Meine Damen und Herren, ich war dort. Im Herzen des Ganzen. Es war einfach einzigartig. Aber fangen wir vorn an.
Ich weiß nicht, ob es einen Gattungsbegriff für eine Gruppe britischer Schauspieler gibt; ein Gehabe Schauspieler, ein Gezwitscher Schauspieler, was auch immer. Egal, wie der genaue Begriff auch lauten mag – vielleicht einfach ein Gemenge –, letzte Woche war ich Teil einer solchen Versammlung in Amerika. Dort gibt es eine eindrucksvolle Institution namens Masterpiece Theatre. Sie dürfen diese für Amerika ungewöhnliche Schreibung durchaus als Hinweis auf den sehr britischen Blickwinkel dieses Programms ansehen. Das ist eine Fernsehsendung, die jeden Sonntagabend um neun im öffentlichen, nichtkommerziellen Netzwerk PBS gesendet wird. Sie strahlt nichts anderes als britische Filme und Fernsehserien aus, zum Beispiel The Jewel in the Crown, Tom Brown’s Schooldays, Bleak House, I, Claudius, Edward and Mrs Simpson sowie, unter Amerikanern vielleicht am berühmtesten, Upstairs, Downstairs.
Das Masterpiece Theatre wurde letzte Woche zwanzig Jahre alt, und zur Feier dieses Jubiläums hat der verantwortliche Sender WGBH Boston mit Unterstützung seines langjährigen Sponsors Mobil Oil ein Geheul Schauspieler einfliegen lassen, die mit der Sendung zu tun haben. Hugh Laurie und ich wurden als Repräsentanten von Jeeves and Wooster eingeladen, das als letztes »einen Sendeplatz bekam«, wie Fernsehfritzen das nennen. Mit uns kam eine große Menge Mitkreischer: Diana Riggs, Sîan Philips, Keith Michell, Ian Richardson (dessen wunderbarer Francis Urqhart in House of Cards denen da drüben unmittelbar bevorsteht), Jeremy Brett, Geraldine James, Simon Williams, John Hurt … die Crème de la crème, in deren Gesellschaft Hugh und ich uns kaum blicken lassen durften.
Die Geburtstagsfeier fand in zwei Städten statt; zunächst gab es eine Pressekonferenz und ein Abendessen in Los Angeles, samt einer Rede des Menschen, der in den Augen der Amerikaner der Inbegriff des Masterpiece Theatre ist, Alistair Cooke. Der Erzeuger der Serie, ein in Amerika lebender britischer Produzent namens Christopher Sarson, war an Cooke herangetreten und hatte ihn gebeten, vor jeder Sendung eine kurze Einleitung zu geben, in der der Kontext, ungewöhnliche Anspielungen und so weiter erklärt werden sollten. Der eigentliche Grund dafür war, soweit ich weiß, daß viele dieser Sendungen aus dem britischen ITV-Programm stammten und ohne Werbespots nicht die volle Sendezeit erreichten. Alistair Cooke füllte diese Werbeblöcke wieder auf und brachte jede Show auf eine volle Stunde. Der Anblick von Mr Cooke, der in einem großen grünen Ohrensessel »Guten Abend. Willkommen im Masterpiece Theatre« sagte, wurde im amerikanischen Fernsehen ein so vertrautes Bild wie Richard Nixons schweißnasse Oberlippe oder die Waltons, die sich gute Nacht wünschen.
Dieses Essen in Los Angeles verlief sehr angenehm, besonders weil am Ende von Mitgliedern der Satiregruppe Forbidden Broadway noch eine hervorragende Show aufgeführt wurde, die extra zu diesem Anlaß geschrieben worden war. Das zweite Essen war in Washington, D. C., und da wurde es richtig aufregend.
