Wäre es nicht schön, wenn unser Leben nur aus Harmonie und Miteinander bestünde? Wenn sich alle Menschen edel und gut verhielten? Schön wäre das sicherlich – aber mal ehrlich: Würde Ihnen nicht etwas fehlen? Ein klein bisschen Biss, ein wenig Würze? Ein Schuss Feuer, der das Leben nicht zum Einheitsbrei, sondern zum gaumenkitzelnden Chili con Carne veredelt?
Unser Alltag belehrt uns täglich eines anderen: Kleine Kämpfe lassen sich nicht umgehen. Und gerade unser Berufsleben ist gespickt mit Wettbewerb und Konkurrenz. Wie oft hatten Sie schon eine gute Idee, die im Meeting wortgewandt auseinander genommen wurde? Wie oft sind Sie schon aus einem Gespräch herausgegangen und haben gespürt, dass Sie letztlich über den Tisch gezogen wurden?
Unsere Geschäftspartner, unsere Kollegen, Mitarbeiter und Vorgesetzte – sie sind leider nicht alle Gutmenschen, mild und süß wie rote Paprika. Darum ist es auch nicht sinnvoll, dass wir ihnen so begegnen: voller Vertrauen und Naivität.
Zehn Jahre Arbeit mit Gewalttätern, mit Hooligans, Skin-Heads und Totschlägern (als Kriminologe und Erziehungswissenschaftler in Deutschland ebenso wie den USA) und zehn Jahre Arbeit mit Führungskräften (als Managementtrainer in Deutschland und der Schweiz) haben mir tiefe und manchmal |16|auch recht amüsante Einblicke in die Schattenseiten der menschlichen Seele ermöglicht – und vor allem eines gezeigt: Allein mit Gutherzigkeit kommen wir im Leben nicht zurecht.
Vermutlich, verehrte Leserinnen und Leser, sind Sie fabelhafte Menschen, die teamorientiert und einfühlsam ihren Alltag meistern. Um diese edle Seite Ihrer Persönlichkeit geht es in diesem Buch nicht. Hier dreht sich alles ausschließlich um die Stärkung Ihrer bissigen Persönlichkeitszüge, die es Ihnen erlauben, sich auch in harten Wettbewerbssituationen erfolgreich und punktgenau durchzusetzen.
Nur Verständnis, Einfühlsamkeit und Teamgeist, also 100 Prozent Gutmenschentum beziehungsweise – um in unserem Gemüsebild zu bleiben – milde Paprika-Süße, bringen Sie in Gefahr, ausgebeutet und übervorteilt zu werden. Sanfte Zeitgenossen sind in hohem Maße Burn-out-gefährdet und quälen sich im schlimmsten Fall mit psychosomatischen Erkrankungen herum, weil sie ihren Ärger und ihre Frustrationen in sich hineinfressen oder das Leben nur noch mit einer allabendlichen Cognac-Therapie ertragen. Wenn es mir mit diesem Buch gelänge, Ihre 20 Prozent Biss und Durchsetzungsstärke zu fördern, dann könnten diese 20 Prozent als ein echter Beitrag zur Förderung Ihrer Gesundheit verstanden werden: Sie fräßen weniger Ärger in sich hinein, und Ihre Gegenspieler müssten erkennen, dass Sie für die Opferrolle nicht die geeignete Besetzung sind. Wäre das nicht wunderbar?
Sich durchsetzen, um Gutes zu tun, das bringt unsere Gesellschaft voran – und genau dazu will dieses Buch Sie ermutigen!
Die Zeiten komplexer Persönlichkeitsveränderungen in Berufsleben und Management sind vorbei. Heute zählen Nuancierungen: Man will im Prinzip so bleiben, wie man ist, nur besser. Warum auch nicht? So schlecht kann die eigene personality ja nicht sein, immerhin haben Sie es ja in eine gute |17|berufliche Position geschafft! Nun könnte es gern weitergehen. Die Grundvoraussetzungen bringen Sie mit: erstklassiges Fachwissen, gezieltes Networking, professionelles Know-how. Was noch hinzutreten sollte, ist der souveräne Auftritt. Das beinhaltet: Durchsetzungsstärke, Courage und Energie – auch und gerade bei starkem Gegenwind … Mit den Worten David Bossharts: »Management heißt: Härte, Mut, Augenmaß. Es braucht zunächst und am wichtigsten als Voraussetzung den Biss, etwas zu wollen. Dann braucht es den Mut, ambitiös zu sein. Und nicht zuletzt braucht es die Kunst, das Augenmaß zu halten.«
Biss, Mut und Augenmaß – das können Sie erwerben. Sie müssen dazu nur Ihre positive Aggression aktivieren. Hierbei möchte Sie dieses Buch unterstützen.
