6
Zu Beginn des Kornsommers lag ich eines Vormittags in der Nähe des Dorfweihers dösend im sonnenwarmen Gras. Ich hatte die Kühe der Burg auf ihre Weide getrieben und gönnte mir nun eine kleine Pause, bevor Hjelvor mich wieder mit Arbeit eindecken würde. Das zumindest hatte ich inzwischen gelernt: mir meinen Schlaf zu holen, wo sich eine Gelegenheit bot. Mit geschlossenen Augen lauschte ich dem schmetternden Lied einer Feldlerche, die hoch über mir in der Luft stand, als gedämpfter Hufschlag und das Rollen von Wagenrädern an mein Ohr drang.
Ich stützte mich träge auf die Ellbogen und schirmte meine Augen gegen die grelle Sonne ab, neugierig, wer da den Weg entlangkam. An der Kreuzung hatte ein buntbemalter Wagen haltgemacht, der von einem knochigen Schimmel gezogen wurde. Auf dem Bock saß ein kleiner, unauffällig gekleideter Mann, und ein Reiter auf einem häßlichen Fuchs begleitete den Karren. Die beiden Männer deuteten auf die sich kreuzenden Wege und schienen sich zu beraten, welchen von ihnen sie einschlagen sollten. Der Kutscher wies schließlich auf mich, und der Reiter wendete sein Pferd und kam auf mich zu. Dem buntscheckigen Karren nach zu urteilen, gehörten die beiden zum fahrenden Volk: Gaukler oder Spielleute oder Händler von allerlei exotischem Krimskrams. Diese Aussicht munterte mich auf; sie versprach eine unterhaltsame Abwechslung vom eintönigen Burgalltag. Fahrendes Volk verirrte sich nur selten nach Salvok und war daher immer höchst willkommen.
Der Fremde zügelte vor mir sein Pferd und sprang leichtfüßig aus dem Sattel. »Sei mir gegrüßt, domu«, rief er mir mit tiefer, klangvoller Stimme zu. »Siehst du dich in der Lage, zwei verirrten Fremdlingen den Weg zu Burg Salvok zu weisen?« Ich mußte über seine seltsame Ausdrucksweise lachen. Einen barfüßigen, nicht allzu sauberen Stallburschen mit ›domu‹ zu betiteln, war in jeder Hinsicht ungewöhnlich.
Der Fremde sah mein Lachen und erwiderte es vergnügt aus strahlenden türkisfarbenen Augen. Er war nicht groß, dafür aber muskulös und stämmig, mit langen Armen und breiten Schultern. Die weiten Ärmel seines weißen Hemdes trug er hochgekrempelt und mit gelben Bändern an eine leuchtendrote ärmellose Weste geknotet, und über seine kräftigen Beine spannte sich eine enggeschnürte Hose in der Farbe seiner Augen: eine auffällige und farbenfrohe Mode, die mir so fremdartig erschien wie der ganze Mann. Ich musterte ihn ungeniert, während ich ihm den Weg zur Burg beschrieb. Er war wohl der behaarteste Mensch, den ich je zu Gesicht bekommen hatte. Seine Arme und das, was ich von seiner breiten Brust in dem weit offenen Hemdausschnitt sehen konnte, waren von dichtem dunklen Pelz bedeckt; selbst auf seinen Händen und sogar an den Spitzen seiner großen Ohren sprossen kleine Haarbüschel. Wie um diese auffällige Behaarung noch zu unterstreichen, war sein Gesicht säuberlich glattrasiert und das Haupthaar über dem stark zurückweichenden Ansatz ganz kurz geschoren. Das alles in Verbindung mit den spitzen schneeweißen Zähnen, die ich in seinem Mund blitzen sah, weckte in mir die groteske Vorstellung, ein wunderbarerweise auf zwei Beinen gehendes Tier vor mir zu haben: Es hätte mich nicht weiter verwundert, ein Miauen statt der kultivierten menschlichen Stimme aus seinem Munde zu vernehmen.
»Sei so gut, junger Freund, und gewähre mir dein Geleit zu unserem Wagen«, unterbrach er mich mit einer ungeduldigen Geste. »Ich besitze keinerlei Gedächtnis für langweilige Wegbeschreibungen, aber mein prosaischer Gefährte dort hinten hat darin bisher immer hervorragendes Talent bewiesen. Bitte erweise dich als der wohlmeinende Schutzgeist meines geplagten Hirnes und schildere ihm unsere Route.«
Ich konnte kaum noch an mich halten. Der Kutscher rettete mich aus der peinlichen Lage, diesem überaus gesitteten und höflichen Fremden geradezu ins Gesicht zu lachen.
Er rief ungeduldig: »Was ist denn nun, Kater? Kennt der Junge den Weg oder nicht? Ich habe keine Lust, hier Wurzeln zu schlagen!« Der Kater – welch passender Beiname! – sah mich an und ließ amüsiert eine seiner Brauen emporzucken.
»Ich könnte euch zur Burg führen«, schlug ich vor, während ich neben ihm her auf den Wagen mit seinem gereizt dreinschauenden Fahrer zuging. Diese beiden Fremden genauer in Augenschein zu nehmen, erschien mir noch weitaus reizvoller als ein Schläfchen mitten am Tag. Der Kater ließ ein unverbindliches Geräusch hören. Anscheinend war nicht er derjenige, der die Entscheidungen für beide traf. Neugierig schaute ich den anderen Mann an. Aus der Entfernung hatte ich die beiden für Brüder gehalten, aber der Eindruck verflüchtigte sich, als ich mich dem Wagen näherte. Zwar gab es gewisse Ähnlichkeiten: der Kutscher war ebenfalls von kleiner Statur und dunkelhaarig; aber damit endeten die Gemeinsamkeiten auch schon. Wo der Kater stämmig, fast untersetzt war, wirkte dieser Mann zierlich und feingliedrig. Aus einem dreieckigen olivfarbenen Gesicht blickte ein Paar hellbrauner mandelförmiger Augen, die, zusammen mit einer schmalen, gebogenen Nase und dem feingeschwungenen Mund, nahezu weiblich anmuteten. Oberflächlich gesehen strahlte der junge Mann Sanftheit und eine kindliche Einfalt aus. Doch dieser Eindruck, merkte ich sofort, trog: der scharfe Blick, der mich aus den großen Augen traf, war alles andere als sanft oder unschuldig.
»Nun?« fragte er mürrisch.
»Alles in wunderbarer Ordnung, Maddoc. Dieser freundliche junge Herr wird uns zur Burg führen«, erwiderte mein Begleiter fröhlich. Der andere runzelte die Stirn.
»Na gut«, gab er widerwillig nach. »Er kann unterwegs einige Fragen beantworten, damit ich weiß, was uns dort erwartet.« Er rückte ein wenig zur Seite, damit ich den Bock erklimmen und mich neben ihm niederlassen konnte. Mit einem leisen Schnalzen und einem auffordernden Ruck der Zügel gab er dem dürren Schimmel den Befehl, sich in Bewegung zu setzen. Der Kater bestieg seinen Fuchs und ritt im Schritt neben uns her.
Da der Mann namens Maddoc keinerlei Anstalten unternahm, mir irgendwelche Auskünfte zu entlocken, beschloß ich, zunächst meine eigene Neugierde zu befriedigen. »Wer seid ihr? Gehört ihr zu den Fahrenden?« Maddoc schwieg, aber sein redseliger Begleiter wandte sich mir zu.
»Ganz recht, junger Herr. Vor dir siehst du den dir sehr ergebenen Sänger und Spielmann S'TomCroQ'nan«, er deutete eine kleine Verbeugung an, »und neben dir lenkt der ehrenwerte und nicht sehr gesprächige Heiler Akim unser edles Roß.« Der Kutscher warf ihm einen schrägen Blick zu und brummelte etwas nicht sehr Schmeichelhaftes. Ich staunte den Spielmann an.
»S' ... TomCro ...« versuchte ich mich vergeblich an dem zungenverknotenden Namen mit den vielen Knacklauten.
» ... CroQ'nan«, half er mir lachend aus. »Aber meine Freunde nennen mich – meist ...«, er blickte vielsagend auf seinen mürrischen Begleiter, »ganz schlicht nur Tom. Bitte, mein lieber junger Freund, ziere dich nicht und tue desgleichen.« Einen Augenblick lang war ich sprachlos. Ich sortierte die gedrechselte Rede des Spielmannes im Geiste auseinander und holte dann entschlossen Luft.
»Es soll mir eine Ehre und ein wahres Vergnügen sein, edler Sänger, dich fortan mit dem wohlklingenden Namen ›Tom‹ rufen zu dürfen. Gestatte mir, mich gleichermaßen vorzustellen: mein Name ist Elloran von Burg Salvok.«
Der unaussprechliche Tom warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. Dann reichte er mir mit sehr ernsthafter Miene seine haarige, ungewöhnlich warme Hand. Ich ergriff sie, und wir schüttelten feierlich unsere Hände, wobei Tom mich mit seinen strahlenden Augen intensiv anblickte. Sein Begleiter, der wortkarge Heiler, sah kurz zu uns hinüber und schnaubte verächtlich.
