Krischan Schoeninger: Nachts sind alle Katzen geil
Auf dem Dach eines Altberliner Hauses spazierte ein Kater von Schornstein zu Schornstein und jammerte seine sexuelle Frustration in den nächtlichen Himmel. Der Mond ließ sich davon nicht beeindrucken und tastete stattdessen mit seinen Strahlen die bröcklige Fassade des Wohnhauses ab.Er lugte in die stets ungelüftete Wohnung von Frau Gemke aus der ersten Etage, einer Rentnerin, die allabendlich ein Kreuzworträtsel löste, eine Packung filterloser Zigaretten rauchte und eine Flasche Weinbrand Gold leerte.
Ihr Nachbar war ein unscheinbares Männchen, der sein einziges unverwechselbares Markenzeichen – eine waschechte Jyl-Brunner-Glatze – unter einem viel zu kleinen Toupet versteckte. Für einen kurzen Augenblick funkelten die Kunststoffhaare geheimnisvoll auf, dann kletterte der Mond eine Etage höher.
Dort starrte er hypnotisiert auf den großen Busen von Martina Matuschewski, einer unbekümmerten Grazie Ende zwanzig, welche sich anschickte, ihren Nachbarn und regelmäßigen Feierabend-Lover Hans Hagen zu empfangen. Doch auch eine andere Person wurde von diesem schwergewichtigen Paar weiblicher Pracht magisch angezogen. Es war Sascha Tiedemann aus dem dritten Stockwerk genau über ihr. Sein Blick verkrallte sich regelmäßig im Ausschnitt ihrer stets zu knappen T-Shirts, wenn beide sich im Treppenhaus begegneten.
Auf dem Klingelschild neben Sascha Tiedemann, und damit über seinem erfolgreichen Konkurrenten Hans Hagen, logierte bis vor kurzem die Kleinfamilie Kleinschmidt. Über der nunmehr verlassenen Wohnung und Tiedemann thronte nur das Dach mit sechs Schornsteinen und eben jenem Kater auf Brautschau, der dieses Areal als sein Revier betrachtete.
Sascha Tiedemann lag mit einem gebrochenen Bein in seinem Bett und verfluchte stündlich den kleinen Badeunfall vor gut zwei Wochen. Er wurde von einem periodisch auftretenden Juckreiz unter dem Gips gequält und konnte fast zusehen, wie seine Muskeln schwanden. In anderer Hinsicht stellte sein Körper dafür Bestmarken auf. Sein Gehör verzeichnete täglich Quantensprünge im Erkennen selbst weit entfernter Geräusche, und Martina Matuschewskis rumpelnde Waschmaschine im Schleudergang nebst ihres aktiven Liebesleben stellten sein ganz privates Hörspielerlebnis dar.
»Ding Dong«, hallte es durch den Treppenflur.
»Hey«, konnte er Hans Hagen sagen hören.
»Hallo mein süßer Racker«, flötete Martina zurück und Sascha Tiedemann glaubte das Schnippen eines Büstenhalterträgers auf die nackte Haut zu hören. Er verdrehte angewidert die Augen und bekam eine leichte Erektion.
Er spürte beinahe körperlich, wie sich eine sportliche Hand in Martinas Dekolleté schob und ein bißchen an ihren Brustwarzen spielte.
Ein ›Ping‹ drang an das Ohr des Bettlägerigen und riß ihn aus seinen Phantasien. Die Identifizierung der Sektmarke erwies sich jedoch eindeutig als zu schwierig.
Was nun folgte, kannte Sascha Tiedemann nur zu genau. Es handelte sich um ein Ritual, welches er seit vierzehn Tagen fast lippensynchron nachsprechen konnte.
