen kannst, wenn du wieder wach bist. Dann werden wir etwas essen und Ranan in ihrem Reich besuchen. Sie freut sich schon darauf, dich wiederzusehen.« Er lächelte, und ich erwiderte es schwach. Meine Beine zitterten, und ich war heilfroh, mich niederlegen zu können. Nikal fragte mich, ob ich noch etwas benötigte. Ich verneinte und bat ihn, das Licht zu löschen. Dann schloß sich die Tür hinter ihm, und ich lag in undurchdringlicher Finsternis. In meinem Schädel hämmerte es, alles drehte sich um mich. Ich fiel in einen unruhigen Schlummer.

Das Erwachen war entsetzlich. Ich wußte nicht, wo ich war. Ich lag da wie gelähmt und mit weit aufgerissenen Augen; mein Herz hämmerte gegen meine Rippen, und ich war vollständig blind. Man hatte mich beerdigt, lebendig in ein Grab gelegt und mich dann vergessen! Die Wände kamen immer näher und würden mich erdrücken, wenn ich sie nicht aufhielt, aber ich konnte mich nicht rühren; keines meiner Glieder wollte sich bewegen. Ich bekam keine Luft mehr, hatte nicht einmal die Kraft zu schreien. Bei allen Geistern, ich war tot! Ich war tot und begraben, aber dennoch fühlte ich mein Herz heftig schlagen, und mir war unbeschreiblich übel. Ein leises Wimmern löste sich von meinen tauben Lippen. Holt mich bitte hier raus! O Göttin, hilf mir!

Ein heller Summton klang durch die finstere Hölle, in der ich lag. Wieder und wieder schlug er an meine betäubten Ohren und schnitt durch meinen zerspringenden Kopf. Etwas zischte leise, und ein Lichtstrahl fiel in meine Augen. Eine Silhouette erschien in dem Licht und näherte sich mir. Ich sah ihr stumm und voller Panik entgegen.

»Ell, entschuldige. Du hast nicht geantwortet, deshalb bin ich einfach hereingekommen. Habe ich dich etwa geweckt?« Licht schien auf und beleuchtete die Gestalt, die sich besorgt über mich beugte. Türkisfarbene Augen und ein runder Kopf, spitze, behaarte Ohren und warme, zuverlässige Hände – »Tom!« Meine Stimme klang rauh und fremd in meinen schmerzenden Ohren.

Er griff nach meinen Händen, und die Besorgnis in seinen Augen vertiefte sich. »Chu-chula, was ist? Bist du krank?« Die Wände, die mit seinem Eintreten zurückgewichen waren, kamen wieder näher. Ich keuchte vor Schreck und entriß ihm meine Hände, um den drohenden Tod von mir abzuwenden. Er packte meine Schultern und hielt mich fest.

»Maggie, ich brauche Akim in Kabine fünf«, sagte er laut. »Ein Notfall!«

»Maddoc ist auf der Oberfläche«, antwortete die Frau gelassen. »Was für ein Notfall, Commander?« Tom fluchte unbeherrscht.

»Könntest du das bitte etwas genauer formulieren?« fragte die freundliche Stimme geduldig.

»Unser Gast ist krank«, erklärte Tom hastig, während er mir beruhigend über die Stirn strich. »Es sieht aus wie ein besonders schwerer Fall von Raumkoller – aber sie ist doch noch keine sechs Standards hier an Bord!«

»Ich schicke Galen«, entschied die Frau.

Tom hielt mich fest und streichelte mich. Seine Stimme murmelte sanft in mein Ohr. Ich entspannte mich etwas. Sein Duft nach Vanille war genauso beruhigend wie die Berührung seiner warmen, sanften Hände. Seine Hände ... Eine erneute Welle höchster Panik durchfuhr mich. Die Krallen, er hatte seine schrecklichen Krallen ausgefahren, er wollte mich damit töten! Ich schrie erstickt auf und versuchte, mich von ihm freizumachen, vor ihm zu fliehen. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer grauenhaften Fratze, er bleckte scharfe, lange Zähne, von denen giftiger Geifer herabtroff. Mit einem bösartigen Kreischen stürzte das Ungeheuer sich auf mich, um mich mit Zähnen und Klauen zu zerfleischen. Ich schrie wieder in höchster Todesangst.

– Ruhig, ganz ruhig. Niemand will dir etwas Böses.

– Galen!

– Leg dich wieder hin, Tochter. Ich werde dir helfen.

Schmerzhafte, kalte Berührung. Ich zuckte schwach zurück, aber dann ergab ich mich. Mein tobendes Bewußtsein beruhigte sich langsam. Wärme, Ruhe. Keine Angst mehr. Ich lag mit geschlossenen Augen und fühlte, wie meine Erinnerung zurückkehrte. Ich war auf dem seltsamen Schiff, das auf dem Meer der Sterne segelte. Nikal hatte mich hierhergebracht. Galen sprach sanft in meinem Kopf. Erklärte, besänftigte den tobenden Schmerz. Ich sank auf eine Ebene, die leichtem Schlummer glich, war aber dennoch bei Bewußtsein.

»Was ist mit ihr, Galen?« Die Frau – Maggie.

»Tom hatte recht. Es war ein schlimmer Anfall von Raumkoller.« Galen.

»Wie ist das möglich? Es dauert doch sonst Monate, ehe ein Kadett sich so etwas fängt.« Besorgt. Nikal.

»Ich habe eine Vermutung, aber ich weiß nicht, wie weit sie zutrifft. Ich stelle eine starke Desorientierung fest, die daher rühren könnte, daß wir sie von ihrem Planeten heruntergeholt haben. Ihr Organismus scheint das nicht ohne weiteres zu verkraften. Es handelt sich möglicherweise um eine Folge ihrer magischen Fähigkeiten; sie muß Vorfahren aus der Urbevölkerung ihres Planeten haben. Akim müßte uns nach einer Untersuchung mehr darüber sagen können.« Galen.

»Was tun wir jetzt?« Tom.

»Laßt sie ruhen, aber bei Licht. Jemand sollte bei ihr bleiben. Tom?« Galen.

»Ja, in Ordnung, Wunder. Ich kann dich ja rufen, wenn etwas passiert.« Tom.

Sie gingen hinaus. Ich lag in einer seltsam friedlichen Blase von Unwirklichkeit und fühlte Tom neben mir. Ich tastete nach seiner Hand, voller Scham wegen meiner vorherigen Panik. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und sah ihn an. Er erwiderte meinen Blick und lächelte zögernd. Ich drückte seine Finger und lächelte zurück. Sein Blick verlor die Zurückhaltung.

»Hallo, chu-chula«, sagte er zärtlich.

»Hallo, Tom«, flüsterte ich. Er streichelte über mein Gesicht. Dann beugte er sich über mich und küßte mich. Mit leisem Unbehagen spürte ich, wie sich alte, tief vergrabene Gefühle in mir regten. Ich legte meine Arme um ihn und erwiderte seinen Kuß. Er brummte zärtlich, und der vertraute Muskatduft übertönte die zarte Vanillenote. Mit Armen, in die langsam Kraft zurückkehrte, zog ich ihn auf mein Bett herab. Seine Hände glitten über meinen Körper und löschten alle Erinnerung an den erlittenen Schrecken.

»Ich liebe dich, Ell«, murmelte er. »Ich werde dich sogar lieben, wenn du dich wieder in irgend etwas anderes verwandelst. Aber um eines bitte ich dich: Ich habe schreckliche Angst vor Hunden! Könntest du mir das als Erscheinungsform ersparen?«

Ich mußte lachen, und die letzen Spannungen lösten sich. Wir liebten uns lange und zärtlich. Dann lag er in meinem Arm, und ich betrachtete mit Zuneigung sein häßliches Gesicht. Er erwiderte meinen Blick voller Staunen.

»Du hast dich nicht verändert, chu-chula. Du bist genau derselbe Elloran, in den ich mich damals in Salvok verliebt habe. Wenn ich nicht ganz genau wüßte, daß du damals keine Frau warst, wenn ich dich nicht danach erlebt hätte – und wenn ich nicht deinen Tod gesehen hätte ...« Er verstummte, und ein Zucken ging über sein Gesicht. Ich neigte mich zu ihm und liebkoste ihn mit meinen Lippen. Und Jenka? fragte eine Stimme in meinem Kopf. Was ist mit Jenka? Wie kann ich meine Liebste nur so hintergehen?

Ich hieß sie schweigen und gab mich wieder der Umarmung meiner ersten Liebe hin. Aber die Stimme flüsterte boshaft und hartnäckig im Hintergrund meines Bewußtseins, so sehr ich mich auch bemühte, sie wegzudrängen.

Am Morgen, als ich meine Augen aufschlug, fühlte ich mich frisch und ausgeruht. Zumindest nahm ich an, daß es Morgen war: Ich war ausgeschlafen, und mein Magen knurrte hungrig. Ich zog sanft an dem Haarbüschel auf Toms spitzen Ohr, das unter der dünnen Decke hervorragte. Er brummte und zog das Laken höher. Ich fuhr mit meinen Finger darunter und kitzelte ihn. Er maunzte leise und erwachte. Seine Katzenaugen blinzelten verschlafen in mein Gesicht, dann verzog sich sein Mund zu einem breiten Lächeln. Er setzte sich auf und reckte die langen, haarigen Arme. Ich stützte mich auf die Ellbogen und betrachtete ihn ungeniert. Der dichte, dunkle Pelz, der seinen stämmigen Körper bedeckte, zeigte im Licht hier und da einen zarten grauen Schimmer.