Wenn Sie Ihr Persönlichkeitsprofil um Durchsetzungsstärke erweitern wollen, brauchen Sie die Bereitschaft, konfrontativ zu handeln, um Menschen, die es nicht gut mit Ihnen meinen, zur Rede zu stellen. Das fällt den meisten Menschen eher schwer. Übrigens auch mir (der sehr ordentlich-bürgerlich erzogen wurde), bis ich in den USA eine konfrontative Erfahrung wider Willen machen durfte, die mich prägte und veränderte:
Wie im Vorwort schon geschildert, ging ich als Nachwuchsforscher für ein halbes Jahr in die USA, um in einem privaten Jugendgefängnis bei Philadelphia Untersuchungen über jugendliche Gewalttäter durchzuführen. Mein Hinweis an den Abteilungsleiter (Spitzname »Ironhead«), meine Tätigkeit würde lediglich eine teilnehmende Beobachtung umfassen, quittierte dieser mit den Worten: »Fucking German, pack your suitcase!« (Sinngemäß: »Ich bin mit Ihrem Forschungsansatz nicht ganz einverstanden …«) Er ergänzte dies – ganz Coach – mit der Analyse, ich hätte ein »Nice-Guy-Problem«, was weniger als ästhetisches Kompliment, sondern mehr so zu verstehen war, dass er mich für ausgeprägt konfliktscheu hielt.
|18|Dieses Persönlichkeitsdefizit wollte er mir nun durch Konfrontationsübungen abtrainieren – und er leistete ganze Arbeit: Ich bekam zehn Tage Zeit, um 150 Konfrontationen an den inhaftierten Gangschlägern durchzuführen, die meine Konfrontationen – strafverschärfend – auch noch gegenzeichnen mussten. Zum Beispiel gab es aus gutem Grund ein Verbot für das Tragen von Ohrringen im Gefängnis. Meine erste Aufgabe war, einen Gangschläger, der sich nicht an diese Norm hielt, vom Gegenteil zu überzeugen. Dabei musste ich die »levels of confrontation«, ein Konfrontationsritual, einhalten: Zunächst ging ich zu dem Jungen hin und zeigte ihm non-verbal, dass er den Ohrring herausnehmen möge. Er tat es nicht. Ich bat ihn höflich, den Ohrring zu entfernen. Er tat es nicht. Ich sagte unhöflich: »Nimm den raus!« Er tat es nicht. Ich machte den »touch for attention«, legte also die Hand auf seine Schulter und bat eindringlich, Nase an Nase, der Ohrring-Norm Folge zu leisten. Er tat es noch immer nicht. Ich rief »Support!« (»Unterstützt mich!«), und alle Mitarbeiter und Jugendlichen waren zur sofortigen Unterstützung verpflichtet. Alle standen nun um den Ohrringträger herum, redeten auf ihn ein, laut, leise, liebevoll, aggressiv, ein 10-minütiges Konfrontationsgewitter – und endlich nahm er den Ohrring heraus. Die Konfrontation war beendet – und ich bekam meine Unterschrift (»Mr. Weidner confronted me at 9.14 a.m.«)!
Ich war von dem Erlebnis total gestresst – und von dem Gedanken, dass nun »nur« noch 149 Konfrontationen vor mir lagen. Nach zehn Tagen hatte ich nicht nur – vor Anstrengung – Hautausschlag im Hals- und Brustbereich, sondern war um zahllose Erfahrungen reicher, wurde von »Ironhead« in höchsten Tönen vor dem gesamten Team gelobt (»Jungs, der Deutsche hat doch Potenzial!«) und hatte die Gewissheit, dass ich mich durchsetzen kann – wenn es gefordert ist.
Eine solche Gewissheit strahlt man aus. Wenn man Ihnen abnimmt, dass Sie in einer Konfrontation bestehen können (wenn |19|Sie es wollen), wird man Ihre Freundlichkeit nicht mit Schwäche verwechseln.