»Also gut«, sagte er barsch. »Da jetzt die Formalitäten zwischen euch erledigt sind, können wir vielleicht zu etwas Wesentlicherem kommen. Kannst du uns ein paar Auskünfte geben, Junge?« Ich nickte eingeschüchtert. »Du sagst, du bist von der Burg. Wir suchen jemanden, der dort leben soll, einen Söldner namens Nikolai.«
Mein Mund wurde plötzlich trocken, ich mußte einige Male schlucken, um sprechen zu können. »Du meinst Nikal? Sehr groß, blonde Haare, kräftig?« Die beiden wechselten einen schnellen Blick, ich konnte ihre Erregung fast körperlich spüren.
»Das könnte der Mann sein, den wir suchen. Wie lange lebt er schon auf Salvok?«
Ich rechnete schnell nach. »Ich glaube, seit etwas über achtzehn Jahren. Vielleicht ein oder zwei Jahre länger.« War Nikal mit meiner Mutter auf die Burg gekommen oder später? Wieder einmal stellte ich fest, wie wenig ich über den Mann wußte, den ich immer für meinen besten Freund gehalten hatte.
»Könnte hinkommen, Kater«, sagte der Heiler Akim nachdenklich. Der Spielmann stieß ein häßliches Lachen aus.
»Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein. Sollte unser haarloses Wunder wieder einmal recht behalten? Das wird ja wirklich mit der Zeit langweilig, Maddoc!«
Die beiden sahen sich an, und der Triumph in ihren Blicken machte mich stutzig. Warum suchten diese Leute nach Nikal? Waren sie der Grund dafür, daß Nik so hartnäckig über seine Vergangenheit geschwiegen hatte? Akim holte mich mit einer Frage aus meinen fruchtlosen Grübeleien.
»Hält er – Nikolai – sich zur Zeit auf Salvok auf? Werden wir ihn dort treffen?« Ich überlegte in Windeseile. Würde ich Nikal womöglich in Schwierigkeiten bringen, wenn ich den Fremden gegenüber zu vertrauensselig war? Vielleicht war es ratsam, wenn ich Vorsicht walten ließ und zunächst einmal herauszufinden versuchte, was die beiden vorhatten.
»Ich weiß es nicht«, wich ich also aus. »Aber sagt doch, wenn mir die Frage erlaubt ist, woher kennt ihr unseren Kommandanten, und warum sucht ihr nach ihm?«
Tom grinste mit blitzendem Raubtiergebiß. »Wir haben einen kleineren Hühnerstall mit ihm zu rupfen«, verkündete er in unheilvollem Ton. Ungefähr so etwas hatte ich befürchtet.
»Hör doch auf mit dem Blödsinn, Tom«, sagte der Heiler unwirsch. »Du machst dem Jungen ja angst!« Ich zuckte zusammen. Dieser Akim schien einen schärferen Blick zu besitzen, als ich vermutet hatte. Er drehte mir jetzt zum ersten Mal voll das Gesicht zu und fing meinen Blick ein. »Laß dich nicht von ihm ins Bockshorn jagen, Junge. Wir sind alte Freunde deines Kommandanten und haben ihn vor etlichen Jahren aus den Augen verloren, das ist alles. Wir würden uns sehr freuen, ihn wiederzutreffen, und ich bin sicher, ihm geht es genauso.«
Diese besänftigend gemeinte Erklärung hatte die gegenteilige Wirkung auf mich. Wie konnte dieser einschüchternde junge Mann neben mir, der aussah, als müßte er sich erst seit einer Handvoll von Jahren rasieren, behaupten, ein ›alter Freund‹ von Nikal zu sein? Da war ich schon eher geneigt, der Version des Spielmannes Glauben zu schenken. Gut, daß Nik sich in Julians Obhut befand – weit weg von Salvok. Wir rollten den Steinweg zum Burgtor hinauf. Der Hufschlag der Pferde hallte laut von den Mauern wider.
»Ich kümmere mich um euer Quartier«, bot ich eilig an und rutschte vom Kutschbock. »Eure Pferde versorge ich dann auch, ich – ich bin hier nämlich der Stalljunge.«
»Warte«, rief Tom hinter mir her. »Willst du uns nicht zuerst verraten, wo wir unseren geschätzter Freund, deinen hochverehrten Kommandanten, finden können? Wir brennen darauf, ihm so bald wie möglich Auge in Auge gegenüberzustehen!«
Ich winkte ihm fröhlich zu und gab Fersengeld. Sämtliche Kinder der Burg, einige Soldaten auf Freiwache und Frauen vom Gesinde hatten sich schon um den Karren versammelt: Neuigkeiten verbreiteten sich schnell auf der Burg. Die Fremden wurden mit Zurufen und Fragen bedrängt; ich sah den Spielmann mit den Achseln zucken und lachen, dann sprang er in den Wagen und kam mit einer Laute wieder zum Vorschein. Ich atmete erleichtert auf und tauchte in das dämmrige Innere des Gesindehauses.
Die fahrenden Fremden waren bald darauf in einer der Gästekammern untergebracht. Die gebannt lauschende Menge hatte den Spielmann widerwillig freigegeben, nachdem Tom ihnen versprochen hatte, am Abend in der Halle eine Vorstellung für die Burgsassen zu geben. Während mein Vater die Fremden empfing, versorgte ich die Pferde der beiden. Der Fuchs des Spielmannes war von ebenso häßlichem Charakter wie sein Äußeres vermuten ließ und versuchte mehrmals, mich zu beißen. Es gelang ihm nicht, da ich auf der Hut war, aber statt dessen trat er mir dann heftig auf den Fuß. Ich muß gestehen, daß ich, während ich schimpfend den großen Bluterguß kühlte, versucht war, aus dem Verhalten des Pferdes unschöne Rückschlüsse auf den Charakter seines Reiters zu ziehen.
Hjelvor schalt mich aus, weil ich meinen Dienst vernachlässigt hatte, aber er zwinkerte dabei und gab mir für den Rest des Tages frei. Das war ein unverhofftes Geschenk. Ich machte mich sofort auf den Weg zu Jemainas Kate, um ihr von unseren Besuchern und ihren bohrenden Fragen nach Nikal zu berichten. Aber die Kate stand leer, und auch Jemainas Bündel fehlte. Wahrscheinlich machte sie gerade ihre Runde durch das Dorf. Ich öffnete leise die Tür zum Krankenzimmer und schaute nach Reuven. Das hatte ich mir seit Nikals Flucht zur Angewohnheit gemacht. Unklare Schuldgefühle nagten seither an mir; vielleicht, weil ich mir die ganze Zeit nur Kopfzerbrechen um Nikal gemacht hatte, ohne auch nur einen Gedanken an sein unglückliches Opfer zu verschwenden.
Reuven lag reglos auf dem schmalen Bett. Mir schien, daß er seit dem letzten Mal noch weiter abgemagert war. Sein stilles, bleiches Gesicht war eingefallen, und die Haut spannte sich straff über seine Knochen. Ich flößte ihm etwas Wasser ein. Der letzte Schluck rann wieder aus seinen Mundwinkeln, ich wischte das Wasser fort und blieb noch eine Weile neben seinem Lager sitzen.
Draußen rannte ich dann prompt dem Spielmann in die langen Arme. Er bemerkte mich nicht sofort, denn er kniete neben einem von Jemainas Heilpflanzenbeeten und untersuchte neugierig eine der überaus seltenen rotblättrigen Chholan-Pflanzen, die Jemainas ganzer Stolz waren. Sein Gesicht war ernst, er wirkte gesammelt; nichts an ihm erinnerte mich in diesem Augenblick an den charmanten und leichtfüßigen Tagedieb, als der er mir bisher erschienen war.
Er sah auf, als er meine Schritte hörte, und lächelte mich an. Dieses Lächeln verfehlte sicherlich selten seine Wirkung; ich muß gestehen, daß es selbst auf mich, der ich diesem Mann gegenüber ein gerüttelt Maß an Mißtrauen aufbrachte, eine geradezu hypnotische Wirkung ausübte. Ich ertappte mich ärgerlich dabei, wie ich es fast ebenso breit erwiderte. Die Ausstrahlung dieses Menschen war wirklich bemerkenswert. Er war zwar alles andere als gutaussehend zu nennen – schon gar nicht, wenn man das beinahe unverschämt hübsche Äußere seines Begleiters daneben betrachtete – aber ich war sicher, daß die Frauen und Mädchen der Burg ihm bereits jetzt allesamt schmachtend zu Füßen lagen.
»Mein lieber junger Freund!« rief er nun überschwenglich aus und sprang geschmeidig auf die Füße. »Ich bin entzückt und erfreut, dich hier wiederzutreffen!« Er legte einen Arm um meine Schultern und zog mich mit sich. »Wir werden etwas Kühles trinken und gemütlich miteinander plaudern. Und vielleicht können wir auch das eine oder andere Kartenspielchen miteinander wagen. Sag, was hältst du von meinem Vorschlag?«
»Sei bloß vorsichtig, wenn du mit ihm spielst. Er bescheißt«, erklang hinter uns die kühle Stimme des schmächtigen Heilers. Tom stemmte die kräftigen Hände in die Seiten und schnappte empört nach Luft, aber er sollte nicht dazu kommen, die Bemerkung loszuwerden, die ihm auf der Zunge lag. Akim starrte an ihm vorbei – mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der eine Erscheinung hat. Neugierig geworden, drehten wir uns um und erblickten Jemaina, die mit gewohnt forschem Schritt, der ihre weiten Röcke heftig schwingen ließ, den Hof überquerte.
»Kleine Krähe«, rief Akim lauthals und sprang auf sie zu, daß der Staub nur so um seine Stiefel wirbelte. Jemaina erstarrte mitten in der Bewegung, fuhr herum, ließ achtlos ihr Bündel fallen und fiel dem Heiler in die Arme.