»Was ist, Ell? Sind mir über Nacht Federn gewachsen?« Er blickte an sich herunter. Ich streckte meine Finger aus und fuhr ihm sanft durch die kurzen, weichen Brusthaare.

»Du w-wirst grau, Kater.« Er seufzte und fing meine Hand, um sie zu küssen.

»Nicht nur das, chu-chula, ich werde außerdem dick, kahl und unbeweglich. Ich habe in den letzten Standardwochen viel zu viel herumgesessen, mir fehlen die Ausflüge auf deine Welt.«

»Wie alt bist du, Tom?«

»Das weißt du doch. Fünfundachtzig, nach der letzten groben Schätzung.« Er grinste. Ich schluckte trocken.

»Und Nik?« fragte ich vorsichtig. Tom sah mich verwundert an.

»Warum fragst du? Warte mal, als ich ihn kennenlernte, war er kurz zuvor Sechsundsiebzig geworden ... also müßte er jetzt Hundertvier- nein, Hundertfünfundzwanzig sein. Aber frag ihn lieber selbst, wenn du es ganz genau wissen willst. Wir merkten uns das nicht so, außer Maddoc, der unsere Regenerationszyklen überwachen muß.«

Er gähnte, daß ich seine spitzen Zähne bewundern konnte und rollte sich aus dem Bett. Ich starrte ihn an. Fünfundachtzig. Dagegen war Karas ein Jüngling. Aber wenn ich den Kater ansah, sah ich einen Mann in den besten Jahren – gut, er mochte recht damit haben, daß er ein wenig fülliger um die Mitte geworden war, und sein kurzes Haupthaar war tatsächlich deutlich weiter aus der hohen Stirn gewichen – aber fünfundachtzig Jahre alt? Unvorstellbar!

Er hatte unterdessen die Nische mit der Waschgelegenheit aufgesucht und tauchte nun wieder auf, in die unbequem wirkenden engen Hosen, das weiße, kragen- und verschlußlose Hemd und die schmale dunkle Jacke gezwängt, die anscheinend die schmucklose Tracht der Fremden bildete. Was für ein Gegensatz zu seiner farbenfrohen und prächtigen Aufmachung als fahrender Sänger! Ich konnte meinen Blick nicht von seiner neuen Erscheinung wenden. Streng und unnahbar wirkte er plötzlich.

»Ho, chu-chula, was hast du? Du siehst mich an, als hätte ich zwei Köpfe«, schalt er mich sanft. Ich blickte in seine strahlenden Augen und schüttelte die Beklommenheit ab, die mich so unerwartet überfallen hatte. Er lächelte und zog die Nase kraus. »Komm, ich zeige dir, wie die Dusche funktioniert, und dann holen wir uns ein Frühstück. Ich habe Appetit, du nicht?«

Die Dusche war eine weitere Überraschung dieses unglaublichen Schiffs. Tom steckte mich in die kleine Nische, fragte mich, welche Wassertemperatur ich bevorzugte und schloß dann mit einem aufmunternden Lächeln die Tür hinter mir. Kurz darauf schoß heißes, aromatisch riechendes Wasser aus den Wänden der Nische und ertränkte mich fast.

»Genieße es!« hörte ich Toms ersticktes Lachen. Ich kniff die Augen zusammen und gab mir Mühe. Die scharfen Wasserstrahlen massierten meine Haut wie mit tausend dünnen Fingern. Es prickelte angenehm, und ich begann, mich zu entspannen.

»Achtung!« rief Tom. Ich wußte nicht, was er meinte, aber wenig später sank die Temperatur des Wassers, und es wurde immer eisiger. Ich schnappte keuchend nach Luft. Das war eine winterliche Wäsche am Brunnen von Salvok! Ich kreischte empört. Das Wasser versiegte. Ein warmer Luftstrom trocknete in Sekundenschnelle meine gerötete, brennende Haut. Ich schoß aufgebracht durch die Tür der Nische und wurde von Toms ausgebreiteten Armen empfangen. Er drückte mich an sich, schnupperte an meinem Hals und murmelte genießerisch: »Hmmm. Schade, daß ich schon angezogen bin.« Ich mußte lachen und konnte nicht anders, als seinen großzügigen Mund zu küssen.

»Altes Ekel«, murmelte ich besänftigt. Er schob mich lachend zum Schrank in der Wand und zog einige Kleidungsstücke hervor, die er mir zuwarf. Eines dieser weißen Hemden, eine Hose, die der seinen ähnelte, aber von hellerer Farbe war – und eine hellgraue, schmale Jacke. Ich stand hilflos vor den fremdartigen Kleidern, und er half mir geduldig dabei, sie anzuziehen. Staunend strich ich mit den Händen über den leichten, festen Stoff, der sich angenehm weich an meinen Körper schmiegte. Die Hosen, die so unbequem ausgesehen hatten, waren kaum zu spüren; es schien, als trüge ich eine zweite Haut über meiner eigenen. Tom reichte mir noch ein Paar flacher, handschuhweicher Schuhe und sah mich mit geneigtem Kopf an.

»Eine echte Bürgerin der Allianz«, brummte er zufrieden und schob mich zur Tür hinaus.

Die Messe, wie Nikal sie genannt hatte, war dieses Mal nicht menschenleer. Gedämpfte Unterhaltungen und Geschirrklappern drangen an meine Ohren, als die Türen des kleinen, ›Lift‹ genannten Raums sich öffneten. Tom wünschte bei unserem Eintreten einen guten Morgen, und zwei Köpfe wandten sich uns zu. Ich erkannte Quinns strenges, dunkles Gesicht; neben ihr am Tisch saß eine fremde Frau, die auf den ersten Blick wie eine Norrländerin aussah. Dann sah ich genauer hin und schüttelte mich. Die Hand, die gerade einen Becher zum Mund führte, hatte entschieden zu viele Finger für einen Menschen. Das, was ich für blondes Haar gehalten hatte, schien ein Eigenleben zu führen, bewegte sich sacht und gleichmäßig wie in einem starken Luftzug.

Ich riß meinen begeisterten Blick von dem fremden Wesen los und richtete ihn auf Quinn, die sich von ihrem Stuhl erhoben hatte, um mich zu begrüßen. Sie reichte mir eine schmale, kräftige Hand und sagte: »Willkommen an Bord der O'Malley, Hoheit. Wie ich sehe, hat man Sie schon eingekleidet.«

Ich errötete und bat: »Bitte, Cap-Captain Quinn, nennt mich weiter bei meinem Namen. Ich trage noch keinen Titel.«

Sie lächelte, und ihr herbes Gesicht war von strenger Schönheit. »Gerne, Elloran. Aber dann solltest du mich auch ›Quinn‹ nennen.« Sie setzte sich wieder an den Tisch, nickte Tom zu und befahl: »Weitermachen, Commander. Guten Appetit!« Er dankte und wollte mich mit sich ziehen, aber nach zwei Schritten blieb ich wie angenagelt stehen und drehte mich zu Quinn um. Sie hatte mir die Hand gegeben. Die rechte Hand! Ich starrte sie an. Sie saß mit dem Rücken zu mir, hielt einen Becher in der Linken und schien ihrer Tischnachbarin mit einer Gabel in der Rechten etwas auf den Tisch zu zeichnen.

Tom zerrte an meinem Arm und sagte ungeduldig: »Nun glotz doch den Captain nicht so an, Ell. Komm weiter, ich verhungere.« Ich ließ mich von ihm in den hinteren Teil des Raumes schieben. In einer Nische saß mein Vater und redete leise auf Galen ein. Tom fragte, ob wir uns dazusetzen dürften. Beide blickten auf und nickten freundlich. Ich wollte Galen für seine Hilfe danken, aber die Worte blieben mir im Halse stecken. Wer mich da aus farblosen Augen ansah, war nicht der Partner meines Vaters. Es war ein Wesen von Galens Art: haarlos, bleich und hager, mit den gleichen maskenhaft starren Gesichtszügen – aber eindeutig nicht der Botschafter der Allianz, sondern eine ihm auf unheimliche Weise ähnelnde Frau. Ich stotterte einen Gruß und setzte mich hölzern an den Tisch. Tom und Nikal lächelten sich verschwörerisch an. Tom sagte leichthin: »Ich hole uns unser Frühstück, Ell. Morgen bist du dann dran.«

Befangen hockte ich zwischen der fremden Frau, die mich unverwandt ansah, und meinem still in sich hineinlachenden Vater. »Geht es dir wieder besser?« fragte die Fremde. Ich zuckte zusammen. Sogar die Stimme glich der Galens, sie klang genauso flötenähnlich und geschlechtslos wie seine. Ich nickte verlegen. Die schmalen, grausamen Lippen der Frau kräuselten sich unmerklich. »Gehe ich recht in der Annahme, daß sie dir nichts gesagt haben, Elloran?«

Ich wußte nicht, was ich antworten sollte. Tom schob zwei Tabletts mit Tellern und dampfenden Bechern auf den Tisch und setzte sich neben mich. Er entfaltete eine Serviette und breitete sie über seinen Schoß, wobei er mir kleine, amüsierte Seitenblicke zuwarf. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß die beiden Männer sich herzlich auf meine Kosten amüsierten.