Neben dem Vertrauen in die eigene Durchsetzungsstärke ist aber auch Augenmaß wichtig – nicht immer ist eine Konfrontation der richtige Weg, zumal die Reizschwelle bei jedem Menschen unterschiedlich ist. Auch hierfür ein etwas schmerzhaftes Beispiel aus meinem Berufsalltag mit Gewalttätern: Mit harten Konfrontationstherapien, bei denen der Gewalttäter auf dem sogenannten »heißen Stuhl« sitzt, soll das brutale Denken von Schlägern verändert werden. Sie sollen Mitleid mit ihren Opfern fühlen. Amerikanische Therapeuten sprechen vom »Hot Seat«, weil die Schläger, von ehemals gewalttätigen Insassen und Therapeuten eingekreist und unter Gruppendruck, im Kreuzfeuer der Kritik schnell ins Schwitzen kommen.
In meiner Anfangszeit in der deutschen Justiz, das war 1987, wurde mir ein gewalttätiger (und erfreulicherweise inhaftierter) Mann zur Behandlung zugewiesen. Er – 22 Jahre alt – war leicht reizbar und litt unter seiner Halbglatze. Wenn man ihn darauf ansprach, lief er nicht nur tiefrot an, sondern wurde richtig wütend. Er galt als unkontrolliert, zumal ihn eine ähnliche Nichtigkeit in einem Lokal hatte gewalttätig ausrasten lassen. Das war der Grund für seine Inhaftierung. Unser Job war es, durch gezielte Provokationen seine Reizschwelle so zu erhöhen, dass er zukünftig nicht mehr die Beherrschung verlieren würde. Auch aus reinem Selbstschutz baten wir ihn, Bescheid zu sagen, falls er es nicht mehr aushielte und kurz vorm Explodieren stünde.
Bereits nach 3 Minuten rief der Mann: »Schluss!« Ich war verärgert, hatte doch die Vorbereitung auf diese schwierige Sitzung über eine Stunde gedauert – und nun nach kürzester Zeit ein »Time out«! Ich nahm das Signal daher vor lauter Ärger nicht ernst. Mein Gefühl sagte: »Der blufft nur, um sich vor der Behandlung zu drücken.«
|20|Deshalb ging ich auf ihn zu, streichelte ihm über seine mittlerweile leicht verschwitzte Halbglatze und sagte: »Junge, du hast doch wohl noch mehr zu bieten!« – »Ja!«, sagte er, stand auf und schlug mir kräftig mit der flachen Hand ins Gesicht. Die Schwellung hielt drei Tage, obwohl er zur Entschuldigung sagte, er habe nur dosiert zugelangt: »Herr Weidner, das war doch Akademiker-verträglich.« Das muss zweifelsfrei gestimmt haben, der Mann war immerhin wegen versuchten Totschlags verurteilt.
Man sollte also nicht falsch platzierte Konfrontation und toughes Auftreten mit positiver Aggression verwechseln, die stets aufbauend und konstruktiv sein soll. Sonst muss man mit dem schmerzhaften Echo leben lernen – wie im obigen Fall.
In diesem Buch geht es natürlich nicht um körperliche Übergriffe, sondern um Machtspiele. Vornehmlich dreht es sich um die Frage, mit welchen Wettbewerbssituationen Sie im Beruf rechnen müssen und wie Sie sich gegen unfaire Angriffe wehren können. Ich möchte Ihnen Strategien dafür aufzeigen und Ihnen Mut machen, gemeinen Attacken mit Biss entgegenzutreten. All das dient nur einem Ziel: Sie punktgenau durchsetzungsstärker zu machen, damit Sie in Zukunft karrierehemmende Interaktionen schneller durchschauen. Es geht um einen Motivationsschub hin zu mehr Biss.
