Programmhinweis

 

Das Folgende wurde für eine Inszenierung von Latein! am New End Theatre in Hampstead geschrieben, die Richard Jackson, ein guter Freund des Stückes, 1989 vorbereitet hatte (zusammen mit Fräulein Julie … auf dem Programmheft stand in fetten Lettern »Doppelvorstellung: Strindberg und Fry«, was ich einfach köstlich fand).

 

Jetzt sucht Latein! mich wieder heim. Es ist wirklich hart für einen Mann, der in der Welt vorankommen möchte, sich den Respekt von seinesgleichen zu erwerben trachtet, die Zuneigung seiner Freunde und das Bargeld seiner Kunden, wenn er plötzlich mit den Taten seiner heißen Jugend konfrontiert wird. Man begegnet gleichsam seinem vergangenen Selbst. Ich versuche den Eindruck zu erwecken, das Stück wäre das frühreifste Juvenilium, das die Welt je gesehen hat: In Wirklichkeit habe ich Latein! mit zweiundzwanzig geschrieben und hätte es, wie Sie denken mögen, vielleicht besser wissen sollen.

In Cambridge hatte ich zwei Freunde, Caroline Oulton und Mark McCrum, die ein neues Theater gründen wollten, oder eher einen »Platz«, wie wir das in jenen Tagen seltsamerweise nannten. Dabei handelte es sich um einen L-förmigen Raum, der »Spielzimmer« genannt werden sollte, neue Stücke waren gefragt, und, angestiftet von diesen beiden studierenden Impresarios, wurde während der langen Trimesterferien 1980 Latein! oder Tabak und Knaben geschrieben, um ihm seinen vollen, marlowesken Namen zu geben.

Komischerweise kümmerte mich der Stoff des Stückes am allerwenigsten. Ich war lange vorher zu der Ansicht gelangt, daß es einen gewissen Reiz haben könne, in der ersten Szene eines Stücks das Publikum so anzusprechen, als bestünde es aus fiktionalen Figuren, und dann durch eine bloße Veränderung der Beleuchtung plötzlich die vierte Wand theatralischer Distanz vor ihm aufzubauen – ein blitzschneller Wechsel vom Teilnehmer zum Zuschauer. Bei der Wahl des Themas einer englischen Prep School hatte ich das Grundprinzip aller Romanciers und algebraischen Aufgabenlöser befolgt: »Schreib hin, was du weißt.« Mit Prep Schools kannte ich mich aus. Mit sieben Jahren war ich auf eine solche, inzwischen leider geschlossene Institution geschickt worden, und später, in dem Jahr vor Beginn meines Studiums, hatte ich an einer anderen unterrichtet.

Keinesfalls sollten Sie heute abend mit dem Eindruck aus dem Theater laufen, Chartham School, der locus von Latein!, »spiegle« in irgendeiner Hinsicht diese beiden respektablen und unheimlichen Institutionen. Nichts dergleichen. Latein! zu schreiben war vielmehr ein Experiment, mit den Techniken des Theaters und der Komödie, in Kombination mit dem nicht nur skandalösen Bestreben des Studenten, zu schockieren. Tod, Homosexualität, Inzest, Sadismus und Thatcherismus hatte man allesamt jahrelang stolz auf der Bühne vorgeführt, und die Sinne des Theaterpublikums waren ziemlich abgestumpft für die Schrecken, die diese Themen hervorrufen konnten. Päderastie hingegen, hoffte ich, würde noch ein paar Ganglien zum Erzittern bringen.

Sollten Sie in Erwägung ziehen, den sorgfältig gewobenen Subtext des Stückes in einem Essay über Kunst oder Theater für Ihren Gemeindeanzeiger zu analysieren, so könnten Sie beispielsweise den Namen Dominic auf das lateinische dominus (oder schottisch dominie) zurückführen, und beachten Sie auch den anagrammatischen Zusammenhang von Rupert und lateinisch puer, von dem wir – und keineswegs zufällig, wie Sie mir zustimmen werden – unser »pueril« herleiten. Auch fällt Ihnen vielleicht auf, daß Rupert die Initialen »R. C.« hat und daß ausgerechnet ein Dominikaner in der zweiten Hälfte des Stückes Dominics Betrug auf die Schliche kommt.

Vielleicht kommt es in unseren hysterischen Zeitläuften gerade recht, daß das Stück augenscheinlich die Sache des Islam verficht, ebenso wie die einiger aufsehenerregender Praktiken, die in muslimischen Ländern noch gang und gäbe sind. Von solchen Dingen verstehe ich nichts. Ich weiß bloß, daß ich mich königlich amüsiert habe, als ich das Stück geschrieben und in Cambridge und Edinburgh darin aufgetreten bin: Ihnen wünsche ich heute abend ein Viertel dieses Vergnügens. Valete.

Paperweight: Literarische Snacks
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