Die Frau seufzte und legte ihre Finger auf mein Handgelenk.

– Ärgere dich nicht über sie, Elloran. Sie sind manchmal wirklich unerträglich.

»G-Galen!« entfuhr es mir laut und entgeistert. Seine innere Stimme war unverwechselbar. Tom kicherte entzückt. Ich warf ihm einen wütenden Blick zu.

»He, Prinzessin«, sagte Nikal besänftigend. »Sei nicht böse, hm? Wir wollten dich nicht aufziehen.« Galen ließ ein gutturales Geräusch hören, das einem Lachen recht nahe kam. Ich schielte zu ihr hoch, und sie zwinkerte mir wahrhaftig zu. Ich zwinkerte zurück und bewahrte ansonsten eine eiserne Miene.

»Galen«, flehte Tom. »Sag du doch was!«

»Ach, jetzt soll ich euch plötzlich aus der Patsche helfen? Das könnte dir so passen«, parierte Galen scharf. »Ich schlage vor, ihr entschuldigt euch bei Elloran, vielleicht lassen wir dann wieder mit uns reden.« Ich verbiß mir ein Grinsen. Nikal verzog das Gesicht, aber Tom sprang auf und machte eine seiner großartigen Verbeugungen, ehe er schwungvoll vor mir niederkniete und meine Hand ergriff.

»Edle und hochherzige Dame, verzeiht Eurem unwürdigen Diener sein abscheuliches Benehmen. Ich verspreche bei meinem Herzen, das ohnehin Euch allein gehört, daß solcherlei schändliches Tun nie wieder Euer Auge, Ohr und Gemüt belästigen soll!« Er drückte mir einen leidenschaftlichen Kuß auf die Hand und preßte dann seine Hand aufs Herz. Sein Gehabe war das eines Narren, aber in seinen Augen stand echtes, tiefes Gefühl. Ich war wider Willen gerührt und gebot ihm mit einer hoheitsvollen Handbewegung, sich zu erheben.

»Eure Entschuldigung klingt lieblich an Unser Ohr«, erwiderte ich huldvoll. »Wir vergeben Euch Euer unbotmäßiges Betragen, Sänger der Krone.« Dröhnende Stille hing über dem Tisch. Ich blinzelte verlegen und blickte die anderen an. Galen sah mit einem fast mitleidig zu nennenden Ausdruck in ihren kalten Augen auf meinen Vater. Tom hatte sich abgewandt und schien mit einem heftigen Gefühl zu kämpfen.

»W-was ist los?« fragte ich unsicher. »Habe ich was Falsches gesagt?«

Nikal löste sich aus seiner Erstarrung und lächelte mir schwach zu. »Nein, Kind, nein. Es ist nur ... du hast gesprochen wie die Herrscherin, die du bald sein wirst. Das war ein wenig – hm – überraschend.«

Wir widmeten uns schweigend unserem Mahl. Dann schob Galen ihren Becher von sich und verschränkte ihre Finger mit denen meines Vaters. Er nickte kurz und räusperte sich. »Prinzessin, was willst du wissen?«

Ich holte tief Luft. »Es gibt vieles, was ich nicht verstehe«, begann ich zögernd. »Aber zuerst solltet ihr mir verraten, was mit Galen geschah.« Ich wandte mich der asketischen Frau an meiner Seite zu und sah sie bittend an. »Du warst ein Mann, und jetzt scheinst du eine Frau zu sein. Was bist du nun wirklich?«

»Ich bin beides«, entgegnete das Wesen gelassen. »Mein Volk ist anders geartet als das deine. Wir wachsen als hanhju auf; das, was du ›T'svera‹ nennen würdest. Wenn die Zeit unserer Reife gekommen ist, nehmen wir zuerst entweder weibliche oder männliche Form an. Ich selbst begann mein Erwachsenenleben als Frau. Wir leben eine Zeitspanne in unserem ersten Geschlecht, bis zu unserem ersten Wechsel, der bei jedem Individuum zu einem anderen Zeitpunkt kommen kann. Ab da wechseln wir etwa alle zehn bis fünfzehn Standardjahre unser Geschlecht, bis der Zeitpunkt unseres Neh'jan – des Ruhens – kommt. Dann werden wir wieder hanhju, wie unser Leben begonnen hat.« Nikal drückte liebevoll ihre Hand, und sie erwiderte dies.

»Oh«, sagte ich ehrfürchtig. »Ich glaube, ich habe noch eine Menge zu lernen, bis ich eure Welt begreife.« Wieder tauschten meine drei Tischnachbarn undeutbare Blicke. Ich überging sie und beobachtete Quinn, die mit einem knappen Gruß den Raum verließ. »Warum hat sie plötzlich zwei Arme?« entfuhr mir.

»Prothese«, entgegnete Nikal knapp. »Ein künstliches Glied«, erläuterte er, als er meinen fragenden Blick sah. »Sie ist eine der wenigen Menschen, deren Körper eine Bioprothese abstößt. Deshalb muß sie sich mit einem Arm aus Kunststoff und Metall behelfen, den sie bei Einsätzen auf nichttechnischen Welten sicherheitshalber abnimmt. Er fällt zwar nicht auf den ersten Blick als künstliches Glied auf, aber wenn einmal etwas Unvorhergesehenes passiert ...«

»Wie auf Kuastan III, wo sie damit in den Konverter geraten ist?« unterbrach ihn Tom mit einem mutwilligen Grinsen. Nikal hüstelte, und Galen hob ihre Mundwinkel um einen winzigen Hauch.

»Ja, einen Vorfall dieser Art meinte ich«, knurrte Nikal. »Sollten Sie sich jetzt nicht langsam an Ihre Arbeit begeben, Commander?« Tom lachte und leerte seinen Becher.

»Ich bin auf der Brücke. Wir sehen uns später, chu-chula.« Ich sah ihm nach, wie er den Raum verließ und seufzte unwillkürlich. Galen und Nikal tauschten einen schnellen Blick und schoben ihre Stühle zurück. Nikal umarmte seine Partnerin und küßte sie auf die Wange, dann nahm er meinen Arm.

»Ich führe Elloran ein wenig durch das Schiff. Maggie, wann möchtest du uns sehen?«

»Wie wäre es mit Fünfzehn-zehn?« fragte die freundliche Stimme.

»In Ordnung. Wir besuchen jetzt zuerst Ran, die Kleine quengelt nämlich schon den ganzen Morgen.« Die körperlose Stimme lachte.

Wieder betraten wir eines dieser kleinen Lift-Zimmer, dieses Mal eines an der anderen Seite der Messe. Nikal erklärte mir, daß das kein Zimmer in dem Sinne sei, sondern ein Fortbewegungsmittel, das uns von einem Teil des Schiffes in den anderen brachte, ohne daß wir einen Schritt tun mußten. Ich war tief beeindruckt.

Die Tür glitt auf und entließ uns in den größten Raum, den ich auf diesem eigentümlichen Schiff bisher zu Gesicht bekommen hatte. Ein leises Dröhnen lag in der Luft, und rundherum sah ich Dinge, die ich nicht einordnen konnte. »Das ist das Maschinendeck«, sagte Nikal, was mir auch nicht weiterhalf. »Hier befindet sich der Antrieb unseres Schiffes.« Was meinte er jetzt damit? Antrieb?

Wir wanderten um Behälter, an denen vielfarbige Lichter leuchteten herum und hielten auf die entfernteste Ecke des Raumes zu. An dieser Wand, wie an allen anderen, waren ähnliche Tafeln eingelassen, wie ich sie in dem kleinen Schiff gesehen hatte, das uns hierher brachte. Auch auf ihnen leuchteten Schriftzeichen auf und verglommen wieder, und über allem lag das leise, beruhigende Dröhnen, an das meine Ohren sich inzwischen so gewöhnt hatten, daß ich es nur noch vernahm, wenn ich mich darauf konzentrierte.

Eine riesige, in ein merkwürdiges, einteiliges Gewand gekleidete Gestalt stand vor einer dieser Tafeln und hantierte daran herum. Ich sah die bloßen Füße unter den Hosenbeinen hervorblitzen und lachte laut auf.

Ranan drehte sich um und strahlte auf wie die Lichter an der Wand hinter ihr. »Elloran!« rief sie laut und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Die Ärmel ihres Anzuges waren aufgerollt, und ihre schreckerregenden Tentakel züngelten bedrohlich auf mich zu. Unwillkürlich wich ich einige Schritte zurück. Ranan hielt plötzlich inne und sah fragend von mir zu Nikal. Ihre Arme sanken herab, und die Tentakel zogen sich hastig zurück. Ich trat mich im Stillen für meine Reaktion in den Hintern und eilte auf die betrübt wirkende junge Frau zu, um sie herzlich zu umarmen. Sie lächelte erleichtert und schlang vorsichtig ihre vielgliedrigen Arme um mich. Ein Tentakel streifte mein Gesicht. Ich bemerkte erstaunt und erleichtert, daß es sich genauso wie menschliche Haut anfühlte: weich, warm und samtig.