»Kim!« hörte ich sie lachend ausrufen.
»Wie kommst du denn hierher?« fragten sie sich fast gleichzeitig, und dann sagten sie eine Zeitlang gar nichts mehr, weil ihre Münder anderweitig beschäftigt waren. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, und ich erwachte erst dadurch aus meiner Erstarrung, daß Tom mich sacht am Ärmel zog.
»Komm, mein Lieber, laß die beiden ihr Wiedersehen feiern. Was, hattest du gemeint, hältst du von einem Spielchen?«
Ich erhielt die Gelegenheit, etliche Spiele zu verlieren, ehe Jemaina und Akim in der Halle zu uns stießen. Der Heiler warf einen abschätzigen Blick auf die Münzen, die vor Tom auf dem Tisch lagen – es handelte sich um den größten Teil meiner Ersparnisse – und knurrte nur: »Ich hatte dich gewarnt.« Jemaina sah strahlend und etwas erhitzt aus, so hatte ich sie noch nie erlebt.
»Verzeih mir, Tom, ich habe dich noch gar nicht begrüßt«, sagte sie und umarmte den Spielmann herzlich. Der küßte sie artig auf die Wange und bot ihr seinen Platz an. Jemaina setzte sich zwischen die beiden Männer und verschränkte ihre Hand mit der des Heilers.
»Erzählt«, befahl sie lächelnd. »Wo habt ihr die ganze Zeit gesteckt? Und wo sind die anderen?« Akim und Tom wechselten einen schnellen, unbehaglichen Blick. Jemaina schüttelte nachsichtig den Kopf. »Immer noch die alten Geheimniskrämer. Elloran ist ein guter Freund von mir und äußerst verschwiegen.« Sie blinzelte mir zu. »Ich glaube nicht, daß ihr etwas vor ihm verbergen müßt.«
Akim blieb mißtrauisch. Ich konnte es ihm nicht verdenken, mir ging es mit den beiden ja nicht viel anders, trotz Jemainas offensichtlichem Vertrauen zu ihnen.
»Sie suchen nach Nik«, fuhr es mir heraus. »Tom sagt, er habe eine Rechnung mit ihm zu begleichen.«
»Das ist nicht ganz korrekt, mein hitzköpfiger junger Freund«, widersprach der Spielmann sanft. »Die Rede war von zu rupfendem Geflügel, wenn ich mich recht entsinne. Und dabei bleibe ich auch«, fuhr er mit einem unschuldsvollen Blick auf den giftig dreinschauenden Akim fort. »Wenn ich allein bedenke, wie lange wir schon hinter dem Guten herjagen müssen!«
Jemaina versuchte, ihn auszuhorchen, aber er weigerte sich höflich und hartnäckig, weiter über dieses Thema zu sprechen. Sie sah die Vergeblichkeit ihrer Bemühungen bald ein und begann, mit Akim Erinnerungen auszutauschen. So erfuhr ich beiläufig einiges über die Heilerin, was mir bisher unbekannt gewesen war. Akim und sie hatten sich in Olyss kennengelernt, lange bevor Jemaina nach Raulikar gekommen war. Der so jugendlich erscheinende Heiler mußte also wahrhaftig sehr viel älter sein, als von seinem Erscheinungsbild her zu vermuten war. Akim hatte damals die olyssische Heilkunde bei Jemainas Lehrerin studiert, und er und Jemaina waren sich dabei sehr nahe gekommen. Dann war Tom mit einigen Gefährten aufgetaucht, und Akim war mit ihnen fortgegangen. Danach hatten Jemaina und Akim sich nur noch einmal wiedergesehen: erstaunlicherweise in der Kronenburg. Jemaina stand Nikal offensichtlich in nichts nach, was ihre Verschwiegenheit über die eigene Vergangenheit betraf. Ich hatte nicht gewußt, daß sie jahrelang in der Hauptstadt und dort anscheinend auch bei Hofe gelebt hatte.
»Kim, würdest du dir einmal mein Sorgenkind ansehen?« fragte Jemaina. »Er hat eine schwere Kopfverletzung, und ich bin am Ende meiner Weisheit. Vielleicht fällt dir etwas ein, was ihm helfen könnte.«
»Jemaina scheint ja eine Menge von deinem Freund zu halten«, sagte ich, als die beiden hinausgingen. »Sie bittet sehr selten jemanden um Rat.«
»Akim ist ein begnadeter Heiler«, antwortete Tom kurz. Er schwieg eine Weile. Dann fragte er behutsam: »Meinst du, du könntest mir jetzt etwas über Nikolai – Nikal erzählen? Oder mißtraust du mir noch immer?« Ich wand mich unbehaglich bei dieser unverblümten Frage und zögerte wohl etwas zu lange mit meiner Antwort, denn er hob die Schultern und lächelte bedauernd.
»Schade, denn ich denke, daß wir gute Freunde sein könnten, Elloran. Du darfst mir glauben, ich will deinem Freund Nikal nichts Böses. Und Maddoc auch nicht – ganz im Gegenteil.« Er hatte seine verschnörkelte Redeweise vollständig abgelegt und sprach mit großem Ernst. Der Eindruck, den er vermittelte, war der von tiefer Aufrichtigkeit. Doch diese Ehrlichkeit konnte vorgetäuscht sein; ich hielt ihn für schauspielerisch äußerst talentiert.
Er wartete einen Augenblick auf eine Antwort und fuhr, als ich beharrlich schwieg, leise fort: »Wir haben uns vor einigen Jahren getrennt, und die anderen und ich bereisten lange einen anderen Teil der Welt. Wir hatten einen Treffpunkt ausgemacht und einen Zeitpunkt, an dem wir uns wiedersehen wollten. Aber Nikal ist dort nicht erschienen und hat auch nichts von sich hören lassen. Also haben wir begonnen, nach ihm zu suchen. Wir haben uns große Sorgen gemacht, daß ihm etwas zugestoßen sein könnte, weil er – er war nicht ganz gesund, als wir uns trennten. Es entspricht ganz und gar nicht seiner Art, eine Verabredung nicht einzuhalten.«
Toms Katzenaugen waren mit größter Eindringlichkeit auf mich gerichtet. Es kam mir vor, als versuchte er mit der ganzen ihm zur Verfügung stehenden Kraft seiner Ausstrahlung, mich von seinen guten Absichten zu überzeugen.
»Wir nahmen schließlich an, er sei tot. Aber einer von uns besitzt besondere Fähigkeiten. Er war davon überzeugt, daß Nikolai noch am Leben sein mußte, wenn auch vielleicht – nun ja – unter Umständen geistig verwirrt ...« Er stockte. Sein Gesicht zeigte Trauer und ehrliche Sorge. Seine Worte und mehr noch das Gefühl, das in ihnen mitschwang, bewogen mich dazu, über meinen Schatten zu springen und ihm zu verraten, was ich über Nik und seinen jetzigen Aufenthaltsort wußte. Mein Bericht versetzte ihn derart in Aufregung, daß er darauf bestand, seinen Begleiter aufzusuchen und ihn unverzüglich ins Bild zu setzen.
Jemaina und Akim saßen im schwindenden Licht vor der Kate und steckten die Köpfe zusammen. Die Miene des Heilers war finster.
»Maddoc, du mußt dir anhören, was der Junge zu erzählen hat«, rief Tom, sobald wir in Hörweite waren. Akim blickte gereizt auf.
»Wenn es um Kolja und seine – Anfälle geht, hat Jemaina mir bereits alles erzählt«, sagte er kühl. »Es ist genau, wie ich befürchtet habe. Wir sollten zusehen, daß wir Galen einsammeln und dann diese verdammte Stadt ausfindig machen, ehe irgendeiner dieser hinterwäldlerischen Zauberkünstler die ganze Angelegenheit vermasselt!«
»Akim«, mahnte Tom sanft. Der Heiler schnaubte aufgebracht.
»Es ist doch zum Mäusemelken! Hätte die Kleine nicht darauf bestanden, sich mit diesem lausigen Handelsschoner einzuschiffen, dann hätten wir nicht den Umweg über Sturmhaven nehmen müssen und hätten Kolja hier noch erwischt. Wir wären jetzt auf dem Weg nach Hause, Tom!«
»Hätte, hätte nicht!« lachte der Kater. »Wir haben aber; und wir haben auch zum ersten Mal eine brauchbare Spur, die zu unserem Freund führt, und das ist weitaus mehr, als wir die ganze Zeit über hatten. Also verschone bitte die Anwesenden mit deiner mehr als schlechten Laune!« Er schnitt eine grüblerische Grimasse. »Sag mir lieber eines: wie stehen wir da, wenn sich herausstellen sollte, daß der in jeder Beziehung durchgebrannte Kommandant dieser reizenden Burg wider Erwarten nicht unser gesuchter Freund ist? Wir haben schließlich nur die etwas unbestimmte Vermutung, daß er es sein könnte!«
Akim grinste humorlos und tippte wortlos auf eine Stelle dicht unter seinem linken Auge; die gleiche Stelle, an der Nik eine auffällig geformte Narbe trug. Tom stöhnte auf und verdrehte theatralisch die Augen. »Das hat er mir nie vergeben«, sagte er mit Grabesstimme.
»Hätte ich an seiner Stelle auch nicht. Es hat ihn fast das Auge gekostet«, lautete des Heilers trockene Antwort. Tom lachte und schob seinen Arm unter meinen, um mich mit sich zu ziehen. Das wurde langsam zu einer üblen Angewohnheit.
