Tststs … der Mann hat definitiv Probleme. Nur wenige Wochen nachdem er »Absolut überhaupt nichts« geschrieben hat, geht es jetzt endgültig ans Eingemachte mit einem Artikel darüber, wie man einen Artikel schreibt … bedenklich, echt bedenklich.
Ich weiß, es riecht nach Nabelschau der übelsten Sorte, aber ich dachte, daß es Sie vielleicht interessiert zu erfahren, wie dieser Artikel geschrieben wurde. Als Kind der Kommunikationsrevolution, des Informationstechnologie-Booms und all der anderen elektronischen Explosionen, die im Lauf der letzten Jahre stattgefunden haben, kann ich diese geschmacklose auto-omphalische Reflexion rechtfertigen, indem ich Ihnen mitteile, daß dieser Artikel nicht so aufgesetzt, korrekturgelesen und an den ›Listener‹ geschickt worden wäre, wie es nun geschehen ist, wenn ich nicht die gesammelte technische Pracht zur Verfügung gehabt hätte, bei der die Leute sich immer an den Kopf fassen und behaupten, sie verabscheuten sie wie der Vegetarier ein Kalbsschnitzel.
Die eher banausischen Einzelheiten der Entstehungsbedingungen dieses Artikels sind, daß er mit Hilfe eines Textverarbeitungsprogramms getippt und mit einem Faxgerät durchs Telephon abgeliefert wurde. Interessanter ist es vielleicht, sich auf die Hilfsprogramme zu konzentrieren, die parallel zur Textverarbeitung im engeren Sinn laufen und den vielgeplagten Flottschreiber bei der fieberhaften Hektik unterstützen, den Abgabetermin einzuhalten. Lassen Sie mich etwas bei meiner »Ausrüstung« verweilen, wie man beim Militär sagen würde. Ich habe einen Klangdigitalisierer, mit dem ich in ein Mikrophon sprechen kann, so daß der Computer mich begrüßt, wenn ich ihn eingeschaltet habe. »Hallo, Stephen, guten Morgen!« kann er mit meiner Stimme sagen oder auch »Na los, Punk, make my day« mit Clint Eastwoods. Kein besonders effizientes Zubehör, außer für einen Musiker oder Radioproduzenten, aber macht es nicht viel mehr Spaß, wenn ein Affenkreischen oder eine Autohupe einen darauf hinweist, daß man sich vertippt hat, als dies monotone alte Computer»Biep«? Ich habe Dutzende von Schriftarten zur Verfügung oder »Fonts«, wie sie branchenintern heißen. Die reichen von der einfachen, aber eleganten Times Roman über Galliard, Garamond und Helvetica bis hin zu den schmuckreichen Tiffany- und Trump-Mediaeval-Fonts. Mir stehen auch Tausende von Farben zu Gebote, ich habe absolute Kontrolle über Farbsättigung und -ton, um genau die Mischung zu erhalten, die mich am meisten befriedigt. Das deckt die einfachen, primitiven Prioritäten ab, Klang und Aussehen. Sie entsprechen dem Geruch und Gefühl von Papier sowie Tintenfarbe und Federnbreite, die Schriftstellern früherer Tage so viel bedeuteten.
Zusätzlich zu Fußnoten, Inhaltsverzeichnis, automatischer Silbentrennung und – für längere Arbeiten nützlicher – Indexerstellung habe ich eine geniale Menüfunktion namens »typographische Anführungszeichen«, die sofort erkennt, ob ich An- oder Abführungszeichen brauche. In der Wendung »typographische Anführungszeichen« etwa habe ich dieselbe Taste getippt, und das schlaue Maschinchen weiß, in welche Richtung die Spitzen zeigen sollen. Genauso passen die Ligaturen »fi« und »fl« für »fi« und« fl« selbst auf sich auf (ich hoffe, der Setzer des ›Listener‹ kann die reproduzieren, sonst ist der vorige Satz für Sie sinnlos). Das sind ebenfalls primitive Anliegen, aber bei einem Laserdrucker mit 300 dpi oder dots per inch ist das Ergebnis von beeindruckender Qualität, und das läßt einen doch wieder hoffen.
Jetzt zur Überarbeitung des Textes selbst: Ich habe einen dazuschaltbaren Thesaurus, der mir, wenn ich völlig verzweifelt bin, Synonyme anbietet. Probieren wir ihn mit »verzweifelt« aus: »aussichtslos, entmutigt, gebrochen, hoffnungslos, kleinmütig, mutlos, niedergeschlagen, resigniert, ratlos, deprimiert, gedrückt und lebensmüde« werden mir unter anderem angeboten. Und von der Rechtschreibkontrolle muß ich Ihnen erzählen. Wenn ich den Text dieses Artikels, soweit er bisher gediehen ist, vom mitgelieferten Wörterbuch überprüfen lasse, bezweifelt er die folgenden Worte: omphalisch (was ich ihm nicht verdenken kann, warum sollte er so ein angeberisches Oberstufenwort kennen?), banausisch (dito), Fax, Biep, dazuschaltbar und Reflexion (wo er mir zu Recht mitteilte, das werde nicht mit »kt« geschrieben).
Also, der Artikel sieht gut aus, ist regelgerecht geschrieben und voll mit mörderisch präzisen Synonymen. Aber wie ist es um den Stil bestellt? Auch dafür gibt es Software. »MacProof: Die Macintosh-Stilkontrolle« kann meinen Text auf stilistische Schwächen hin absuchen: sexistischen, rassistischen und uneleganten Sprachgebrauch. Schlau war ihr aufgefallen, daß ich weiter oben »wenn wenn« geschrieben hatte (eine beim Tippen häufig unterlaufende Wortwiederholung, die man beim Korrekturlesen leicht übersieht). Über das Wort »und« am Satzanfang runzelte sie die Stirn und meinte, sie bevorzuge »außerdem« oder ähnliches. Sie warf mir vor, zu viele Verben in Substantive verwandelt zu haben; als allgemeinen Rat fügte sie hinzu, der Satz »Das Nachspielen von Paul Reveres Ritt durch die Geschichtswerkstatt gelang wunderschön« laute besser »Die Geschichtswerkstatt spielte Paul Reveres Ritt wunderschön nach«. Andererseits erhielt ich einen Freispruch in Sachen Sexismus und Rassismus, und mein Text wurde für frei von vagen oder übertriebenen Formulierungen befunden.
Schließlich noch zum unentbehrlichsten Mittel von allen: der Wortzählung. Ich erfahre, bislang 867 Wörter getippt zu haben. Das ist zuviel: Da muß ich noch mal drübergehen und streichen. Ich darf 830, höchstens 850 abliefern.
So, auch das wäre geschafft. Ein frischer, eleganter, klarer und strammer Artikel, jetzt auf exakt 828 Wörter gekürzt. Trotzdem ziemlich langweilig, oder?[1]