»Wie schön du aussiehst«, sagte Ranan und strich mir mit einem fingerdünnen Tentakel eine Haarsträhne aus der Stirn. »Als Frau gefällst du mir viel besser!«

»Vorsicht«, knurrte Nikal. »Sie ist in mehreren festen Händen, Ran!« Ich wurde blutrot und dankte Ranan stammelnd für ihr Kompliment. Hinter mir klickte etwas über den Boden. Neugierig wandte ich mich um.

»Chief, ich habe den Ladefehler in System zwei gefunden«, knarrte eine seltsam klingende Stimme. Ich konnte einen entsetzten Aufschrei nicht unterdrücken, als eine Gestalt wie aus einem Alptraum um einen der unzähligen Behälter bog, zwischen denen wir standen, und auf uns zusteuerte. Riesige, in allen Regenbogenfarben schimmernde Facettenaugen in einem ausdruckslosen Insektengesicht starrten mich an. Der Körper dieses Wesens war der eines menschengroßen, aufrechtgehenden Käfers, mit blauschillernden Flügeldecken und zwei Armpaaren, die jeweils in scherenähnlichen Händen endeten. Sein Gesicht war völlig starr, nur zwei lange Fühler vibrierten nervös, und die bedrohlich aussehenden Zangen, die sich dort befanden, wo in einem menschlichem Gesicht der Mund gewesen wäre, schabten leise übereinander.

»Guten Morgen, Nikolai Sergeevic«, klickte das Wesen höflich. Seine knarrende Stimme schien irgendwo in der Höhe seiner Knie zu erklingen. Es streckte einen seiner Arme aus und reichte Ranan eine kleine schwarze Tafel, die Miniaturausgabe der Schrifttafeln an den Wänden.

»Guten Morgen, Sskrxl«, antwortete Nikal. Das Wesen klickte mit seinen zangenförmigen Kiefern und entfernte sich wieder. Ich blickte ihm gebannt nach.

»Was w-war das?« fragte ich leise. Ranan hatte sich für einen Augenblick entschuldigt und war nun in den Anblick der Tafel vertieft, die sie mit einem der äußeren Tentakel hielt. Mit drei der inneren tippte sie auf den Anzeigen herum, die vor ihr auf der Wand leuchteten, und gleichzeitig schälte sie mit ihren menschlichen Fingern einige Erdnüsse, die eines ihrer freien Tentakel dann zielsicher in ihren Mund beförderte. Mir wurde bei diesem Anblick schwindelig. Nikal sah mich amüsiert an.

»›Das‹ war Fähnrich Sskrxl von Auriga II«, sagte er gedämpft. »Ein ganz reizender Insektoide mit einem etwas skurrilen Sinn für Humor. Du wirst ihn mögen, Prinzessin.« Ranan legte die Tafel beiseite und hielt mir mit einem langen Tentakel die Tüte mit den Erdnüssen hin.

»Nimm dir, Elloran«, bot sie an. Ich bedankte mich und betrachtete voller Interesse die Bewegungen ihrer erstaunlich biegsamen und geschickten Gliedmaßen. Kein Wunder, dachte ich, daß sie sich immer so über ihre Lederarmbänder beklagt hat. Das muß ja für sie gewesen sein, als wenn man mir die Hände auf den Rücken gefesselt hätte. Nikal und Ranan unterhielten sich leise über etwas, das ich nicht verstand, und Ranan gestikulierte dabei heftig mit all ihren Tentakeln. Einige von ihnen waren länger und dünner als die anderen und erschienen besonders beweglich, andere wiederum waren fast doppelt so dick und mußten über große Kraft verfügen, wenn ich bedachte, mit welcher Leichtigkeit sie damals unseren Angreifern die Hälse gebrochen hatte. Ich schauderte, und Nikal legte, ohne hinzusehen oder sein Gespräch zu unterbrechen, seinen Arm um mich. Ranan lächelte mich an.

»Bleibst du jetzt bei uns, Elloran?« fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. »Schade«, sagte sie enttäuscht. Sie wollte fortfahren, aber Nikal gab ihr ein fast unmerkliches Zeichen, das sie verstummen ließ.

»Zeig unserem Gast doch bitte den Maschinenraum«, sagte Nikal hastig und fuhr zu mir gewandt fort: »Ranan ist unsere Chefingenieurin, Prinzessin. Wahrscheinlich die beste der ganzen Flotte. Allerdings wird sie das nicht vor einer Disziplinarstrafe schützen, wenn der Commander entdeckt, daß sie wieder barfuß herumläuft«, setzte er stichelnd hinzu.

Ranan kreischte empört auf. »Ich habe, wie du sehr gut weißt, die offizielle Erlaubnis, mich hier unten ohne Schuhe bewegen zu dürfen!« Sie funkelte ihn erbost an und schlang mir ein dickes Tentakel um die Schulter, um mich mit sich zu ziehen. Ich zuckte ein wenig zusammen, überließ mich dann aber ihrer Führung.

Zwei verwirrende Stunden später setzte Nikal seine Rundreise mit mir fort. Mir schwirrte der Kopf von dem, was Ranan mir gezeigt und zu erklären versucht hatte. Zu behaupten, ich hätte viel davon begriffen, wäre stark übertrieben gewesen. Aber zumindest wußte ich jetzt, daß die schwarzen Schrifttafeln an den Wänden Bildschirme waren, auf denen alle Arten von Informationen abgerufen werden konnten, die Omelli für seine Leute bereithielt. Das alles machte stark den Eindruck von fortgeschrittener Magie, aber die Fremden nannten es ›Technik‹. Na gut, es war ja auch gleichgültig, wie man seine Zauberei benannte, solange sie nur wirkte. Und das schien die Magie der Fremden in ganz außergewöhnlichem Maße zu tun.

Zum Mittagessen trafen wir in der Messe wieder mit Tom zusammen. Ranan gesellte sich zu uns, begleitet von dem Riesenkäfer mit dem skurrilen Sinn für Humor. Davon bemerkte ich während des Essens allerdings wenig; er sog nur hingebungsvoll an einem Röhrchen, das in einem geschlossenen Nahrungsbehälter steckte, und schwieg beharrlich.

»Heute gibt es sicher wieder dein Lieblingsessen, Sskrxl, gib es zu. Du bist dann immer so still«, zog Tom ihn auf. »Der Koch scheint wirklich einen Narren an dir gefressen zu haben. Wenn ich überlege, wann er mir das letzte Mal Niskianfisch vorgesetzt hat ...« Er seufzte sehnsüchtig.

»Ich habe dem Koch gedroht, ihn in ein Antriebsaggregat zu verwandeln, wenn er mir keine hskrl zubereitet«, klickte der Käfer, ohne in seinen Saugbewegungen innezuhalten. »Vielleicht solltest du es auch einmal mit Erpressung versuchen, S'Tom.«

Die Tischrunde lachte, und Tom runzelte verdrießlich die Stirn. »Mein lieber Sskrxl, ich bin Biologe und kein Schraubendreher wie du. Ich könnte allenfalls damit drohen, seine Gewürze durch Katzenminze zu ersetzen, aber ich glaube nicht, daß ihn das sehr erschrecken würde.«

»Ich könnte dir zeigen, wo seine Sicherungen sind«, bot der Fähnrich an.

Tom wehrte entsetzt ab. »Führen Sie mich nicht in Versuchung, Fähnrich«, sagte er förmlich. »Der Captain streicht mir für alle Zeiten den Nachtisch, wenn ich mich an den Schiffssystemen vergreife!«

»Wie Sie wollen, Commander. Es war ja nur ein Angebot«, entgegnete der Käfer ungerührt und leerte mit einem schlürfenden Geräusch seinen Eßbehälter. Ich hörte mit aufgesperrten Ohren zu. Neben den vielen scherzhaften Anspielungen, die ich nicht verstand, machten mir noch die seltsamen Wechsel in der Anrede zu schaffen. Der Umgangston war alles in allem nicht anders als salopp zu nennen, selbst wenn die Besatzungsmitglieder sich mit ihren militärischen Rängen anredeten. Das hier war wirklich eine seltsam geführte Truppe – falls diese Bezeichnung überhaupt zutraf. Dennoch begann ich mich unter ihnen langsam wohlzufühlen.

Nikal verordnete mir nach einem Blick auf mein erschöpftes Gesicht einen Mittagsschlaf. Ich nahm den Vorschlag dankbar auf. Es war so ungeheuer viel Neues auf mich eingestürmt, was ich verarbeiten mußte. Er brachte mich zu meiner Kabine und half mir beim Öffnen meiner nur scheinbar verschlußlosen Jacke. Langsam begriff ich das Prinzip; beim nächsten Mal würde ich wohl alleine aus meinen Kleidern finden.

»Ich wecke dich rechtzeitig für unseren Termin mit Omelli«, sagte er und dämpfte das Licht zu einem sanften Glimmen, ehe er die Tür hinter sich schloß. Ich lag noch eine Weile mit weit offenen Augen da. Bei dem Gedanken, daß Tom bald mit seinen Freunden abreisen und ich ihn nie wiedersehen sollte, kamen mir beinahe die Tränen; aber dann dachte ich mit heftigen Gewissensbissen an Jenka. Ihr Geister, wie sollte das nur weitergehen?