Das folgende Kapitel, Durchsetzungsstärke ja, Ellenbogenkarriere nein!, fragt nach den Unterschieden zwischen Durchsetzungsstärke und Egoismus. Natürlich wäre es besser, wenn wir alle rücksichtsvoll und nächstenlieb handeln würden. Doch dabei besteht die Gefahr, dass wir ausgenutzt und übervorteilt werden, denn für unser Gegenüber gilt allzu oft: »they take kindness for weakness.« Wo liegt die Grenze zwischen Hilfsbereitschaft und dem Helfersyndrom? Dieses Kapitel zeigt auf, warum Sie für Ihre Interessen einstehen sollten.
|21|Das Kapitel Aggressionen – überlebenswichtig oder Teufelszeug? beleuchtet den Sinn dieser verleugneten Emotion. Warum verfügen Menschen über dieses Potenzial? Was passiert im Körper, was in der Psyche, wenn wir aggressiv werden? Was ist überhaupt Aggression, und wie können wir dieses Gefühl beeinflussen? Darüber hinaus werden die verschiedenen Formen der Aggression und ihre konkreten Handlungsausprägungen im Alltag erläutert.
Das Kapitel Positive Aggression – Ihr konstruktives Potenzial präzisiert, welche Chance im konstruktiven Umgang mit unserer natürlichen Aggression liegt, und stellt Ihnen die acht Grundregeln der Peperoni-Strategie vor.
Im Kapitel Man muss seine Gegner kennen – Erfolgsmenschen auf der Spur wird der Frage nachgegangen, wie erfolgreiche Menschen »ticken« und ob es Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Umgang mit dem eigenen aggressiven Potenzial gibt. Hier finden Sie Hinweise, wie Sie – als Frau – die männlichen Schwächen beziehungsweise – als Mann – die weiblichen Schwächen zu Ihrem Vorteil nutzen können.
Das Kapitel Peperoni oder Paprika: Wo stehen Sie? stellt Sie in den Mittelpunkt. Der Peperoni-Test untersucht Ihre Biss-Schärfe, in anschließenden Workshops analysieren Sie Ihre Stärken, Ihr Biss-Potenzial, Ihre Schwächen sowie Ihre Biss-Bremsen. Nur wenn Sie wissen, wo Sie stehen, auf welche Stärken Sie sich verlassen können und welche Schwächen nach außen nicht offensichtlich werden sollten, können Sie sich überzeugend positionieren und souverän auftreten.
Das Kapitel Unterstützer oder Angreifer: Ihr berufliches Umfeld legt den Schwerpunkt auf Ihre Berufsumgebung. Mithilfe der Diamantenanalyse erfassen Sie, wer in Ihrer Umgebung welchen Status und welche Rolle innehat. Vor allem aber |22|zeigt diese Analyse, wer Ihnen gegenüber falsch spielt und auf wen Sie sich in Krisensituationen verlassen können.
Mit dem Kapitel Mehr Biss: Strategien für Ihre Durchsetzungsstärke geht es in die Praxis: Mithilfe der Abwehrrhetorik werden Sie schlagfertiger, das schöne Wörtchen »Nein« verschafft Ihnen Raum und Strategien wie der strenge »Mutterblick« oder die »Arbeitsgruppe als Bermuda-Dreieck« helfen Ihnen, sich gegen zu forsche oder gar unfaire Kollegen zu wehren.
Ich hoffe, ich kann Ihnen eines vermitteln: sich durchzusetzen und ein guter Mensch zu bleiben – das ist kein Widerspruch! Lassen Sie sich also bitte nicht bremsen. Ergänzen Sie Ihre 80 Prozent milde Paprika-Süße durch 20 Prozent Peperoni-Würze. Werden Sie nicht zum Opfer anderer; erliegen Sie auch nicht Ihren eigenen Wünschen nach Harmonie und umfassender Fairness – damit werden Sie leider an den Realitäten der Wettbewerbsgesellschaft scheitern! Stehen Sie zu Ihren Zielen, nutzen Sie Ihr strategisches Geschick! Treten Sie – wenn der Sache dienlich – richtig abgebrüht auf (wobei es ja reicht, wenn Sie überzeugend so tun können als ob). Hier geht es nicht um die moralische Selbstzensur, nicht um ein verkrampftes Entweder-oder, sondern um ein entspanntes Sowohl-als-auch. Lernen Sie auf der Klaviatur der Gegenstrategien genussvoll zu spielen, treten Sie nicht nur voller Dynamik, sondern auch empathisch und charmant auf.
Sie werden sehen: Die Peperoni-Strategie bereichert Ihr Leben – und fördert Ihren beruflichen Erfolg. Was wollen Sie mehr?