»Komm mit mir, mein Guter, und zeige mir den Schauplatz meines abendlichen Auftrittes, damit ich das eine und andere vorbereiten kann. Wie steht es mit dir, bist du im Besitz einer schönen Singstimme, oder verstehst du dich auf ein Instrument?«
Ich erwartete voller Spannung die Vorführung des Spielmannes. Seine Vorbereitungen hatten sich als nicht allzu aufwendig erwiesen; es ging dabei hauptsächlich darum, eine Art kleiner Bühne zu schaffen und die langen Tische der Halle etwas umzugruppieren, damit möglichst viele Zuschauer Platz fanden und sie alle eine einigermaßen ungehinderte Sicht auf das Podest hatten.
Lange vor Beginn der Vorstellung war die große Halle schon zum Bersten gefüllt. Es schien, als seien nicht nur sämtliche Burgbewohner anwesend – bis auf die bedauernswerten Soldaten der Nachtwache – sondern auch eine erkleckliche Anzahl von Dorfleuten. Die Halle summte und brummte und schwirrte wie ein überfüllter Bienenstock.
Endlich erschienen auch der Burgherr und seine Gemahlin und nahmen feierlich Platz: die Vorführung konnte beginnen. Ich blickte mich um und suchte nach Akim und Jemaina, konnte sie aber nirgends entdecken. Wahrscheinlich nutzten sie die laue Sommernacht für ein ungestörtes Beisammensein.
Der Spielmann trat auf. Ein bewunderndes Raunen und Murmeln ging durch die Versammlung. Hatte ich bisher seine alltägliche Kleidung für farbenfroh gehalten, wurde ich nunmehr eines Besseren belehrt. Ich war versucht, meine Augen zu beschirmen wie vor allzu hellem Sonnenschein. Toms wie angegossen sitzende Beinkleider protzten mit einer strahlend kornblauen und einer rubinroten Hälfte; das weite schneeige Hemd war mit schwarzen und goldenen Stickereien am Hals und an den Ärmeln versehen, und die enggeschnürte Weste erinnerte in all ihrer Farbenpracht an einen seltenen Schmetterling oder einen Sonnenuntergang im Herbst: goldene gestickte Ranken wetteiferten mit blitzenden kleinen Spiegelplättchen in allen Schattierungen des Regenbogens, die das Fackellicht tausendfach zurückwarfen. Ein kecker blauroter Mantel, der von einer goldenen Kordel gehalten wurde, wehte von Toms Schulter, und sein Haupt zierte eine weiche blaue Kappe, von der zwei lange goldgrüne Federn herabwallten. Ich sah einigen verständlichen Neid in den Gesichtern der anwesenden Frauen.
Der Spielmann erklomm behende das Podest und verbeugte sich schwungvoll. »Edler Herr dieser prachtvollen Burg und hochverehrte domna, geschätzte Anwesende, ich darf mich vorstellen: Vor euch steht S'TomCroQ'nan, der Sänger der Könige, der euch nunmehr eine Kostprobe seiner Kunst zu geben wünscht.«
Er verbeugte sich erneut, daß seine weiten Ärmel und der kurze Mantel nur so flatterten. Ohne weitere Vorrede griff er zu seiner Laute und ließ einen einstimmenden Akkord zerflattern. Dann hob er an zu singen: die Ballade von der Schönen Meliane und ihrem ungetreuen Liebhaber. Sein klangvoller Bariton drang mühelos und weich bis in den letzten Winkel der Halle, und niemand wagte, auch nur eine Wimper zu rühren, um nur ja nichts zu verpassen.
Als der letzte, klagende Ton verklang, war zunächst nur das verstohlene Schniefen und Seufzen der ergriffenen Zuhörerinnen zu vernehmen. Ich muß gestehen, daß auch ich außerordentlich beeindruckt war. Der nun aufbrandende Applaus kam laut und begeistert. Tom quittierte ihn mit einem strahlenden Lächeln und einer erneuten eleganten Verbeugung. Dann stimmte er ein fröhliches Trinklied an, in dessen Refrain bald einige der mutigeren Zuhörer einzufallen wagten. Auf diese Weise wechselten sich frohe und traurige Lieder ab, so daß die Zeit wie im Fluge verging. Mir erschien inzwischen sogar der hochfahrende Titel ›Sänger der Könige‹ nicht länger vermessen, mit dem Tom sich so stolz selbst bezeichnet hatte. Seine Stimme war von wohllautender Schönheit und Wärme in den langsamen Balladen, und darüber hinaus zugleich in der Lage, Liedern grotesken oder komischen Inhaltes die angemessene Färbung zu verleihen. Sein Lautenspiel war, so weit ich das mit meinem ungeübten Ohr beurteilen konnte, wahrhaft meisterlich zu nennen.
Als er sein Programm beschloß, wollten der Jubel und die Hochrufe kein Ende finden. Er winkte dankend, verbeugte sich ein um das andere Mal und gab dann mit einem kleinen, halb enttäuschten, halb selbstzufriedenen Lächeln noch eine Handvoll Zugaben; zumeist bekannte Lieder, die die Anwesenden mitsingen konnten, was sie auch voller Vergnügen taten. Endlich legte er die Laute beiseite und hob die Hände.
»Freunde, bitte habt Erbarmen! Ich danke euch sehr für euren Beifall, aber einmal muß Schluß sein. Meine Finger bekommen Blasen, ich beginne, heiser zu werden, und meine Kehle verschmachtet nach einem Becher kühlen Weines. Ich bin sicher, daß ihr mir den vergönnt!«
Lachende Zurufe bezeugten Verständnis für seinen Wunsch, und ein gefüllter Becher, aus dem es dunkelrot schwappte, wurde alsbald durch die Menge nach vorne gereicht. Mein Vater war unterdessen an den Sänger herangetreten, der ihm nun zuprostete und dann einen ordentlichen Schluck nahm. Morak dankte Tom für seine Vorstellung und reichte ihm ein wohlgefülltes Ledersäckchen, das der Sänger unter Verbeugungen fingerfertig in seinem Umhang verschwinden ließ. Dann wandte sich mein Vater an die Menge und verkündete, daß zur Feier dieses Tages draußen im Hof ein Fest vorbereitet worden sei und es für alle reichlich zu essen und zu trinken gäbe. Die Leute jubelten ihm zu und drängten sich eilig durch die Tür ins Freie. Tom blieb auf dem Rande des Podestes hocken und leerte gemächlich seinen Becher.
»Komm her zu mir, junger Freund«, winkte er mir. »Hat dir meine Darbietung gefallen?« Er zog die Kappe ab und wischte sich den Schweiß von der hohen Stirn.
»Außerordentlich«, sagte ich ehrlich. Er blickte angenehm überrascht auf und lächelte mich an.
»Das freut mich; das freut mich sogar mehr, als du glaubst«, sagte er. »Deine Meinung ist mir sehr wichtig.« Ich wand mich unbehaglich. Was wollte er nur von mir? Er benahm sich fast so, als würde er mir den Hof machen. Er klopfte einladend neben sich auf das Podest und begann, seine Weste aufzuschnüren. Widerstrebend hockte ich mich neben ihn.
»Soll ich dir noch etwas Wein besorgen?« bot ich ihm an, als er jetzt auch noch seine Hemdverschlüsse lockerte. Dichter schwarzer Pelz kräuselte sich weich aus dem Ausschnitt. Der Sänger reckte sich ächzend.
»Ach, mein Lieber, ich werde wohl doch alt. Noch vor wenigen Jahren hätte ich fünf solcher Darbietungen an einem Tag erledigt, danach eine Kanne guten Weins geleert und hätte immer noch genügend Saft übrig gehabt, mir ein hübsches junges Ding in mein Bett zu holen. Aber sieh mich jetzt an: müde und verbraucht bin ich!« Ich musterte ihn verdutzt. Er sah eigentlich nur ein wenig erschöpft aus. Um seine Augen und in den Mundwinkeln zeigten sich kleine Fältchen, doch sein Haar war schwarz und dicht – gut, vielleicht nicht gerade auf dem Kopf, aber überall sonst – und sein Körper schien kraftvoll und geschmeidig zu sein.
»Wie alt bist du, Tom?« hörte ich mich zu meinem eigenen Entsetzen meine Frage laut aussprechen. Warum bloß war mein Mundwerk immer schneller als mein Hirn? Ich begann stammelnd, mich für meine vorlaute Frage zu entschuldigen, aber Tom grinste nur und bot mir so die Gelegenheit, seine spitzen Zähne aus nächster Nähe zu bewundern. Ein wahrhaft beeindruckender Anblick. Ob er sein Gebiß wohl im Notfall als Waffe benutzen mochte?
Er beugte sich vertraulich zu mir. »Versprichst du mir hoch und heilig, das Geheimnis nicht weiterzusagen, vor allem nicht an hübsche junge Damen?« hauchte er theatralisch. Ich kicherte und schwor einen feierlichen Eid auf mein Augenlicht. Der Hinweis auf die ›jungen Damen‹ hatte meinen Argwohn etwas beruhigt.
Tom beugte sich noch näher, nachdem er sich übertrieben vorsichtig nach allen Seiten umgesehen hatte. Ich nahm den Geruch seines Körpers wahr: würzig mit einem Hauch Schärfe wie von Muskat.