Ich hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein, als mich der Türsummer weckte. Verschlafen rief ich »Herein« und sprang aus dem Bett. Nikal lehnte an der Tür und sah mir bei meiner hastigen Toilette zu. Meine Hände bebten vor Aufregung, nun endlich dem sprichwörtlichen Omelli Auge in Auge gegenüberzustehen. In Gedanken versunken folgte ich meinem Vater auf die Brücke des Schiffes. Ich hatte mir großartige Vorstellungen von diesem Ort gemacht und war dann herzlich enttäuscht von dem nüchternen, kahlen Raum, in den er mich führte. Es gab jede Menge dieser ›Bildschirme‹ ohne Bilder und massenhaft leuchtende Anzeigen und Lampen und ähnliche, wenn auch etwas komfortabler wirkende Liegen wie in dem kleinen Boot, mit dem Nikal mich abgeholt hatte, sowie einige seltsam geformte, doch recht bequem aussehende Sessel. Aber das war auch schon alles.

Quinn saß vor einem der Bildschirme und starrte stirnrunzelnd darauf. Galen stand neben ihr, die langfingrige Hand auf die Lehne des Sessels gestützt und deutete auf eines der Symbole, die auf dem Schirm auftauchten und verschwanden. Beide blickten auf, als wir eintraten, und nickten kurz.

»Wir sind komplett«, sagte Quinn. »Setzt euch. Elloran, Kolja.« Ich grüßte zurück und ließ mich auf den zugewiesenen Platz sinken. Gespannt blickte ich zur Tür, um Omellis Eintreffen nicht zu versäumen.

»Nochmals: Willkommen an Bord, Elloran«, sagte die körperlose Frauenstimme. »Ich freue mich, dich endlich persönlich kennenzulernen. Ich bin O'Malley, du hast schon von mir gehört, denke ich.« Ich keuchte und blickte mich hektisch um.

»Wo b-bist du, Omelli?« fragte ich verwirrt. Mit einer Frau hatte ich seltsamerweise nicht gerechnet. Irgendwie hatte ich mir den Söldnerführer Omelli immer als knorrigen alten Soldaten vorgestellt.

»O'Malley«, verbesserte die Frau sanft. »Margaret O'Malley, Elloran. Ich bin hier, du siehst mich gerade an.« Vor Anstrengung schielte ich fast. Ich sah sie nicht! Die Stimme lachte amüsiert.

»Liebes, ich bin rund um dich herum. Ich bin das Schiff, verstehst du?«

Einige Stunden später, als ich wieder in meiner Kabine war, dämpfte ich das Licht und legte mich angezogen auf das Bett. Ich musterte meine Umgebung, prägte mir alle Einzelheiten ein, als müßte ich später einmal aus dem Gedächtnis ein genaues Abbild davon schaffen können. Die hellen, kahlen Wände und das sparsame Mobiliar hätten der Kabine die Atmosphäre einer Zelle verliehen, wäre da nicht das wunderbar bequeme Bett gewesen, auf dem ich lag, und der weiche Teppich unter meinen Füßen und eine unerklärliche Aura von Luxus, wie keine Bewohnerin meiner Welt ihn jemals kennenlernen würde. Ich ließ meine Gedanken wandern.

O'Malley, das Schiff mit der Persönlichkeit einer Frau, hatte sich lange mit mir unterhalten und geduldig meine unzähligen Fragen beantwortet. Das Ausmaß meines Unwissens erschreckte mich zunächst, aber sogar die schroffe Quinn hatte mir zugestanden, daß ich von rascher Auffassungsgabe sei und mir versichert, daß der kulturelle Unterschied zwischen meiner Welt und dem Universum, in dem sie alle lebten, nicht so gewichtig sei, wie er meinem betäubten Hirn im Augenblick erscheinen mochte.

Mein Vater war während des ganzen Gespräches sehr schweigsam gewesen und hatte sich weitgehend im Hintergrund gehalten. Aber ich spürte, daß ihn etwas belastete. Endlich, als ich meine Erschöpfung langsam bemerkte, ließ Nikal die Katze aus dem Sack. Er hatte zusammengesunken und mit finster brütender Miene etwas abseits von mir auf einer der Liegen gekauert, räusperte sich nun und richtete seine hellen Augen auf mich. Ich erwiderte seinen drängenden Blick und fühlte etwas namenlos Dräuendes über meinem Haupt schweben. Quinn hatte mit einer gemurmelten Entschuldigung die Brücke verlassen, was mich noch mehr verunsichert hatte. Ich starrte in Nikals hageres Gesicht und wünschte mich weit fort.

»Elloran, ich bin autorisiert worden, dir etwas anzubieten.« Seine Stimme klang rauh und knarrte ein wenig. »Als meine Tochter bist du eine rechtmäßige Bürgerin der Allianz«, fuhr er fort. Ich hielt den Atem an und ahnte, was auf mich zukam. »Du kannst, wenn du willst, mit uns kommen. O'Malley hat sich bereit erklärt, dich auf unbegrenzte Zeit als Passagierin aufzunehmen. Hier auf dem Schiff kannst du mit unserer Hilfe dein Wissen erweitern und, wenn du willst, später an der Akademie der Allianz studieren.« Ich klappte den Mund auf und wieder zu. Was für eine Aussicht! Mir schwindelte davor.

»Antworte jetzt nicht«, hatte O'Malley mit ruhiger Stimme das Wort ergriffen. »Nimm dir genügend Zeit, darüber nachzudenken, Elloran. Sprich mit deinen Freunden darüber. Ich bleibe noch so lange hier im Orbit, daß du es dir in Ruhe überlegen kannst.« Ich hatte einen Dank gemurmelt, und sie hatte freundlich hinzugesetzt: »Aber eines solltest du im Kopf behalten: es ist eine unwiderrufliche Entscheidung. Es ist unwahrscheinlich, daß ich während deiner Lebenszeit zu deinem Planeten zurückkehren werde, Elloran. Also: denke gut und gründlich nach, ehe du deine Wahl triffst.«

Ich erhob mich vom Bett und wanderte zwischen den Wänden der Kabine auf und ab. Meine Finger spielten unruhig mit den Säumen meiner Jacke; öffneten sie, schlossen sie wieder. Bilder tauchten vor meinem inneren Auge auf: Tom, der mich aus strahlenden Augen ansah; Veelora und Karas, die sich bei den Händen hielten und wie die Kinder über irgend etwas lachten; Leonie, die mit erloschenen Augen in die Sonne blickte; Nikal, der sich mit mir über meinen ersten gelungenen Treffer beim Bogenschießen freute; Karas, krank und müde; Jenka, die ihren Kopf an meine Schulter lehnte. Jemaina, pfeiferauchend in ihrer kleinen Kate; Tom, der Ranan eine spöttische Bemerkung zurief; Jenka, deren Augen übermütig blitzten, als sie mich wieder einmal bei einer Übung zu Boden warf. Tom. Jenka.

Ich warf mich aufs Bett und schmeckte Blut. Ich hatte mir die Lippe blutig gebissen. Gedankenverloren tupfte ich es weg, während andere, verlockende Bilder durch meinen Geist zogen: Sterne über Sterne, die von fremden Welten begleitet wurden. Lebewesen, wie ich sie mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen konnte – und die ich dennoch kennenlernen würde. Wissen, unvorstellbares Wissen. Und das sichere Gefühl, bei dieser Reise von Freunden begleitet zu sein, die mich so sehr schätzten, daß sie bereit waren, mir diese Chance zu geben.

Wieder stand ich auf und wanderte umher. Die kleine Kabine beengte meinen unruhigen Bewegungsdrang zu sehr; ich verließ sie und suchte die Messe auf. Sie war menschenleer und nur schwach erleuchtet. Ich stellte mich vor das wandhohe Fenster und blickte hinaus in die sternenübersäte Unendlichkeit. Nach dem Gespräch mit O'Malley hatte ich am frühen Abend noch lange mit Nikal hier gestanden und ihm meine Zweifel anvertraut.

»Ich k-kann meine Großeltern nicht dermaßen enttäuschen, Nik. Ich bin Karas' Erbin, meine Bestimmung ist es, Herrscherin der Kronstaaten zu sein – und so sehr ich auch mit euch kommen möchte, ich kann und darf es nicht!« Nikal hatte mich lange schweigend angesehen, während ich hinaus auf die Sterne starrte, die plötzlich zum Greifen nah schienen und doch unerreichbar für mich waren.

»Du hast das Recht auf eine Entscheidung«, hatte er schließlich schwerfällig gesagt. »Du bist nie gefragt worden, ob du die Krone sein willst. Und Karas ...«

»Karas ist krank und müde«, war ich ihm fast wütend ins Wort gefallen. »Es ist m-meine Pflicht, Nik. Ich kann mich nicht einfach so davor drücken. Karas trägt diese Bürde seit zu vielen Jahren, er hat verdient, daß ich ihn ablöse, damit er wenigstens noch ein paar kurze Jahre der Ruhe genießen kann.«

Nikal hatte nur geseufzt und seinen Arm um meine Schultern gelegt. Ich hatte mich traurig an ihn gelehnt. Ihr Geister, ich wünschte mir wahrhaftig die Krone vom Hals, ehe ich sie überhaupt auf der Stirn gefühlt hatte! Natürlich hatte mein Vater recht: Ich war nicht gefragt worden, ob ich die Erbin der Krone sein wollte. Aber ich hatte die Verpflichtung anerkannt und war willens, mein Bestes für mein Volk zu geben.

