Als exzessiver und passionierter Rundfunkhörer war ich sehr erstaunt, als ich erfuhr, daß gewisse Leute die braven Angestellten der British Broadcasting Corporation belästigt und von ihnen gefordert haben, in jener ältesten aller Klangarenen Any Questions vernommen werden zu dürfen. Kennen Sie schon die ganze Geschichte?
Im Home Service gibt es ein entsetzliches Programm namens AusKotz oder Feedback oder JaulRunde oder irgend so einen Abschaum. Das ist eine dieser monströsen Ideen, die nur den tropfsteinhohlen Weichbirnen von nachhaltig Gestörten oder den Zöglingen Oxfords entspringen können. Es existiert offensichtlich einzig und allein für jene gewissenlosen Mitglieder unserer Gesellschaft, die da fordern, der Hörfunk habe eine Art vornehme Klause zu sein, die von Sprache, Idiom und Vitalität der wirklichen Welt niemals beeinflußt werden dürfe. Diese armen, geplagten Kreaturen verbringen ihre Zeit mit an den Lautsprecher gepreßtem Ohr und zählen, wie oft das Wort Arschloch auftaucht. Wenn ich sehr viel Geld hätte, würde ich definitiv ein Krankenhaus für jene stiften, deren Realitätssinn so verkrüppelt ist, daß sie ernsthaft an Worten und Wendungen Anstoß nehmen, aber von all der Ungerechtigkeit, Gewalt und Unterdrückung, die uns tagtäglich um die Ohren sausen, völlig unberührt bleiben. Ich kann jedem wahren Radioliebhaber nur einen einzigen Rat geben: Schreiben Sie jedes Mal einen Brief, wenn Sie ein Hörspiel oder eine Witzsendung hören, wo sprachliche Kompromisse eingegangen werden. Wie kann ich mir ein Stück anhören, das ein Abbild des wirklichen Lebens liefern will, wenn die Sprecher die ganze Zeit nur »zum Kuckuck« und »verflixt« sagen? Das ist eine groteske Beleidigung der Freiheit der Kunst. Solange man nicht auf Sie hört, tragen die behämmerten Lallbacken den Sieg davon. Aber das ist alles nicht so wichtig.
Feedback läuft im 4. Programm, ist also naturgemäß eine Art Refugium für die Geistesschwachen – glauben Sie nicht, ich schnappte hier nach den Händen, die mich füttern, ich weiß zufällig, daß das kleine, aber charmante Auditorium meiner kleinen Hörfunkstunden sich nur aus den Umsichtigen und Weisen zusammensetzt. Ich bin mir bewußt, daß keiner von Ihnen je geschrieben und sich über die Wendung »verdammter Scheißkerl« beschwert hat, Sie sind ja nicht gestört. Der größte Teil des Feedback-Publikums jedoch ist gestört. Kuschelweich unter der Mütze. Tassenlos im Schrank. Stellen Sie sich also die Länge, Breite, Tiefe und Höhe meiner Fassungslosigkeit vor, als ich erfuhr, daß man aus diesem Publikum einen Pool oder eine Quelle oder ein Reservoir potentieller Gäste für Any Questions auswählen will. Zweihundert der vollendetsten Knalltüten Britanniens haben sich um den Posten des Otto Normalverbrauchers in der Runde beworben.
Für dieses barbarische Konzept haben wir irgendeiner irregeleiteten Seele zu danken, die einsam und verlassen durch die Finsternis der Unzurechnungsfähigkeit stolpert und die Feedback einen Brief geschrieben hat, in dem sie sich darüber beklagt, daß die Politiker, Schriftsteller und Finanzpiraten, aus denen sich die Runde in der Regel zusammensetzt, für die weite Welt nicht repräsentativ seien. »Wir wollen die Stimmen gewöhnlicher Menschen hören«, ist die Losung. Mich würde wirklich interessieren, wie man gewöhnlicher sein kann als Peter Marsh, Gerald Kaufman und Edwina Currie oder anderes grausiges Naschwerk. Wie dem auch sei, der Antrag ist angenommen worden, und bald werden in der Sendung gewisse Leute zu hören sein.
Any Questions ist eine dieser Einrichtungen, die dafür entworfen wurden, im ganzen Königreich Zorn zu erregen und das Infarktrisiko zu steigern. Wenn Sie jemanden mit dunkelrot verfärbtem Gesicht sehen, der vor einem Rundfunkgerät schreit und gestikuliert, dann ist es sehr wahrscheinlich, daß er gerade von Any Questions malträtiert wird. Es ist erstaunlich, wie gewandt man sich ausdrücken kann, wenn man allein ist und sich über ein Radio aufregt. Argumente und Gegenargumente, Rhetorik und Schwulst fließen einem über die Lippen wie Schuppen vom Haar eines Bankmanagers. Aber in ihrer Weisheit hält die BBC ein Gegengift bereit. Any Answers. Es erbringt den Beweis, daß die Meinungen der radiohörenden Öffentlichkeit noch wertloser sind als selbst die Ansichten eines Politikers. An dieser Sendung beteiligt man sich, wenn man die intelligenten Familienmitglieder in Verlegenheit bringen möchte, indem man Angelegenheiten diskutiert, die man kaum versteht, Ruhe und Ordnung und Moral etwa. An Any Answers wendet man sich, wenn man all seine Vorurteile und seinen Haß loswerden möchte. Künftigen Generationen wird Any Answers als ein wichtiges Dokument dienen, wenn sie den Verfall von Bildung, Höflichkeit und Feingefühl untersuchen werden, der das 20. Jahrhundert am Ende in einen Abgrund von selbstsüchtigem Individualismus und schlechtnachbarlicher Aggression riß. Aber Any Questions erfüllt schon jetzt eine wichtige Funktion.
Meine Lieben, wir leben doch in einer Art Demokratie, oder nicht? Die Demokratie ist ein Mittel, mit dessen Hilfe wir die Verachtung unseres Mitmenschen in lebhaften Haß auf den von ihm gewählten Vertreter verwandeln. Aus Höflichkeit nehmen Frauen und Männer Einladungen zu Auftritten bei Any Questions an, um den Haß zu absorbieren, der sich anderenfalls auf den Straßen austoben würde. Wir wissen, wer diese Menschen sind, und wir bezahlen sie gut für ihre Opferbereitschaft. Sie stehen stellvertretend für die extremen Ansichten, die unser Land in den Ruin treiben. Sollten wir es wagen, diese Seelchen durch normale Menschen zu ersetzen, graut mir vor den möglichen Folgen. Ich weiß, wenn ich mit meinem Wolseley durch Cambridge führe und zufällig mitbekäme, wie ein Anwalt oder eine Hausfrau über die Moral unseres Gemeinwesens oder die Kleinfamilie spräche, würde ich wahrscheinlich stracks auf den Bürgersteig zuhalten und auf der Stelle ein Dutzend Kleinfamilien massakrieren.
Nein, nein, es ist zu gefährlich. Sollen die Irren weiterhin ihre Briefe schreiben, und sollen die Personen des öffentlichen Lebens weiterhin das große Wort führen. Ich muß jetzt wieder an London übergeben und Sie mit diesem öffentlichen Irren allein lassen. Bitte, Nedwin.