»Dreiundachtzig Jahre habe ich auf meinem armen alten Buckel«, wisperte Tom in mein Ohr. Ich sah ihn empört an. Er saß da, mit treuherzigem Blick und ernsthaft gerunzelter Stirn. Ich mußte lachen. Das war die gerechte Strafe für meinen Vorwitz! Doch in der Verdrehung lag sicherlich die Wahrheit verborgen: Achtunddreißig war der Spielmann; und damit sogar älter als meine Mutter.
Sein verschmitztes Lächeln vertiefte sich. »Ein ehrwürdiger Greis sitzt da neben dir, nicht wahr?« spöttelte er. »Bist du dennoch bereit, dich mit mir abzugeben, mein liebenswürdiger junger Freund?«
Sein strahlendes, aber häßliches Gesicht mit der kahlen Stirn und den spitzen, behaarten Ohren rührte mich seltsam an. Mein hartnäckiges Mißtrauen ihm gegenüber schwand wie Schnee in der Sonne. In diesem verschrobenen Menschen schien wirklich kein Platz für irgendwelche Falschheit zu sein.
»Komm, Freund, wir holen uns etwas zu trinken. Ich verspüre große Lust, den glücklichen Tag zu feiern, an dem wir uns kennenlernten.«
Wie zufällig landete seine Hand während dieser Worte auf meinem Schenkel. Ich hörte nicht mehr auf das, was er sagte, so sehr beunruhigte mich diese Berührung. Wieder fiel mir auf, daß Tom eine höhere Körpertemperatur zu besitzen schien als andere Menschen. Seine Hand fühlte sich warm und trocken an, es war kein unangenehmes Gefühl, aber dennoch fremdartig. Und jetzt stieg auch wieder sein charakteristischer Duft in meine Nase: dieses starke Aroma von etwas pfeffrigem Muskat. Nahm ich ihn jetzt nur bewußter wahr, oder verstärkte er sich tatsächlich?
Ich schreckte aus meinen Gedanken. Wann hatte Tom eigentlich aufgehört, zu sprechen? Er sah mich unverwandt an. In seinen türkisfarbenen Augen stand ein schwer zu deutender Ausdruck: Verwirrung? Staunen?
»Hörst du mir überhaupt zu?« fragte er jetzt leichthin, aber seine Augen sagten etwas völlig anderes. Seine Hand strich sanft meinen Schenkel empor und legte sich dann fast zärtlich auf meine Hüfte. Der Muskatduft wurde stärker und bekam ein süßliches Aroma. In meiner Verwirrung sprang ich auf und entfernte mich ein paar Schritte von ihm.
»Was ist?« fragte er.
»Wollen wir nicht hinausgehen zu den anderen?«, stotterte ich. »Ich bin hungrig, du nicht? Und etwas zu trinken könnte ich auch vertragen.«
Toms Tieraugen blitzten spöttisch. »Doch«, sagte er anzüglich, »ich bin überaus hungrig. Aber laß uns dennoch zu den anderen gehen. Ich kann schließlich nicht verantworten, daß du hier vor meinen Augen verhungerst.« Er trat geschmeidig neben mich und schlang seinen Arm um meine Hüfte. »Du mußt mir unbedingt verraten, wer dieses Traumbild von einer Schwarzhaarigen ist, die dort vorne saß«, sagte er in schwärmerischem Ton. »Sie befindet sich doch nicht etwa in festen Händen?«
Das Fest war in vollem Gange, als wir hinzustießen. Die Küche hatte sich selbst übertroffen, die Tische bogen sich unter ausgesuchten Leckereien, und Wein und Bier flossen in Strömen. Morak konnte durchaus großzügig sein, wenn er wollte. Wir ergatterten beide einen Becher Wein und beluden unsere Teller mit allerlei schmackhaften Bissen. Dann eroberten wir uns einen Sitzplatz auf dem Brunnenrand. Kauend blickte ich mich um und stieß Tom schließlich meinen Ellbogen in die Rippen.
»Da, schau mal, hast du die gemeint?« Mit einem fettigen Finger deutete ich auf Rosaleen, ein Mädchen aus dem Dorf. Sie unterhielt sich gerade mit dem schönen Kyl von der Wache, der schon lange ein Auge auf sie geworfen hatte. Ihre dunklen Augen blitzten übermütig, und sie warf lachend mit einer anmutigen Bewegung ihre lockige Mähne aus dem Gesicht. Tom folgte meinem Finger und nickte bestätigend.
»Du hast einen guten Geschmack, das ist unsere Dorfschönste. Aber die läßt keinen an sich heran, obwohl es schon viele versucht haben. Kyl beißt sich wohl auch gerade wieder die Zähne an ihr aus.« Tom sprang auf die Füße und drückte mir seinen halbgeleerten Teller in die Hand.
»Das wollen wir doch mal sehen«, rief er unternehmungslustig. »Möchtest du vielleicht eine Wette abschließen?« Ich schüttelte lachend den Kopf und sah ihm nach, wie er auf Rosaleen zusteuerte. Die gab anscheinend gerade Kyl den Gnadenstoß, denn der lächelte kläglich und schlich mit eingezogenem Schwanz davon. Tom blieb vor der Schönen stehen und zeigte eine seiner gekonnten Verbeugungen. Sie blickte lächelnd an ihm empor und reichte ihm ihre Hand, die er ergriff und galant an die Lippen hob. Ich lachte in mich hinein. Dieser Mann war ein Phänomen! Noch vor einer kleinen Weile wäre ich bereit gewesen, einen Eid zu leisten, daß er versucht hatte, mich zu umwerben, und jetzt war ich staunender Zuschauer bei seinem Sturmangriff auf die unnahbare Rosaleen.
»Was amüsiert dich denn so?« Ich zuckte zusammen und fuhr herum. Jemaina stand hinter mir und lachte über mein Erschrecken. Ich kicherte und blickte hinüber zu Tom, der immer noch auf das Mädchen einredete. Rosaleen lauschte ihm mit halbgeöffnetem Mund und ihrem unnachahmlichen Schlafzimmerblick. Ich hatte mir sagen lassen, daß diesem Blick sehr schnell eine Ohrfeige oder eine scharfzüngige Abfuhr zu folgen pflegte. Die Aussicht auf das Gesicht, das Tom dann schneiden würde, erfüllte mich mit schadenfroher Vorfreude.
Jemaina setzte sich neben mich und pickte eine eingelegte Zwiebel von meinem Teller. »Akim will noch ein paar Tage hierbleiben. Er glaubt, daß er vielleicht etwas für Reuven tun kann.«
»Aber mach dir nicht zu viel Hoffnung«, knurrte der Heiler, der bei ihren letzten Worten zu uns getreten war. »Ich werde es versuchen, aber ich kann nichts versprechen.« Sie schmiegte sich an ihn und drehte ihm ihr Gesicht zu, damit er sie küssen konnte. »Ich hasse eingelegte Zwiebeln«, sagte er, als sie sich endlich wieder voneinander lösten. Ich hatte mich taktvoll abgewandt und beobachtete – etwas weniger taktvoll – Toms Fortschritte bei Rosaleen.
»Was gibt es dort Interessantes zu sehen?« fragte Akim. Er folgte meinem Blick und ließ ein Geräusch hören, das wohl ein Lachen darstellen sollte. »Der Kater ist wieder bei seiner Lieblingsbeschäftigung, wie ich sehe. Was für ein Glück für meine geplagte Nase, daß der Wind nicht in unsere Richtung steht.« Ich drehte mich interessiert zu ihm um. Er lehnte an der Brunneneinfassung und spielte mit Jemainas Haaren.
»Ich dachte, ich bilde mir das nur ein«, sagte ich. »Das mit seinem Geruch, meine ich. Dann stimmt es wohl, daß er sich verändert, und stärker oder schwächer wird?« Akim legte den Kopf schief und sah mich scharf an. Einen Augenblick lang erinnerte er mich an Magramanir.
»Du scheinst eine gute Nase zu haben«, sagte er. »Die meisten Menschen können Toms Lockstoffe nicht bewußt wahrnehmen.«
»Lockstoffe?«
»Das erkläre ich dir vielleicht später einmal. Aber jetzt kannst du gerade sehr schön beobachten, wie sie wirken.« Er lachte wieder sein seltsam rostiges Lachen.
Ich sah zu Tom hinüber, und mein Kinn sackte herab. Rosaleen und er gingen Arm in Arm auf das Burgtor zu, und ich schwöre, daß sie sich küßten!
»Eine gute Idee«, hörte ich Jemaina versonnen sagen. Tom und Rosaleen verschwanden im Dunkeln, und als ich mich umdrehte, um Akim auszufragen, waren er und Jemaina ebenfalls fort.
»Soviel zu ›den Tag feiern, an dem wir uns kennenlernten‹«, murmelte ich und schaufelte grimmig die Reste vom Teller in meinen Mund. Es wurde ohnehin Zeit für mich, ins Bett zu gehen, immerhin erwartete mich morgen in aller Frühe wieder meine geliebte Mistgabel.
Am nächsten Tag besuchte der Spielmann mich gegen Nachmittag in den Ställen und beschwatzte Hjelvor, mich früher gehen zu lassen. Tom schnurrte geradezu vor Zufriedenheit, wollte aber nicht über sein Rendezvous mit der schönen Rosaleen reden. Ich bemerkte, daß er ganz schwach nach Zitronen und Vanille roch. Diese Variante seines Körpergeruchs hatte ich bisher noch nicht kennengelernt, sie sollte mir aber später noch oft begegnen.