»Maddoc kann ihm helfen«, hatte Nikal dann unvermittelt geäußert. Ich sah verwirrt in sein halb abgewandtes Gesicht. Sein Profil stand scharfumrissen und von harten Linien gezeichnet vor dem milden Licht der Sterne. Wie schon einmal in meinem Zimmer sah er alt, uralt aus.

»Was hast du gesagt?«

»Maddoc kann deinem Großvater helfen«, hatte er geduldig wiederholt. »Er wird ihn nicht völlig heilen können, aber er meint, daß er ihm ohne große Umstände noch zu mindestens zwei Jahrzehnten weitgehend schmerzfreien Lebens verhelfen kann. Er ist im Augenblick mit großem Gepäck unten in der Burg und kümmert sich um Karas.«

Das war eine wunderbare Nachricht. Karas' schlechter Zustand hatte mich stärker bedrückt, als ich mir hatte eingestehen wollen. Ich spürte Nikals aufmerksamen Blick auf mich gerichtet.

»Weißt du, was das bedeutet?« hatte er sanft gefragt. »Du könntest mit uns kommen; sagen wir, für zehn oder fünfzehn Jahre. Du könntest lernen, was du lernen möchtest; du könntest viele Welten der Allianz besuchen und studieren, wie sie gelenkt und regiert werden, und du würdest hierher zurückkehren als eine Herrscherin, die ihre Welt zu einer vollwertigen Partnerin der Alliierten Planeten machen kann. Das wäre für dich und dein Volk von unschätzbarem Wert!« Er hatte unwillkürlich seine Stimme erhoben. Ich mußte über die Begeisterung schmunzeln, mit der er mir eine Speise schmackhaft zu machen versuchte, nach der mir ohnehin schon das Wasser im Munde zusammenlief.

Ich hatte ihn sofort umarmt und gesagt: »Laß es gut sein, Nik. Ich danke dir. Ihr habt mir eine Menge Stoff zum N-Nachdenken gegeben, und genau das werde ich jetzt tun.«

Jetzt stand ich wieder hier vor diesem atemberaubenden Panorama und war noch keinen Schritt weiter in meinen Überlegungen. Der Zwiespalt zwischen meiner Pflicht und meinen Neigungen drohte mich schier in Stücke zu reißen. Ich hörte, wie die Lifttür aufglitt und weiche Schritte sich mir näherten. Zarter Zimt- und Vanilleduft spielte um meine Nase.

»Hallo Tom«, sagte ich müde. Er antwortete nicht, legte nur von hinten seine langen, kräftigen Arme um mich und küßte mich auf den Nacken. So standen wir lange und blickten hinaus.

»Komm schlafen, chu-chula«, sagte er endlich leise. »Du quälst dich zu sehr. Morgen sieht vielleicht alles schon freundlicher aus.«

»Ach, Tom«, entfuhr mir ein abgrundtiefer Seufzer. »Warum muß nur immer alles s-so schwierig sein?« Ich hörte sein schnurrendes Lachen und mußte einstimmen. Göttin, so tragisch, wie ich mich gerade angehört hatte, war die Angelegenheit doch wahrhaftig nicht. Ich mußte eine Entscheidung treffen, die mir schwerfiel und wußte, daß ich in jedem Fall Menschen verletzen und vielleicht sogar verlieren würde. Aber dennoch – es war keine Sache auf Leben und Tod, das sollte ich nicht vergessen. Das Leben ging in jedem Fall weiter. Ich umarmte Tom liebevoll und trat mit ihm zum Lift. Er hatte recht, mein Grübeln brachte mich nicht weiter, und morgen würde sicherlich alles schon weniger finster aussehen.

Am Morgen war ich übernächtigt und nicht sonderlich gut gelaunt. Ich hatte die kurze Nacht in Toms Armen gelegen, seinem sanften, ruhigen Atem gelauscht und die Gedanken treiben lassen. Er bemerkte meine gereizte Stimmung und ließ mich in Ruhe, was ich ihm hoch anrechnete. Ich wußte, wie sehr er sich wünschte, daß ich mich dafür entschied, auf dem Schiff und bei ihm zu bleiben, aber er bedrängte mich nicht im mindesten deswegen.

Das Frühstück in der Messe glich dem des Morgens zuvor, mit dem Unterschied, daß die Stimmung heute eher gespannt als übermütig war. Nikal wirkte ähnlich unausgeschlafen wie ich. Galen warf ihm von Zeit zu Zeit einen ihrer undeutbaren Blicke zu, was Nikal jedoch hartnäckig übersah. Die Konversation war gezwungen und von langen unbehaglichen Pausen unterbrochen. Ich fragte mich, ob die anderen sich ebenso unwohl fühlten wie ich.

Endlich nahm ich den letzten Schluck aus meiner Tasse, schob sie von mir fort und verkündete entschlossen: »Ich möchte, falls das möglich ist, heute zurück zur Kronenburg gebracht werden.«

Tom zuckte zusammen, und auf Nikals Gesicht erschien ein grimmiges Lächeln, das zu sagen schien: »Ich habe es euch ja gesagt!« Er ballte seine Faust auf dem Tisch, daß die Knöchel weiß hervortraten. Galen sah mich aufmerksam an und blinzelte ein wenig verwirrt.

»Du gehst also zurück?« fragte Tom heiser und enttäuscht.

Ich nahm seine Hand und verschränkte meine Finger mit seinen. »Ich muß m-mich doch von meiner Familie und meinen Freunden verabschieden«, sagte ich mit schwankender Stimme.

Tom stieß einen erstickten kleinen Laut aus und umarmte mich stürmisch. Nikal entspannte sich und atmete hörbar aus. Galen starrte mich immer noch seltsam berührt an. Ich erwiderte ihren Blick befangen und hob leicht die Schultern. Zu sagen, ich hätte eine Wahl getroffen, wäre falsch gewesen; vielmehr hatte irgend etwas in mir sich plötzlich entschieden, und meine Worte hatten mich nahezu genauso unvorbereitet getroffen wie meine Freunde hier am Tisch. Ich fühlte mich seltsam, gleichermaßen erleichtert und dennoch auf unklare Weise bedrückt.

In den nächsten Stunden nahmen die Ereignisse ihren Lauf, ohne daß ich noch irgendeinen Einfluß darauf hätte nehmen können. Nikal benachrichtigte O'Malley und den Captain von meinem Entschluß, beide beglückwünschten mich deswegen, und O'Malley eröffnete mir, daß sie um meinetwillen noch einige Tage länger in der Umlaufbahn bliebe, um mir genügend Zeit zu geben, meine Angelegenheiten dort zu regeln. Ich bedankte mich bei ihr und bat darum, möglichst bald zur Oberfläche zurückgebracht zu werden.

Am Nachmittag fand ich mich weisungsgemäß im Hangar ein und bestieg den kleinen Flitzer, mit dem Nikal mich hinunterbringen würde. Da ich inzwischen einiges mehr über die Natur der Umgebung wußte, durch die unsere Reise mich führen würde, verspürte ich ein unbehagliches Grummeln in den Eingeweiden, das einem Gefühl der Furcht erstaunlich nahe kam. Ich biß die Zähne zusammen und vertraute darauf, daß mein Vater mich schon unbeschadet auf meiner Welt absetzen würde. Nikal bemerkte meine Besorgnis und grinste mich beruhigend an, während er die Luke schloß.

»Mach nicht so ein ängstliches Gesicht, Prinzessin. Ich bin ein ausgezeichneter Pilot«, sagte er leichthin. »Stimmt's, Maggie?«

»Brillant«, erwiderte das Schiff trocken. »Immer vorausgesetzt, du bist nüchtern. Ich erinnere dich nur ungern an die Bruchlandung auf Coris V und die Beinahe-Kollision über Beta ...«

»Danke, Maggie«, unterbrach Nikal sie hastig. Sein Gesicht war rötlich angelaufen. Ich kicherte. O'Malley hatte erreicht, was sie wollte, ich fühlte mich plötzlich entspannt und gut gelaunt.

Der Sprung zurück zur Oberfläche erschien mir beinahe noch kürzer als unsere Hinreise. Wir landeten wieder auf dem Alten Turm, und ich blickte über die grünen Hügel von L'xhan, während Nikal den Flitzer tarnte. Das milde Licht des nahenden Herbstes lag über der nachmittäglichen Landschaft und ließ die Konturen dunstig und weich verschwimmen. Ich atmete tief ein und sog die wunderbar nach reifen Früchten und Laub duftende Luft in meine Lungen. Nach der völlig neutralen Atmosphäre des Schiffes roch es hier wie im Paradies, ich meinte, das Aroma des späten Kornsommers beinahe auf der Zunge zu schmecken. Eine tiefe, wortlose Liebe zu meiner Welt erfüllte fast schmerzhaft mein Innerstes. Nikal trat neben mich und folgte meinen wehmütigen Blicken.

»Tut es dir leid?« fragte er gedämpft. Ich seufzte.