Hans Hagen: »Rrrrrrrrrrrr … was haben wir denn da versteckt …«
Martina Matuschewski: »Was glaubst du denn? …. ähmmmhhmh …«
Hans Hagen: »Hohoho … Aber Hallo …«
Martina Matuschewski: »Na … Und … Mehr? …«
Hans Hagen: »Brrrrrrrrhuhu … Brrrrrrhuhu«
Martina Matuschewski: »Hahahahahahahohihihihhhi«
Hans Hagen: »Da hat sich ja wer ganz schön versteckt.«
Martina Matuschewski: »Wer sucht, der findet! Mein süßer kleiner Pfadfinder«
Hans Hagen: »Was heißt hier klein. Der kann auch anders«
Martina Matuschewski: »Nun geben Sie mal nicht so an junger Mann. Finger weg. Sie Wüstling Sie … aaaaahhmmm«
Hans Hagen: »Ich werd Dich verwüsten, meine Wüstenfee …«
Sascha Tiedemann stöhnte auf und dachte ›Ich kann gar nicht soviel wixen, wie ich kotzen müßte.‹
Martina Matuschewski: »Oooooooh, was haben wir denn da?«
Hans Hagen: »Gestatten, meine Dame, darf ich vorstellen: Lancelot.«
Martina Matuschewski: »Das ist doch eher ein Schwert das in seine Scheide will, als eine Lanze.«
Hans Hagen: »Mmmmmmmooooohhaaaaaa …. Das ist aber keine Scheiheiheideee«
Martina Matuschewski: »Gööööföööööltöösdöörnööööscht«
Hans Hagen: »Doch … doch … weiter … weiter … uuuaaaahhaaa …«
Martina Matuschewski: »Warte«
Hans Hagen: »Was ist los?«
Martina Matuschewski: »Ein Haar«
Hans Hagen: »Wie gut, daß ich Dir gestern meinen Rasierer geliehen habe. Das kann mir dann nicht passieren … hihi …«
Sascha Tiedemann fummelte an seiner Vorhaut rum und flüsterte »Du Schwein, du alte Drecksau!« und stellte sich Martina beim Rasieren in der Badewanne vor.
Martina Matuschewski: »Hüte deine Zunge, Fremder«
Hans Hagen: »Mmmmm … mmmmh … köstlich …«
Martina Matuschewski: »Hahha uuui hhaahhaa.«
Hans Hagen: »lelelelelelelelelele«
Martina Matuschewski: »Mehr uuih hahah hör nicht auf«
Hans Hagen: »Mähmmähmmmmm«
Martina Matuschewski: »Hahahahahahahahahahahaha.«
Hans Hagen: »Gefällts Dir auch da?«
Martina Matuschewski: »Der Herr ist ein ausgemachtes Ferkel. Uuuuchaahiiii. Es kitzelt ein bisschen.«
Hans Hagen: »Mmmmmrnmhua … und jetzt kommen wir zum Besten.«
Martina Matuschewski: »Wo …was … wie.. aaaaaahhhhh … das ist noch besser … na wo bleibt er denn …«
Hans Hagen: »Warte … warte, verdammt es muß … das kann doch nicht sein …«
Martina Matuschewski: »Da muß ich wohl beim Einparken helfen … na sowas aber auch … hihihi«
Hans Hagen: »Oohh lala.. Na siehst du, wäre doch gelacht gewesen …«
Martina Matuschewski: »Haaaaaaaaa«
Hans Hagen: »Mmmmmmmmmmmmh«
Martina Matuschewski: »Hahaahhahhauahhh«
Hans Hagen: »Mmmh.. Mmmmh … Mmmh …«
Martina Matuschewski: »Fester jaaah …«
Hans Hagen: »Duuuu haaaaa … kriiiiiegst eeeees haaaaa … feeeeeester hahahah …«
Martina Matuschewski: »Weiter … Uuuh … ja … so … mehr..gut … nehmmnmn …«
Hans Hagen: »Aaah bist Du eeeeeein geeeeiles mmmh … aaaah … Luhuhuder … aaaaaah …«
Aus Sascha Tiedemanns Glied rann ein Lusttröpfen und er hörte, wie sich zum dem Stöhnen das Geräusch eines quietschenden Bettgestells gesellte.
