Blick in den Spiegel

Ich habe einen Fehler gemacht, und ich habe gewusst, dass es so weit kommen würde. In den Augenblicken, in denen ich im Stande war, meinen Zorn einen Moment lang loszulassen, wusste ich bereits seit einiger Zeit, dass meine Taten an Leichtsinn grenzten und dass ich hier draußen auf den Berghängen mein Ende finden würde.

Ist es das, was ich mir die ganze Zeit gewünscht habe, seit Senkendorf gefallen ist? Suche ich das Ende meines Schmerzes am Ende eines Speers?

Hinter diesem Ork-Angriff steckt so viel mehr, als wir zunächst dachten, als wir den beiden verirrten und verwundeten Zwergen aus der Zitadelle Felbarr begegneten. Die Orks haben sich organisiert und arbeiten tatsächlich zusammen. Der gesamte Norden ist nun in Gefahr, besonders Mithril-Halle, und es würde mich nicht überraschen zu hören, dass die Zwerge sich bereits in ihren dunklen Hallen eingeigelt haben und ihre Tore gegen den Angriff der Ork-Horden verschließen.

Vielleicht ist ja die Erkenntnis, dass die Horden den Frieden in einer Region bedrohen, die so lange Zeit mein Zuhause war, der Grund, immer wieder zuzuschlagen. Vielleicht bereiten meine Taten den Eindringlingen ein gewisses Maß an Unbehagen und bieten den Zwergen ein gewisses Maß an Hilfe.

Oder will ich mich damit nur rechtfertigen? Kann ich diese Möglichkeit zumindest vor mir selbst zugeben? Denn tief im Herzen weiß ich, selbst wenn sich die Orks nach dem Fall von Senkendorf in ihre Höhlen zurückgezogen hätten, wäre ich nicht nach Mithril-Halle zurückgekehrt; ich wäre den Orks bis in die dunkelsten Höhlen gefolgt, die Krummsäbel bereit, Guenhwyvar sprungbereit geduckt an meiner Seite. Ich hätte ebenso zugeschlagen wie jetzt, und meine einzige Freude wäre das Vergießen von Ork-Blut gewesen.

Wie sehr ich sie hasse!

Oder geht es gar nicht um die Orks?

Es ist alles so verwirrend. Ich schlage zu, und im Geist sehe ich Bruenor oben auf dem brennenden Turm, wie er in den Tod stürzt. Ich schlage zu, und im Geist sehe ich Ellifain, die verwundet auf der anderen Seite des Zimmers zusammensackt.

Ich schlage zu, und wenn ich Glück habe, sehe ich nichts – nichts als den Augenblick. Solange meine Instinkte meine Vernunft beherrschen, bin ich mit mir selbst im Reinen.

Und dennoch, wenn die unmittelbare Gefahr überstanden ist und die Orks fliehen oder tot sind, muss ich häufig feststellen, dass meine Taten unwillkommene und unbeabsichtigte Folgen hatten.

Welche Schmerzen habe ich Guenhwyvar dieser Tage verursacht! Der Panther kommt immer wieder zu mir und kämpft für mich. Ich bitte Guen, sich gegen diese gewaltigen Feinde zu wenden, und sie beschwert sich nicht. Ich höre ihren Schmerzensschrei, wenn sie sich im Griff der Riesin windet, aber in diesem Schrei liegt keine Anklage. Und wenn ich sie erneut rufe, nachdem sie sich auf der Astralebene ausgeruht hat, ist sie gleich wieder an meiner Seite, verurteilt mich nicht und beschwert sich nicht.

Es ist wie damals im Unterreich, nachdem ich Menzoberranzan verlassen hatte. Guenhwyvar ist meine einzige Verbindung zu der Menschlichkeit in mir, das einzige Fenster zu meinem Herzen und meiner Seele. Ich weiß, ich sollte sie jetzt wegschicken, ich sollte sie einem Freund übergeben, der ihrer würdiger ist, denn ich habe keine Hoffnung, die nächsten Zehntage zu überleben. Wie weh es mir tut, zu denken, dass die Statuette, mit der man Guenhwyvar rufen kann, diese Verbindung zu dem astralen Geist des Panthers, in den Krallen eines Orks landen könnte!

Und dennoch, ich kann mich einfach nicht dazu bringen, nach Mithril-Halle zu gehen und den Panther den Zwergen zu übergeben. Ich kann diesen Weg nicht ohne Guenhwyvar gehen, und es ist ein Weg, von dem ich mich auch nicht abwenden kann.

Vielleicht bin ich ja einfach nur schwach oder dumm. Was immer es sein mag, ich bin noch nicht bereit, diesen Krieg zu beenden; ich bin noch nicht bereit, die Wärme von vergossenem Ork-Blut hinter mir zu lassen. Diese Ungeheuer haben mir solchen Schmerz zugefügt, und ich werde es ihnen tausendfach heimzahlen, bis mir die Krummsäbel aus den erschlaffenden Händen sinken und ich tot umfalle.

Ich kann nur hoffen, dass Guenhwyvar den Zwang der magischen Statuette längst hinter sich gelassen hat, dass sie inzwischen diesem Druck ihren freien Willen entgegensetzen kann. Ich glaube, dass dem so ist, und falls ein Ork meiner Leiche die Statuette entreißt und entdecken sollte, wie man sie benutzt, wird er damit das Instrument seines Todes an seine Seite rufen.

Das hoffe ich jedenfalls.

Vielleicht ist es nur eine weitere Lüge, eine weitere Selbstrechtfertigung.

Vielleicht bin ich in einem Netz von Lügen versunken, das zu gewaltig ist, als dass ich mich entziehen könnte.

Ich kenne nur den Schmerz der Erinnerung und die Freuden der Jagd. Und ich werde diese Freuden bis zum Ende auskosten.

Drizzt Do'Urden