»Es ist wohl mein Schicksal, innerlich zwiegespalten zu sein«, antwortete ich schließlich. »Wäre ich noch mein Bruder, würde ich l-leichten Herzens von hier fortgehen, weil ich wüßte, meine Schwester bliebe ja hier. Aber so ...« Ich zuckte mit den Achseln und versuchte ein schwaches Lächeln. Nikal drückte teilnahmsvoll meine Schulter. Wir stiegen den Turm hinunter, und ich wandte mich sofort zu Karas' Quartier. Ich wollte das Gespräch hinter mich bringen. Je länger ich es vor mir herschob, desto unangenehmer würde es ohne Zweifel werden.

»Soll ich dich begleiten?« fragte Nikal. »Du kannst mich ja jederzeit fortschicken.« Ich nickte. Wahrscheinlich würde ich für jede Unterstützung dankbar sein.

Zu meiner freudigen Überraschung empfing Karas mich zum ersten Mal seit langem nicht im Bett liegend, sondern er saß lesend in seinem geliebten Lehnsessel. Er sah besser aus als seit Wochen. Sein Gesicht hatte eine gesunde Farbe, und die schmerzlichen Linien waren nahezu vollständig verschwunden.

»Großvater«, rief ich erfreut und küßte ihn auf beide Wangen. »Du siehst zehn J-Jahre jünger aus!« Er zog mich in eine feste Umarmung und tätschelte meine Schultern.

»Es geht mir auch großartig«, erwiderte er munter. »Dein mürrischer junger Heilerfreund hat wahre Wunder vollbracht.« Er bemerkte Nikal, der in der Tür stehen geblieben war und winkte ihn herein. »Sei mir gegrüßt, Nikal. Ich danke dir, daß du mir meine Enkelin zurückgebracht hast.«

Ich zuckte zusammen. Über Karas' frohe Miene fiel ein ahnungsvoller Schatten. Ich erwiderte voller Trauer seinen angstvollen Blick, und sein Gesicht fiel zusammen. Er preßte schmerzhaft meine Finger und flüsterte: »Du gehst fort? Du verläßt uns?« Ich konnte nicht antworten. Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen.

Ich umarmte ihn und murmelte: »Ich werde nicht bei ihnen bleiben, Großvater. Es wird nur für einige wenige Jahre sein. Ich kann so vieles von ihnen lernen, was meinem Volk nützlich sein wird ...« Meine Stimme versagte.

»Wir bringen sie Euch zurück, domu«, warf Nikal förmlich ein. »Ihr habt mein Ehrenwort.«

Karas nickte schwach, ohne aufzublicken. Seine Hände lagen wie tote Gegenstände auf dem Buch in seinem Schoß. Sein rundes Gesicht wirkte enttäuscht und zutiefst verletzt. Endlich räusperte er sich und sah auf. Seine hellen, traurigen Augen fingen meinen Blick ein. »Ich könnte es dir verbieten«, sagte er matt. Ich biß die Zähne zusammen, unsicher, wie ich mich verhalten sollte. Nikal trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Ich warf ihm einen schnellen Blick zu. Er nickte erleichtert und ging hinaus.

»Ich werde es nicht tun«, fuhr Karas mühsam fort. »Wir haben dir Schmerz und großes Unrecht zugefügt, Elloran. Du hast ein Recht auf eine selbständige Entscheidung über dein Leben. Ich will dich nicht zwingen, diese Bürde von meinen Schultern zu nehmen.« Er lächelte schwach. »Deine Freunde haben dafür gesorgt, daß ich die Krone noch einige weitere Jahre tragen kann. Ich begreife jetzt, daß man mir dieses Geschenk nicht ohne Hintergedanken gewährte. Nun gut.« Er griff nach seinem Stock und stemmte sich auf die Füße. Ich stand vor ihm und schämte mich zutiefst meines eigennützigen Wunsches.

Die Krone blickte mich würdevoll und fremd an und richtete sich zum allerersten Mal zeremoniell mit all der Hoheit und Wucht ihres Amtes an mich: »Gehe nun weiter auf deinem Weg, Erbin der Krone. Wir wünschen dir, daß du deine Entscheidung nie wirst bereuen müssen. Geh mit Unserem Segen, Elloran. Und wenn die Göttin es will, kehre zu Uns zurück, um deine Pflicht zu tun!« Ich sank erschüttert auf mein Knie und neigte den Kopf. Seine Hand berührte kurz meinen Kopf, dann hörte ich, wie sein unregelmäßiger Schritt sich entfernte und die Tür zum Nebenraum sich schloß. Ich kniete auf dem weichen Teppich und weinte bittere Tränen.

Das Gespräch mit Veelora, vor dem ich mich fast noch mehr gefürchtet hatte, verlief erstaunlich undramatisch. Sie sah in mein Gesicht, als ich eintrat und wußte Bescheid. Sie zog mich in eine stumme Umarmung und wiegte mich sacht hin und her. Ich stammelte, daß ich wiederkommen würde. Sie nickte ernüchtert, und ich sah, daß sie mir nicht glaubte.

»Werde glücklich, meine Kleine«, flüsterte sie. »Ich wollte, ich könnte mit dir kommen.« Ich sah die Sehnsucht in ihren Augen, die mich so sehr an Julian erinnerten. Sie lächelte und schob mich fort. »Geh jetzt«, sagte sie. »Geh, ehe ich zu weinen anfange.« Die Tür schloß sich hinter mir, und ich lehnte mich zittrig dagegen. Bei allen Geistern, noch mehr von dieser Sorte konnte ich heute nicht ertragen! Alles in mir drängte danach, in mein Zimmer zu flüchten, die Bettdecke über den Kopf zu ziehen und es wie einen bösen Traum vorübergehen zu lassen. Ich richtete mich auf, hob entschlossen den Kopf und ging hinüber in den alten Teil der Burg: zu Leonie.

Jemaina war wie immer an ihrer Seite und sah erfreut auf, als ich hereinkam. Magramanir wandte mir ihren Kopf zu und krächzte. Ich sah, daß die beiden Frauen dabei waren, das spiel zu spielen. Ich erkannte die Figuren auf dem Brett, und ich begriff, was ihre Stellungen zu bedeuten hatten. Leonie lächelte und bot mir Platz an, und Jemaina brachte mir einen ihrer schmackhaften Kräutertees. Ich fühlte mich seltsam geborgen, während ich stumm dasaß und das heiße Getränk schlürfte. Jemaina beobachtete mich und schüttelte leicht den Kopf.

»Sieh nur, Leonie«, sagte sie mit sanftem Tadel. »Sie macht sich ein schlechtes Gewissen, weil sie uns verläßt.« Die alte Magierin lachte kurz auf. Ihre blicklosen Augen richteten sich beunruhigend auf eine Stelle neben meinem linken Ohr. Sie griff mit ihren überlangen Fingern nach meiner Hand und hielt sie in einem harten Griff.

»Bereue deine Entscheidung niemals!« sagte sie befehlend. »Du hast sie getroffen und damit ist es gut.« Ihr schmales, schönes Gesicht war dicht an meinem. Ich sah unsicher zu Jemaina hinüber, die an ihrer Pfeife sog und mich freundlich ansah.

»Elloran.« Ich fuhr zusammen und blickte in die blinden Augen vor mir. Tief unten schien ein kleiner Funke zu glühen. »Du solltest eines wissen: Es ist ratsam, daß du nicht zurückkehrst. Was hier in der Zukunft auf dich wartet, ist Leid und Trauer.« Ihre dunkle Stimme klang wie die einer Schlafenden. Ich starrte gebannt in die goldene Tiefe. »Bleibe bei den Fremden, Elloran. Ich sehe ein langes und glückliches Leben in der Fremde. Kehr niemals hierher zurück, hörst du? Niemals.« Der schmerzhafte Griff um meine Hand löste sich, und die alte Frau sackte zusammen. Sie strich mit unsicherer Hand über ihr Gesicht und murmelte fast kläglich: »Was – was habe ich ...?«

Jemaina eilte an ihre Seite und hob sie aus dem Sessel. »Du hast es wieder getan«, schalt sie mütterlich. »Du bist wirklich schrecklich, Leonie. Du weißt doch, daß dich das viel zu sehr anstrengt.« Unter unentwegtem zärtlichen Schimpfen brachte sie die alte Magierin zu Bett und deckte sie zu. Dann kehrte sie zu mir zurück, die ich wie versteinert neben dem Tisch mit dem Spielbrett saß und setzte sich schwerfällig neben mich. Ihr Gesicht war besorgt.

»Du hast sie gehört, Ell«, begann sie behutsam. »Du solltest sehr ernstnehmen, was sie sagte. Sie sieht in der Zukunft eine Gefahr für dich, falls du hier bleibst. Wenn du mit deinen Freunden gehst, solltest du für immer gehen. Deine Großeltern werden sich damit abfinden.« Ihre schwarzen Augen musterten mich streng.