Martina Matuschewski: »Huhuhiiiaaaaaa …«
Hans Hagen: »Höhöhohohoaaah.«
Bettgestell: »Hiii häää hiii häää hiii häää«
Martina Matuschewski: »Mmm Mmmh Mmmmh.«
Hans Hagen: Hooo Hooo Hooo.
Bettgestell: »Hiii häää hiii häää hiii häää«
Martina Matuschewski: »Duuu geiiiiiileeeer Booooock, tiiiiefeeer …«
Hans Hagen: »Haaaahaaaahaaa«
Bettgestell: »Hiii häää hiii häää hiii häää«
Martina Matuschewski: »Uuuuuauuuuauuahhhh«
Hans Hagen: »Mmmamamamö oho graaahhhh«
Bettgestell: »Hii hää hii hää hii hää«
Frau Gemke begann, mit ihrem Besenstiel an die Decke zu klopfen.
Martina Matuschewski: »Nnnnnninnähmm hähähahu«
Hans Hagen: »Boooah Boooah hruahä«
Bettgestell: »Hii hää hii hää hii hää«
Besenstiel: »Poch Poch Poch«
Martina Matuschewski: »Hä … Hä … Hä … Häh«
Hans Hagen: »Haauuuh haaauuuuhhh«
Bettgestell: »Hii hää hii hää hii hää«
Besenstiel: »Poch Poch Poch Poch«
Martina Matuschewski: »Lllieäh.. llliehä ….Aaaaarggh..«
Hans Hagen: »Huh Huh Huh Huh Huh«
Bettgestell: »Hi hä hi hä hi hä«
Besenstiel: »Poch Poch Poch«
Martina Matuschewski: »Uuuuuiääää Uuuuiääää«
Hans Hagen: »Mmmmmääääämmmää«
Bettgestell: »Hi hä hi hä hi hä«
Besenstiel: »PoPoPoPoPoch«
Martina Matuschewski: »Jajahahahiiiiiihöööö«
Hans Hagen: »Mmnmnmamahähooo«
Bettgestell: »Hi hä hi hä hi hä«
Besenstiel: »PoPoPoPoPoPoPoPoPoch«
Martina Matuschewski: »Jaaaaaaaaaahaaaaaaahaaaaaahaaaaa hiiiiioooooaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa aaaaaaaaaaaaamrnrrmvmrnmmmmm mmmmmmmmmmmmmmrnmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm mmm …«
Hans Hagen: »Huuuuuuuuuhäääääääääääääääääää ääää Buuuuuuuuuuuuu Bähhaaahääääiiiiiiiiiuu hähuhähuhäaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa aaaaa aaaaa …«
Martina Matuschewski: »mmmmmmmmmmmmmmmmmm mmmmmmmmmmmmmmmmmmm nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn aaaa … aaaah … aaah … aah … ah … a … a … a … ha …«
Hans Hagen: »Hoh Hoh Hoh Hohhhhhh. Hoho.«
Auch Sascha Tiedemann war jetzt kurz zu hören: »Bröööööööööööööööööööööö Ääääääääääääääääääääääääääää aaaaaaaaaaaaaaaaaaa Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa …«
Hans Hagen: »Pinkelt der Eiswürfel, oder warum schreit der wie eine abgestochene Wildsau?«
Martina Matuschewski: »Na du weißt doch. jeder wixt anders! Huuh, jetzt fängst bei mir an zu laufen …«
Martina Matuschewski eilte in die Küche und suchte nach den Haushaltstüchern.
Hans Hagen drehte sich auf den Rücken, trank etwas abgestandenen Sekt und rülpste leise.
Sascha Tiedemann überlegte, wo er den Schmadder auf seiner rechten Hand hinwischen sollte und fingerte mit der Linken nach einer Zigarette. Da ihm sein Bettzeug zu schade, und die Taschentücher alle waren, schlürfte er den Glibber genervt, aber konsequent ab.
Auf dem Dach stieg ein nunmehr zufrieden schnurrender Kater von einer schwarz-weiß gefleckten Katzendame herunter, leckte sich genüßlich das Fell und dachte aus der weltmännischen Distanz des Siegers: »Nachts sind alle Katzen geil!«