Wir nahmen mit Jemaina und einem erschöpft aussehenden Akim ein sehr spätes Mittagsmahl oder eher ein frühes Abendessen ein. Die Stimmung war gelöst und fröhlich, und so entschlüpfte mir eine Frage, die ich unter anderen Umständen sicher hinuntergeschluckt hätte: »Sag mal, Tom, bist du ein Pukh?«
»Elloran!« rief Jemaina tadelnd, aber dann mußte sie doch lachen. Tom sah mich fragend an. Sogar Akim wirkte plötzlich etwas wacher.
»Was ist ein Pukh?« fragte er neugierig.
»Ein Kindermärchen«, antwortete Jemaina, immer noch lachend. »Wirklich, Elloran, ich hätte gedacht, daß du aus diesem Alter längst heraus bist!« Ich wurde rot, was mich noch mehr ärgerte.
Jemaina erklärte den beiden amüsiert lauschenden Männern, was es mit den Pukh auf sich hatte. Sie erzählte einige der Geschichten, die auch ich von Malima zu hören bekommen hatte, als ich klein war. Anscheinend unterschieden sich die Ammenmärchen der Olysser nicht sehr von den unseren.
Akim lehnte sich schließlich zurück und lachte sein rostiges Lachen. Tom grinste nur in sich hinein. »Ich verstehe«, keuchte der Heiler, sich die Tränen wischend, »das ist so eine Art Kobold.« Ich kannte den Begriff nicht, aber Jemaina nickte.
»Ich habe mich schon oft gefragt, was für seltsame Lebewesen deine Eltern gewesen sein mögen.« Akim grinste den Spielmann an. »Jetzt weiß ich es endlich. Sie waren Pukh!« Er lachte schon wieder. Meine dumme Bemerkung begann mir leid zu tun. Ich warf einen vorsichtigen Blick zu Tom hinüber, um zu sehen, ob er böse auf mich war, aber er lachte auch und blinzelte mir zu. Erleichtert entließ ich meinen ängstlich angehaltenen Atem.
Tom suchte weiterhin meine Nähe, ohne seine Annäherungsversuche vom ersten Abend zu wiederholen. Ich begann, seine Gesellschaft sehr zu schätzen. Er war ein unterhaltsamer Gefährte, und unter der leichtfertigen Oberfläche verbarg sich ein scharfer Verstand. Wir konnten über vielerlei miteinander sprechen, genauso aber auch das gemeinsame Schweigen genießen. Ich bekam reichlich Gelegenheit, mit ihm zusammenzusein, weil es ihm mit seinem ungeheuren Charme wahrhaftig gelungen war, den alten Hjelvor derart einzuwickeln, daß er mich für die Zeit, die Akim und Tom auf der Burg blieben, ganz vom Dienst befreite. Wir verbrachten einen großen Teil des Tages miteinander; aber regelmäßig, wenn der Tag sich neigte, warf er mir sein verschmitztes Lächeln zu und ging ins Dorf hinunter. Ich hätte jede Wette riskiert, daß dort Rosaleen auf ihn wartete und hätte zu gerne Näheres erfahren. Doch seine Diskretion war so unerschütterlich wie seine gute Laune.
Akim schaffte es tatsächlich, Reuven wieder ins Leben zurückzuholen. Jemaina war überglücklich, konnte aber nicht erklären, wie er das angestellt hatte. Er hatte sich eine ganze Wache lang mit dem Kranken eingeschlossen und darum gebeten, nicht gestört zu werden. Als er nach Stunden die Tür öffnete, lag Reuven mit offenen Augen im Bett, schwach zwar und kaum in der Lage, einen Finger zu rühren, aber bei Bewußtsein. Und der Heiler konnte oder wollte Jemaina nicht in sein Geheimnis einweihen.
An ihrem letzten Abend auf Salvok gab Tom eine Abschiedsvorstellung auf dem Hof. Dieses Mal sang er allerdings nicht, sondern zeigte eine Jonglierdarbietung. Bunte Bälle, leuchtende Seidentücher, blitzende Messer und am Schluß sogar brennende Fackeln wirbelten in atemberaubendem Tempo durch die Luft. Es war unmöglich, sie mit Augen zu verfolgen, in so verschlungenen Formationen flogen sie um Toms Kopf herum, aber er fing alle mit müheloser Grazie immer wieder auf und wirbelte sie erneut umher.
Der Beifall, der nach diesem Schauspiel auf ihn niederprasselte, war womöglich noch begeisterter als nach seiner musikalischen Darbietung. In der ersten Reihe saß die schöne Rosaleen und sah mit geröteten Wangen und leuchtenden Augen zu ihm auf. Er warf ihr eine Kußhand zu, und sie errötete noch mehr und schlug die Augen nieder. Plötzlich wurde ich traurig. Tom würde sie morgen verlassen. Und ebenso verließ er mich – ich wußte, daß er mir fehlen würde, obwohl ich ihn erst so kurze Zeit kannte.
Der Spielmann packte seine Utensilien zusammen und lud sie in den bunten Wagen, der schon reisefertig für den Aufbruch in aller Frühe auf dem Hof bereitstand. Schweren Herzens half ich ihm dabei.
»Wohin fahrt ihr jetzt?« fragte ich schließlich, da die Stille mich bedrückte.
Tom wischte sich über das Gesicht und überlegte kurz. »Zur Kronstadt«, sagte er dann. »Wir müssen einen Freund abholen, sonst haben wir keine Chance, die Zaubererstadt zu finden.«
Mir stockte der Atem. Die Kronenburg! Mein unerreichbar gewordener Wunschtraum; denn wenn es nach meinem Vater ging, würde ich in den Stallungen von Burg Salvok meinen Lebensabend verbringen. Er hatte noch mit keinem Wimpernzucken zu verstehen gegeben, daß er mir je verzeihen würde. Ich war nach wie vor in Ungnade, und selbst meine Mutter schien mir zu zürnen. Sie haßte es, wenn irgend etwas den üblichen Gang der Dinge auf Salvok störte, was ich ja nun recht nachdrücklich getan hatte. Gedankenverloren auf einer Kiste hockend sah ich zu, wie Tom seine Jonglierutensilen verstaute.
»Warum bist du so still, mein Bester?« fragte er. »Du machst ein Gesicht, als hätte jemand für alle Zeiten das schöne Wetter abbestellt!« Ein abgrundtiefer Seufzer erschütterte mich. Tom sprang vom Wagen herunter und setzte sich neben mich. Er legte mir den Arm um die Schultern und schaute mich seltsam besorgt an. »Jetzt erzähl's dem lieben Kater schon. Was ist es, Liebeskummer?«
Wider Willen mußte ich lachen. Dann kam mir ein aberwitziger Einfall. »Tom, halte mich bitte nicht für übergeschnappt ...« Ich sah ihm an, daß er eine dumme Bemerkung machen wollte, und sprach schnell und verzweifelt weiter: » ... würdet ihr mich mitnehmen?«
Sein Mund klappte auf und wieder zu. Ich hätte nie gedacht, Tom einmal um Worte verlegen zu sehen, aber anscheinend hatte ich es mit meiner Bitte geschafft, ihn zu verblüffen.
»Mitnehmen«, ächzte er schließlich. »Wohin denn?«
»Zur Kronenburg. Ich muß da wirklich dringend hin.«
Das verschlug ihm wieder die Sprache. Er nahm die Hand von meiner Schulter und rieb sich die Nase. »Ja, ist das denn möglich?« fragte er hilflos. »Ich meine, du bist doch ... deine Eltern, deine Freunde ... Wieso, bei Omellis verlauster Perücke, mußt du zur Kronenburg?«
»Bitte, Tom. Es ist ungeheuer wichtig für mich, bitte! Ich würde euch auch alle Arbeit abnehmen. Ich kann eure Wäsche waschen, Essen kochen, ich kann mich ganz toll um die Pferde kümmern, immerhin bin ich hier ...«
» ... der Stalljunge, ich weiß. Ach verdammt! Ich hätte nichts dagegen, daß du mitkommst. Aber was werden wohl deine Eltern dazu sagen?«
»Ich habe keine Eltern«, log ich verzweifelt – und hoffte, daß ihm keiner verraten hatte, wer mein Vater war. Von mir wußte er es jedenfalls nicht, wir hatten nie darüber gesprochen. Tom sah mich mit hochgezogenen Brauen skeptisch an. Ich log flüssig weiter. »Meine Eltern sind schon lange tot. Jemaina hat mich aufgezogen.« Vorsicht! »Ich bin ganz ohne Familie hier auf der Burg. Mein einziger Freund ist – war – Nikal. Und der ist jetzt auch weg.« Daß hier meine Stimme brach, war nicht ausschließlich gespielt. Es schien seine Wirkung nicht zu verfehlen. Tom sah mich mitleidig an.
»Aber warum willst du denn ausgerechnet zur Kronenburg?« Gerettet!
»Weil dort meine Großmutter lebt.« Das war endlich einmal nicht gelogen. Großmutter hatte gesagt, daß sie vorhatte, bis Ende Herbst bei der Krone zu bleiben.
Tom stöhnte. Dann stand er auf und drehte mir den Rücken zu. Er schien gründlich nachzudenken. Ich biß mir vor Aufregung auf die Lippen und machte vorsichtshalber hinter dem Rücken mit drei Fingern das Zeichen der Glücklichen Vorbestimmung. Das paßte zwar nicht besonders gut zu dieser Situation, aber vielleicht würde es die Geister trotzdem günstig stimmen.