Ich seufzte entmutigt. »Jemaina, ich w-weiß einfach nicht, was richtig und was falsch ist«, flehte ich. »Kannst du mir nicht helfen? Ich möchte euch nicht verlieren, aber ich will mit jeder Faser meines Körpers mit ihnen gehen. Was soll ich nur tun?«

Sie schüttelte erbarmungslos den Kopf. »Ich kann dir nicht raten, Kind. Du mußt diese Entscheidung alleine treffen. Aber meine – unsere guten Wünsche begleiten dich, wenn du gehst. Niemand wird dir diese Entscheidung verübeln, das mußt du mir glauben. Wir alle wollen, daß du glücklich wirst, Elloran.«

Natürlich hatte sie recht, es war allein meine Wahl, niemand konnte mir dabei helfen. Ich küßte sie und warf einen letzten Blick auf die reglos daliegende Leonie. Magramanir, die auf dem Bettpfosten saß, hob ihre Flügel und gab einen erstaunlich sanft klingenden Laut von sich. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und sagte leise: »Ich gehe jetzt und spreche m-mit Jenka.« Jemaina sah mich mitfühlend an und klopfte mir aufmunternd auf den Arm.

Es war spät geworden. Jenka mußte inzwischen turnusmäßig wieder der ersten Wache zugeteilt sein, also würde ich sie vielleicht in unserem Quartier finden. Auf müden Beinen begab ich mich dorthin und stand eine Weile mit angstvoll schlagendem Herzen vor der Tür. Vorher hatte ich noch einen kleinen Umweg zu den Gästequartieren gemacht und Nikal benachrichtigt, daß ich am anderen Morgen schon mit ihm abreisen wollte. Er hatte mich mit komischer Besorgnis angesehen, und ich hatte wider Willen lachen müssen.

»Brauchst du nicht Zeit, um deine Sachen zu packen? Denk daran, du wirst lange von hier fort sein.«

»Länger, als du denkst«, hatte ich erwidert, Leonies Worte im Ohr. »Nein, Nik, danke. Ich bin daran gewöhnt, mit kleinem Gepäck zu reisen. Es gibt nicht viel, das ich mitnehmen möchte.«

Ich faßte mir ein Herz und öffnete die Tür zu meinem Zimmer. Es war dunkel, nur ein schwacher Schimmer von Mondlicht drang durch das geöffnete Fenster. Eine Weile stand ich schweigend an der Tür, dann vernahm ich ein leises Rascheln, das von der Fensternische herzurühren schien. Ich schritt leise durch den Raum und trat ans Fenster. Wie ich vermutet hatte, saß dort meine Liebste und blickte hinaus in die Nacht. Sie wandte sich nicht zu mir um.

»W-woher weißt du es?« fragte ich stockend nach einigen bangen Augenblicken. Sie rührte sich nicht. Ich hörte ihren leisen, schluchzenden Atem und wagte nicht, sie zu berühren.

»Ich wußte es, seit du zu ihnen gegangen bist«, antwortete sie schließlich mühsam. Es raschelte leise, und sie drehte sich zu mir um. Ich konnte ihr Gesicht nicht deutlich erkennen, aber ich sah das Weiße in ihren Augen verräterisch glänzen. Mit einem schmerzlichen Aufschluchzen nahm ich sie in die Arme. Ihr Kopf lag schwer an meiner Brust.

»Du liebst ihn sehr, nicht wahr?« flüsterte sie. Ich hörte die mühsam verborgene Eifersucht in ihrer Stimme und wußte nicht, was ich ihr sagen sollte. »Mehr als mich?« fragte sie schluchzend.

»Nein!« Ich schrie es fast.

»Warum gehst du dann mit ihm?« Auch ihre Stimme wurde lauter.

Ich schüttelte verzweifelt den Kopf. »Jen, Liebste, Tom ist nicht der Grund, warum ich mit ihnen gehe. Ich kann dort so vieles lernen; es drängt mich so sehr, all das Neue und Fremde zu sehen, w-was sie mir zeigen können ...« Meine Stimme versagte. Es klang so dürr und unbefriedigend, aber ich fand die Worte nicht, mit denen ich ihr hätte erklären können, was mich so unwiderstehlich dort hinauszog. Ich starrte über ihren Kopf hinweg in den Himmel. All die unbekannten Sonnen über uns lockten und riefen mit unhörbaren Stimmen nach mir. Leise und stockend begann ich, von ihnen zu sprechen, mehr zu mir selbst als zu Jenka. Sie lauschte, ohne mich zu unterbrechen.

Irgendwann verstummte ich, und wir saßen lange, lange dort und blickten hinauf in den Himmel. Jenkas Hand stahl sich in meine und drückte sie fest.

»Ich wünsche dir, daß du glücklich wirst«, hauchte sie mit belegter Stimme. »Ich werde dich nie vergessen. Ach, Ell, wenn ich doch mit dir kommen könnte!« Ich vernahm die Echos all der Abschiede dieses Tages in ihren Worten und glaubte, mein Herz würde darüber zerspringen.

Stumm und verweint sah sie mir am Morgen zu, wie ich meine wenigen Habseligkeiten in ein Bündel schnürte. »Darf ich mitkommen auf den Turm?« fragte sie schüchtern. Ich zögerte. Es wäre mir leichter gewesen, in das kleine Boot zu steigen, ohne zurückschauen zu müssen. Mich schmerzte der Gedanke, daß sie dort oben auf der Plattform zurückbleiben und alleine den langen, einsamen Weg hinunter antreten müßte ... Ich seufzte und nickte dann. Ihr unglückliches Gesicht erhellte sich ein wenig.

Wir holten Nikal ab und begannen den Aufstieg. Er sagte nicht viel, nur, daß er früh am Morgen schon Akim zurück zum Schiff gebracht hätte. Ich brummte lediglich, und er schwieg verständnisvoll. Jenka umklammerte während des ganzen Weges meine Hand. Lautlose Tränen liefen über ihr Gesicht.

Oben auf der Plattform kümmerte sich Nikal taktvoll um den kleinen Flitzer, während Jenka und ich uns umarmt hielten. »Leb wohl«, sagte ich endlich und ließ sie los. Ich stieg in das enge Behältnis und faltete mich auf der Liege zusammen. Nikal griff nach dem Feld, das die Luke schloß, und ich fing seine Hand ab.

»Einen Augenblick noch«, bat ich hastig. Er hielt verwundert inne und sah mich fragend an. Ich schloß die Augen und versuchte, meinen Atem zu beruhigen. Es war falsch. Ich war dabei, einen riesigen Fehler zu begehen. Ich ging fort, um für den Rest meines sicherlich langen Lebens in der Fremde unter Fremden zu leben. Freundliche Fremde, gewiß. Aber was würde meine Aufgabe sein, was konnte ich dort jemals mehr sein, als ein liebevoll und nachsichtig geduldeter Gast, der jeden Schritt seines Weges an der Hand geführt werden mußte? Konnte ich wirklich hoffen, mich eines Tages unter ihnen zu bewegen, als wäre ich wie sie dort geboren und aufgewachsen? Was würde unterdessen aus den Kronstaaten? Niemand war vorbereitet, das Erbe zu übernehmen. Der Friede zwischen S'aavara und meinem Volk war jung und gefährdet. Wenn die Krone keine Nachfolge fand, waren die führerlosen Staaten eine leichte, lockende Beute für jeden, der sie sich nehmen wollte ... Ich atmete tief ein und aus und öffnete die Augen. Nikals Gesicht zeigte Erkennen und dann Enttäuschung.

»Ich – es tut mir leid«, sagte ich leise. »Ich k-kann nicht mitkommen. Mein Leben ist hier. Bitte, sei mir nicht böse, Vater.« Er zuckte mit den Schultern und versuchte ein Lächeln, das ihm kläglich mißlang. »Bitte, grüße die anderen von mir«, fuhr ich hastig fort. »Sage Tom, d-daß ich – daß ich ...« Meine Stimme versagte.

Nikal umarmte mich heftig und flüsterte: »Ich sage es ihm, Kleines. Leb wohl – und sei deinem Volk eine gute Herrscherin, hörst du?« Ich nickte dankbar und drückte ihn fest an mich. Dann entknotete ich meine Glieder und stieg mit zitternden Beinen aus dem kleinen Gefährt. Jenka starrte mich aus riesigen Augen an, aber ich konnte mich noch nicht um sie kümmern. Mit brennenden Augen sah ich zu, wie sich die Luke hinter mir schloß. Die Konturen des Flitzers erzitterten, er verschwamm auf übelkeiterregende Weise vor meinem Blick. Ein hohes, fast unhörbares Sirren lag in der Luft, und plötzlich war der Flitzer verschwunden. Ich folgte der Verzerrung in der Luft, die sich blitzschnell von uns fortbewegte, bis ich sie nicht mehr sehen konnte. Mit tränenden Augen starrte ich in den dunstigen Morgenhimmel über der Burg und stellte mir das große Schiff hoch über uns vor, wie es seine bedächtige Bahn um meine Welt zog. O'Malley würde das kleine Boot an Bord holen. Dann würde sie die Umlaufbahn verlassen und meiner Welt für immer den Rücken kehren ... Ich schluckte trocken und drehte mich entschlossen um – und blickte in Jenkas verwirrte, von neuer Hoffnung erfüllte Augen.

»Komm, meine liebste Hand, folge mir«, sagte ich heiser. »Auf uns wartet eine Menge Arbeit!« Ohne mich noch einmal umzusehen, trat ich in den Turm und stieg den langen Weg von den Sternen wieder auf die Erde hinab.




Ende