Ungefähr in der Mitte des letzten Jahrzehnts, als Peter Yorks Wendung »Sloane Ranger« die Massen noch in ihren Bann schlug, war das Auto, in dem man gesehen werden wollte, ein Golf GTI. Ich weiß noch, wie ein Freund von mir, ein absoluter Sloane Ranger, einen vor seinem Haus parken sah. Seine eigene Cabrioversion hatte er in dem Augenblick verkauft, in dem er festgestellt hatte, daß sie in Mode kamen, so läuft das Spiel für diese Typen nun mal. Verächtlich betrachtete er das Gefährt, das da seine herbstliche Brompton Avenue verstopfte, und sagte: »Ich verabscheue diese verdammten Dinger. Sind wie Hämorrhoiden.« – »Hämorrhoiden?« erkundigte ich mich. »Ja«, sagte er. »Früher oder später kriegt die jedes Arschloch.«
Nicht der beste Witz der Welt und mit fast absoluter Sicherheit nicht von ihm. Gleichwohl kam ich durch seine Bemerkung ins Grübeln, denn ich selbst hatte in jener Woche meinen ersten Hämorrhoidenanfall erlitten, und sie gingen mir sehr im Kopf herum, na ja, hauptsächlich beschäftigten sie natürlich andere Regionen meiner exquisit proportionierten Anatomie, aber Sie wissen schon, was ich meine. Mit jener absolut wahrscheinlichen und vorhersagbaren Synchronizität, die Arthur Koestler dazu brachte, seine Zeit mit der Entwicklung einer Theorie des Zufalls zu verschwenden, veranstaltete mein Agent vierzehn Tage später eine Party in Essex. Er war ein wunderbarer Mann, inzwischen zu seinem Schöpfer heimgegangen, muß ich bedauerlicherweise hinzufügen, aber so ziemlich der letzte seiner Art. Ich erinnere mich an sein Zigarrepaffen, den Bentley und die Krawatte des ehemaligen Eton-Zöglings, der zudem wie eine verdrießliche Eule wirkte, die sich gerade die Federn geputzt hat und jetzt nichts damit anzufangen weiß. In seinen letzten Jahren bestand seine fixe Idee darin, die Leute zum Thema Hämorrhoiden zu löchern. Der Abend, an den ich gerade denke, war eine ziemlich formelle Angelegenheit, vielleicht war’s der Sankt-Vedasts-Tag, das Essen hatte jedenfalls damit geendet, daß die Damen die Tafel verließen und die Herren sich um den Gastgeber scharten und krampfhaft an die Etikette des Portweintrinkens zu erinnern versuchten.
Kaum hatte das letzte weibliche Wesen den Raum verlassen, klopfte dieser herrliche Mann mit der Karaffe auf die Tischplatte und sagte: »Also. Wer von Ihnen ist bereits in den Genuß meiner Hämorrhoidenkonversation gekommen?« Das dieser ungewöhnlichen Frage folgende verwirrte Schweigen verriet, daß diese erhebende Erfahrung uns allen noch bevorstand. Die nächsten Stunden (erst zum Abschluß gebracht, als die Gastgeberin auf der anderen Seite der Tür zum siebzehnten Mal laut gehustet hatte) ergingen wir uns also in der Hämorrhoidenkonversation, deren Transkription sich einzig für eine der Proktologie ergebene Fachzeitschrift oder das Juxblatt eines Medizinstudenten eignet.
Der springende Punkt, das hüpfende Komma, der Refrain, Grundgedanke oder Tenor dieser Konversation war, daß alle Männer an Hämorrhoiden leiden, die Wahrheit also, auf der der Golf-GTI-Witz beruhte. Zumindest litten die rund zehn im Raum versammelten Männer chronisch daran. Durch die tapfere Einleitungsbeichte unseres Gastgebers befreit und befeuert von einem exzellenten Portjahrgang, purzelten uns die Berichte nur so aus dem Mund. Welch bewegte Karrieren unsere Gesäße doch alle durchgemacht hatten! Periproktische Abszesse und Hämatome ebenso wie die gemeine Hämorrhoide. Für mich war es die Wandlung vom Saulus zum Paulus auf der Straße nach Damaskus; es fiel mir alsbald wie Schuppen von den Augen.
Das Wissen, daß man nicht allein ist, ist unbezahlbar. Die Dichter erzählen uns, daß wir nicht allein sind, wenn unser Ehrgeiz frustriert oder unsere Liebe nicht erwidert wird oder wenn im Frühjahr die beste Designerkollektion von Mutter Natur uns die Sprache verschlägt, aber nur wenige Lyriker haben verstanden, daß wir auch in unseren eher banausischen Launen des Trosts bedürfen. Der große Wissenschaftler Haldane schrieb zwar tatsächlich einmal ein prima Gedicht über Rektalkarzinome, aber die sind ja eher selten. Auf der Toilette des Landsitzes (na bitte) des Earls von Leicester in Norfolk stand angeblich ein Graffito, das Byron zugeschrieben wurde.
O Cloacina, Göttin diesem Ort,
Hör unser Flehen gnädig immerfort.
Laß weich und stetig sein der Gaben Art.
Weder dünn und rasch noch gramvoll hart.
Byron war der einzige, glaube ich, der Verstopfung als gramvoll beschreiben konnte. Aber man müßte wohl bis zu den Epigrammatikern der Anthologia Graeca zurückgehen, um vergleichbaren Dichtertrost zu finden.
Unaufhörlich erzählt man uns oder erzählen wir uns selbst, daß wir auf Toilettenangelegenheiten fixiert sind. Das möchte ich bezweifeln. Wir glauben, daß wir diesen Politiker oder jenen Finanzmagnaten seiner Macht über uns berauben, wenn wir ihn uns auf der Toilette sitzend vorstellen. Aber das enthüllt doch eher ein Schamgefühl als eine Fixierung.
Im Versuch, unserer Gesellschaft ihre fundamentale Prüderie zu nehmen, möchte ich alle von Ihnen mit ungesunden Hinterteilen bitten, diese beim Essen öffentlich zu machen. Sie werden der Nation einen großen Dienst erweisen. In weniger als einem Jahr werden alle möglichen Zustände von Männern und Frauen um wenigstens ein Gebiet schmerzhafter Peinlichkeit ärmer sein. Die Verstopfung im ungehemmten Gespräch kann uns von diesem und all unseren Übeln reinigen.
Reich mir das Lochkissen, Alice.