Das Essen fand im Außenministerium statt, an jenem Abend, an dem das UN-Ultimatum an Saddam Hussein ablief. Der Saal war gerappelt voll mit noblen Moderatorinnen aus Washington, Botschaftern, hohen Tieren von Heer und Marine und politischen Kommentatoren. Bei Hugh Laurie und mir am Tisch saß Ben Bradlee, Herausgeber der ›Washington Post‹, der Mann, der mit Woodward und Bernstein zusammen die Watergate-Affaire durchstand und den Jason Robards in dem Film Die Unbestechlichen so fabelhaft gespielt hat. Ich saß neben seiner Frau, besser bekannt unter dem Namen Sally Quinn, ein ehemaliger Eckpfeiler der TV-Unterhaltung. Hugh saß auf der anderen Seite von Mrs Bradlee und neben einem Mädchen namens Doro, der Kurzform von Dorothy. Hugh erzählte dieser charmanten Frau, wie wir unseren Tag in Washington verbracht hatten. Wir waren die Pennsylvania Avenue in voller Länge hinabgelaufen, vorbei am für Besucher leider geschlossenen und von Demonstranten belagerten Weißen Haus, weiter zum Capitol, wo wir uns Eintrittskarten kauften, um eine Senatsdebatte zu verfolgen, die sich naturgemäß aus Senator Robert Dole zusammensetzte, der allein mit dem Parlamentspräsidenten und einem Protokollanten über die Sozialversicherung sprach. Der Fairness halber muß man sagen, daß ein Durchschnittstag im House of Commons auch nicht aufregender ist, aber wir waren doch etwas enttäuscht. Doro schlug vor, Hugh und mich am nächsten Morgen vom Hotel abzuholen und uns privat durchs Weiße Haus zu führen. Das fanden wir zwar sehr nett, brachten jedoch höflich eine gewisse Skepsis zum Ausdruck.
»Ich glaube kaum, daß es da Probleme gibt«, versicherte sie uns. »Wissen Sie, der Präsident der Vereinigten Staaten ist mein Vater.«
Doro stand zu ihrem Wort und holte uns in Gesellschaft eines Geheimagenten, der aussah, als käme er direkt vom Besetzungsagenten, komplett mit Ohrstöpsel und Burberrymantel, vom Hotel ab, und wir jagten, begleitet von regem Funkverkehr zwischen unserem Wagen und den Wachmannschaften am Weißen Haus, zur Pennsylvania Avenue 1600.
Doro und ein Mädchen vom Weißen Haus namens Lydia veranstalteten eine Führung mit uns, die auch die Küche und die Blumenräume nicht ausließ. Einmal kamen wir an dem großen Photo eines Paars vor einem Weihnachtsbaum vorbei. »Die beiden nettesten Menschen der Welt«, sagte Doro. Es waren ihre Eltern, und sie meinte es ernst.
Auf dem Rückweg kamen wir am Oval Office vorbei. Ich schwöre Ihnen, ich habe auf keinen einzigen Knopf gedrückt. Jedenfalls bin ich mir fast sicher. Sollte ich’s doch getan haben und dieser ganze Flächenbrand meine Schuld sein, dann tut es mir wirklich furchtbar leid.
Die Vorhänge des Oval Office waren geschlossen. Man konnte förmlich riechen, wie heftig die dahinter ablaufenden Diskussionen zwischen den Raubvogelgesichtern waren, die dem Vater dieses Mädchens dabei halfen, zu einer Entscheidung zu gelangen, die Tausende von Flugzeugen und Soldaten in Marsch setzen und die Weltgeschichte verändern würde. »Sollen wir kurz winken?« fragte Doro. »Er wird zu tun haben«, sagten wir. Und wirklich stellte sich heraus, daß genau in diesem Augenblick der Angriffsbefehl zu seiner Unterzeichnung vorbereitet wurde. Wir winkten trotzdem und gingen weiter.
Beim Nachhauseflug lud der Pilot der Concorde, Captain Riley, Hugh und mich ins Cockpit ein, um beim Start und bei der Landung dabeizusein.
Ist doch schön, wenn man Freunde ganz oben hat.