Er drehte sich um und sah mich sehr ernst an. Er würde mir jetzt bestimmt eröffnen, daß er erst Akim fragen müsse. Und ob ich in der Lage wäre, den knurrigen Heiler zu überreden – dazu benötigte ich sicher den Beistand einiger Legionen wohlmeinender Geister!
Aber Tom überraschte mich. »In Ordnung«, sagte er. »Du kannst mitkommen. Und du wirst dafür arbeiten, das verspreche ich dir.« Weiter kam er nicht, weil ich aufjubelte und ihm um den Hals fiel.
»Ist ja schon gut, mein Bester«, verfiel er wieder in seine verschnörkelte Sprechweise. »Sei doch bitte ein guter Junge und ruiniere mir meine Kleidung nicht, mein Schneider lebt sehr weit entfernt von hier!« Affektiert fegte er einige nichtexistierende Staubflusen fort und richtete eine zerdrückte Rüsche an seinem Hemd.
»Tom«, drängte ich, »wir müssen einen Treffpunkt vor der Burg ausmachen, damit keiner merkt, daß ich fortgehe.«
Sein Blick wurde mißtrauisch. »Wieso das denn? Warum kannst du nicht einfach auf unseren Wagen steigen und mitkommen?«
Verzweifelt erfand ich weiter. Es stimmte: Wenn man einmal mit dem Lügen anfing, mußte man immer damit weitermachen. »Ich kann hier nicht einfach so weg, solange ich nicht aus meinem Dienst entlassen worden bin. Aber das, das ...« Verdammnis, warum sollte das nicht möglich sein? »Das geht nicht so leicht, weil ...« Tom rettete mich; er winkte entsetzt ab.
»Bitte, verschone mich mit den Einzelheiten eurer exotischen Formalitäten. Darin seid ihr Raulikaner wirklich einmalig. Ihr müßt die Bürokratie erfunden haben!« Er schüttelte sich. »Ich habe in diesem Land sogar eigens eine Genehmigung erwerben müssen, um öffentlich auftreten zu dürfen. Das gibt es in der ganzen Welt nicht noch einmal!« Im Stillen segnete ich diese raulikarsche Eigenart.
»Wird irgend jemand hinter uns herreiten, um dich zurückzuholen? Oder werden wir deinetwegen Ärger bekommen? Das können wir nämlich als allerletztes gebrauchen, mein Guter.« Ich beeilte mich, ihm zu versichern, daß er nicht mit bösen Überraschungen zu rechnen hätte, wenn er mich mitnähme. Ich hoffte wirklich, damit jetzt endlich einmal die Wahrheit gesagt zu haben. Tom schien mir zu glauben, und ich atmete auf. Wir machten aus, daß ich mein Bündel nachts auf den Wagen werfen würde, wenn es niemand sah, und die beiden mich dann morgens in aller Frühe an derselben Stelle vor dem Dorf aufsammelten, wo wir uns das erste Mal begegnet waren. Tom sah mich noch einmal durchdringend an, als wolle er mir bis in den hintersten Winkel meiner schwarzen Seele blicken, klopfte mir dann auf die Schulter und – ich hatte es schon gerochen – drehte sich auf dem Absatz um und ging hinunter ins Dorf. Dieser Abschied würde bestimmt herzzerreißend werden!
Ich rannte in meine Kammer und schnürte ein paar Kleidungsstücke und einige wenige Habseligkeiten zu einem handlichen Bündel. Eigentlich gab es hier nichts, woran ich so sehr hing, daß ich es unbedingt hätte mitnehmen wollen. Viel wichtiger war es, Julian die Nachricht von meiner Abreise zukommen zu lassen. Zu dumm, daß Magramanir nicht hier war. Julian war zu weit fort, als daß ich ihn mit meinen unzuverlässigen Kräften so ohne weiteres hätte erreichen können. Aber mir schwebte eine Lösung vor. Ich begab mich in Julians Turmzimmer und wühlte dort ein wenig herum. Er hatte es glücklicherweise nicht für nötig gehalten, das Gemach magisch zu versiegeln, wahrscheinlich dachte er ganz zu Recht, daß sich außer mir ohnehin niemand hier hereinwagte.
Endlich fand ich in einer der Truhen das, was ich suchte. Julian war kein Freund von Spiegelmagie, er hielt sie für unzuverlässig und unelegant, ein Hilfsmittel für magische Stümper. Glücklicherweise war er dennoch so gründlich gewesen, mich, wenn auch in aller Kürze, darin zu unterweisen. Ich pustete vorsichtig den Staub von dem runden kleinen Spiegel, den ich aus der Truhe gehoben hatte, und polierte ihn dann blitzblank. Ich breitete das schwarze Samttuch, in das er eingeschlagen gewesen war, auf dem Tisch aus und legte ihn behutsam darauf. Dann zog ich mir Julians Lehnstuhl heran und beugte mich über den Spiegel. Ich atmete tief ein und aus und fokussierte meine Augen zunächst auf den Rahmen. Ich folgte den Schnörkeln und Ranken aus schwarz angelaufenem Silber rundherum, bis ich merkte, daß mir schwindelig wurde. Mein Blick verschwamm, und ich richtete meine tränenden Augen auf die Spiegelfläche. Nebel schien in der Tiefe des Spiegels zu entstehen und langsam an die Oberfläche zu ziehen. Ich konzentrierte mich und ließ Julians Gesicht vor meinem inneren Auge entstehen. Das war der heikelste Teil der Beschwörung, wenn ich hier nicht sehr genau auf das allerkleinste Detail seiner Erscheinung achtete, lief ich Gefahr, einen der kleineren Dämonen aus der WeltUnten zu beschwören, der dann in Julians verzerrter Gestalt hier im Turmzimmer erschien. Das war nicht allzu gefährlich, die kleineren Dämonen galten als so etwas wie Stechmücken der Geisterwelt, lästig und leicht zu erledigen. Aber es hätte eine unnütze Verzögerung bedeutet, deshalb konzentrierte ich mich lieber.
Der Nebel wallte dicht über der Oberfläche des Spiegels auf und bildete amorphe Formen. Dann zog er sich zusammen, ballte sich im Zentrum der Spiegelfläche und formte sich zu dem Gesicht, das ich vor meinem inneren Auge hatte erstehen lassen. Zuerst war es leblos und tot, mit geschlossenen Augen und weiß wie das einer Wachspuppe. Aber als ich nun Julians Namen rief, erwachte das Abbild zu plötzlichem Leben, öffnete seine Augen und sah mich an. Ich war von heißem Stolz erfüllt, daß mir diese Beschwörung gelungen war, ohne daß mein Lehrer mir beigestanden hätte. Dann verdrängte ich dieses Gefühl und rief noch einmal seinen Namen. Das Gesicht bekam seine natürlichen Farben, und Julian runzelte verblüfft die Stirn. »Wer ist – oh, du hast mich gerufen!« Er lächelte sein sparsames Lächeln, das nur die Mundwinkel kräuselte, aber das war mir Lob genug. Hastig erzählte ich ihm von meiner geplanten Reise. Er nickte kurz und bot mir an, Magramanir zu schicken, damit wir ohne komplizierte Anrufungen und Beschwörungen in Verbindung bleiben konnten.
»Julian?« fragte ich zögernd, als er die Verbindung abbrechen wollte. »Ich traue mich ja kaum zu fragen, aber wie geht es ...«
»Nikal?« unterbrach er mich, ungeduldig, wie mir schien. »Ich kann dir nichts Neues berichten. Er ist noch immer nicht der Alte. Aber wir glauben, daß wir einen Weg finden können, ihn zurückzuholen. Meine gelehrtesten Magierkollegen arbeiten daran. Er ist ein – interessanter Fall, dein Kommandant. Irgend etwas in seinem Kopf richtet ein unglaubliches Durcheinander an. Sonst noch was?« Ich beeilte mich, das zu verneinen, obwohl mich seine spärlichen Informationen nicht sehr befriedigt hatten. Aber wenn Julian in dieser Stimmung war, schien es ratsam, seine Geduld nicht zu strapazieren. Also verabschiedete ich mich und beendete die Beschwörung.
Mit leisem Bedauern schlug ich den Spiegel wieder in sein Samttuch ein und legte ihn in die Truhe zurück. Ich hätte ihn gerne mitgenommen und versucht, meine Schwester damit zu erreichen. Aber ich hatte eine Ahnung, daß dies eine magische Beschwörung sein würde, die ich tunlichst nicht auf eigene Faust unternehmen sollte. Ich schloß also die Truhe und verließ den Turm. Ob es nun eine Vorahnung war oder bloß ein Spiel meiner überreizten Nerven – aber plötzlich war ich überzeugt davon, dieses Gemach niemals wiederzusehen. Der Gedanke stimmte mich dermaßen melancholisch, daß ich mich aufmachte, um mich von Ellemir zu verabschieden.
Sie saß in der Fensternische ihres Gemaches, neben sich zwei ihrer derzeitigen Lieblingsgefährtinnen. Ich blieb einen Augenblick lang in der Tür stehen und betrachtete das Bild, das sich mir darbot. Ellemir beugte sich zu Jirin, einer hübschen goldhaarigen Frau, und sagte ihr neckend etwas ins Ohr. Noryna, dunkelhaarig und temperamentvoll, stieß heftig mit dem Fuß auf und protestierte, und Jirin flüsterte meiner Mutter etwas zu, worüber beide herzlich lachten. Noryna wurde noch wütender, aber meine Mutter ergriff sie bei der Hand und zog sie an sich. Die drei Frauen umarmten sich. Es war ein schönes, friedvolles Bild und paßte wunderbar zu meiner melancholischen Stimmung.
Ich mußte wohl eine Bewegung oder ein Geräusch gemacht haben, denn Ellemir sah auf.
»Oh, mein Sohn, der Stallbursche, gibt mir die Ehre seines Besuches«, flötete sie. »Komm ruhig näher, Elloran. Ich hoffe doch, du warst so rücksichtsvoll, dich gründlich zu waschen, ehe du hierher kamst.« Sie wandte sich an ihre kichernden Freundinnen: »Er stinkt nämlich ganz unerträglich, müßt ihr wissen.« In gespieltem Ekel hielt sie sich ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase, als ich jetzt neben sie trat und ihr die Hand küßte. Sie rümpfte das Näschen und schob mich fort. »Puh, wirklich, Elloran! Der Stallgeruch folgt dir überall hin. Ich hoffe doch sehr, daß das irgendwann einmal aufhört!« Ich biß die Zähne aufeinander. Wenn Ellemir in dieser Stimmung war, hatte es keinen Sinn, mit ihr ernsthaft reden zu wollen. Ich versuchte es trotzdem.
»Mutter, kann ich alleine mit dir sprechen?«
»Aber warum denn?« Sie sah ihre Freundinnen erstaunt an. »Was gibt es denn so Geheimnisvolles, daß meine lieben Freundinnen es nicht hören dürfen?«
»Mutter, ich möchte einfach nur ein wenig mit dir plaudern, nichts weiter«, sagte ich, obwohl ich wußte, daß ich auf taube Ohren stieß.
Sie wedelte nur mit ihrem zarten Taschentuch vor ihrem Gesicht herum und jammerte: »Aber Elloran! Du kannst wirklich nicht von mir verlangen, daß ich mit dir ein Plauderstündchen halte, solange du so entsetzlich nach Mist riechst. Ich bitte dich! Versöhne dich endlich mit deinem Vater, damit er dich aus diesem schrecklichen Stall holt. Dann können wir gerne miteinander schwatzen, aber im Augenblick ...« Sie verdrehte die Augen und jammerte leise. Die drei Frauen umarmten sich und lachten mich gemeinsam aus. Mit hochrotem Kopf stürmte ich aus dem Gemach.
Draußen rannte ich beinahe meine alte Amme über den Haufen. Ich griff noch rechtzeitig nach ihren Schultern und bewahrte sie vor dem Sturz. Ihre wäßrigen blauen Augen blinzelten kurzsichtig zu mir auf. Dann strahlte ihr runzliges Gesicht unter der weißen Haube freudig auf.
»Elloran, mein Liebes!« Ich beugte mich hinab und küßte sie auf ihre weiche faltige Wange. »Malima, ich wollte dir noch eine gute Nacht wünschen. Und dir für alles danken, was du für mich getan hast.« Sie lächelte mich an und umarmte mich.
»Das ist lieb von dir, mein Kind. Auch dir eine gute Nacht.« Sie tätschelte noch einmal meine Hand. Die Tür schloß sich hinter ihr, und ich hätte weinen können. Aber ich konnte ihr doch nicht sagen, daß ich fortging! Sie hätte es sofort Ellemir verraten, und damit wäre mein Plan gescheitert.
Jetzt stand mir noch ein letzter Abschied bevor, wohl der schmerzlichste von allen. Ich ging langsam durch Jemainas Kräutergarten, roch den Duft der blühenden und grünenden Pflanzen, und mein Herz war schwer. An einem frisch umgegrabenen Beet ging ich in die Hocke und grub meine Hände tief hinein. Ich nahm eine Handvoll der lockeren, weichen Erde, die von der Sonne noch warm war und sich doch gleichzeitig kühl und etwas feucht anfühlte, und hielt sie unter meine Nase. Ob ich diesen Geruch wohl jemals vergessen würde? Hinter mir lachte jemand. Ertappt ließ ich die Erde zu Boden rieseln und klopfte meine Hände ab, bevor ich mich umdrehte.
»Du hast noch Erde an der Nase«, lächelte Jemaina und wischte mir mit ihrer warmen Hand übers Gesicht. Dann sah sie mich fragend an. »Was ist mit dir, Elloran? Bedrückt dich etwas?«
Ich schluckte den Kloß hinunter, der mir im Hals saß. Jemaina nahm meinen Ellbogen und schob mich sanft, aber bestimmt zu der Bank vor ihrer Kate. Dort ließ sie mich niedersitzen und nahm neben mir Platz. Wir schwiegen eine lange, friedliche Weile. Jemaina ergriff meine Hand und streichelte sie sanft. Sie lächelte, aber ihre Augen waren traurig. Ich legte einen Arm um sie und drückte sie fest an mich. Sie legte ihren Kopf an meine Schulter, und ich fühlte, wie ein unhörbarer Seufzer ihren Körper erschütterte. So saßen wir stumm und in trübe Gedanken versunken, bis die Nachtluft kühl wurde. Jemaina schauderte und löste sich von mir.
»Komm, laß uns hineingehen«, schlug sie vor.
Drinnen brannte schon ein freundliches Feuer im Kamin. Jemaina setzte einen Kessel mit Wasser auf, um Tee zu kochen. Auch dieses Ritual würde mir schrecklich fehlen. Wäre es nicht so viel einfacher, hierzubleiben und mein Leben weiterzuleben wie bisher? Vielleicht hatte Ellemir recht. Warum sollte ich nicht den sauren Gang antreten und meinen Vater um Vergebung bitten? Oder ich wartete einfach ab, irgendwann mußte sein Groll gegen mich doch abgeklungen sein. Vor meinem Auge erschien der Blick unversöhnlichen Hasses, mit dem Morak mich bedacht hatte, als wir zuletzt miteinander sprachen. Mir wurde mit schmerzlicher Klarheit bewußt, daß mein Vater mir niemals verzeihen würde. Er haßte mich seit meiner Geburt, er haßte meine Zuneigung zu Nikal – er haßte alles, was ich war und jemals sein würde. Warum begriff ich das erst jetzt?
Jemaina stellte einen dampfenden Becher vor mich hin und reichte mir den Honigtopf. Dankbar löffelte ich etwas von der süßen, goldenen Masse in meinen Tee, pustete darüber und schlürfte dann vorsichtig einen kochendheißen Schluck.
»So, und jetzt rück raus damit«, sagte sie. »Was hast du auf dem Herzen?«
»Ich gehe fort, Jemaina. Ich reise morgen mit Tom und Akim ab, sie nehmen mich mit zur Kronenburg.«
Jemaina schwieg. Dann lächelte sie mich ermutigend an. »Das ist gut, Elloran. Du hast dir die richtigen Reisegefährten ausgesucht. Weiß deine Mutter, daß du ...«
»Nein«, fiel ich ihr ins Wort. »Nein«, wiederholte ich etwas leiser. »Niemand weiß es, du bist die einzige. Ich befürchte, sie würden mich sonst nicht fortlassen. Ich schreibe Ellemir einen Brief, das muß reichen.«
Sie nickte. »Ich werde schweigen, Elloran. Aber dir ist klar, daß Morak vor Wut zerspringen wird. Wahrscheinlich schickt er dir Soldaten hinterher, sobald er merkt, daß du ausgerissen bist.«
Das hatte ich nicht bedacht. Oder, wenn ich ehrlich war, hatte ich es nicht sehen wollen. Aber Jemaina hatte recht, das sähe Morak ähnlich. Ob er mich nun haßte oder nicht, ich war sein Sohn und sein Eigentum, und mein Vater trennte sich nie freiwillig von etwas, das ihm gehörte. Ich biß mir auf die Lippen. Ich hatte Tom versprochen, daß sie keinen Ärger bekämen, wenn sie mich mitnahmen. Jemainas Einwand ließ mich jetzt an meinem Versprechen zweifeln. Hilfesuchend sah ich sie an. Sie dachte nach. Dann stützte sie die Hände auf den Tisch und sagte entschlossen: »Ich kann dir helfen. Ich gehe morgen in der Frühe zu Hjelvor und sage ihm, du lägest krank mit Fieber im Bett. Dann hat er keinen Grund, gleich zu deinem Vater zu rennen und dein Fernbleiben zu melden. Bis meine Lüge auffliegt, bist du hoffentlich so weit fort, daß sie dich nicht mehr einholen können. Vielleicht kommt Morak dann auch gar nicht mehr auf den Gedanken, daß du mit Akim und Tom gefahren bist.« Sie wirkte sehr zufrieden, aber ich sorgte mich.
»Jemaina, Morak wird wissen, daß du ihn belogen hast. Er wird dich schrecklich bestrafen!«
»Ach was! Ich habe keine Angst vor ihm.« Nachdenklich fuhr sie fort: »Es wird ohnehin Zeit, daß auch ich fortgehe. Ich würde gerne meine Heimat wiedersehen, und wenn ich noch lange warte, werde ich zu alt sein für die weite Reise.« Sie sah mich an. »Ach, bei Denen-Die-Sind, jetzt weine doch nicht, Elloran! Es ist wirklich hohe Zeit, daß du von hier fortkommst. Sei doch froh darüber!« Sie kam um den Tisch und nahm mich in den Arm, als wäre ich noch ein kleines Kind. Sie wiegte mich sanft und murmelte: »Wir werden uns wiedersehen, Elloran. Ganz bestimmt sehen wir uns wieder.«