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Die Stufen der pflanzlichen Metamorphose waren für die Alchimisten von höchstem Interesse. Sie sahen darin göttliche Gesetze am Werk, Gesetze, die auch für andere Schöpfungsbereiche gelten, für die menschliche Seelenentwicklung ebenso wie für die Verwandlung und Veredlung der Metalle und Mineralien.

Sulfur, Merkur und Sal

Für die mystischen Laboranten ließ sich die Dynamik der Schöpfung auf drei Urprinzipien reduzieren.

Sal (Salz, Corpus) ist die Bezeichnung für das verdichtende, saugende, zusammenziehende, verfestigende, zentripetale Prinzip. In der alchimistischen Symbolik wurde es oft als Totenschädel oder Kristall dargestellt.

Sulfur (Phosphor, Animus, Anima) ist das flüchtige, auflockernde, verströmende, ausweitende zentrifugale Prinzip, das im polaren Gegensatz zu Sal steht. Sulfur wurde oft als Sonne oder als gelber Löwe dargestellt.

Mercurius (Quecksilber, Spiritus) ist das verbindende Prinzip; es vermittelt zwischen dem zusammenziehenden und auflösenden Pol. Das Symbol des Mercurius war oft ein Vogel.

Selbstverständlich lassen sich diese drei alchimistischen Urprinzipien auch im Pflanzenleben ausmachen. In den mit dem mineralischen Untergrund verbundenen Wurzeln herrscht das Sal-Prinzip vor. Die Wurzeln sind der saugende, aufnehmende, zentripetale Pol der Pflanze.

In der den Wurzeln polar entgegengestellten Blüte kommt das zentrifugale Sulfur-Prinzip am stärksten zum Ausdruck. Die Blüte nimmt nichts auf, sondern gibt sich duftend, verstäubend und anschließend versamend der Umwelt hin.

Das vermittelnde Merkurprinzip befindet sich hauptsächlich in dem grünen Blattwerk.

Die Alchimisten verstanden ihre Aufgabe darin, die Schöpfung zu verfeinern und zu veredeln. Die Natur galt ihnen als noch roh und unvollkommen. Die in der Erde langsam reifenden Metalle sollten im Labor zu edlem Gold geläutert und von groben Unreinheiten befreit werden. Indem er sich der Läuterung der Natur widmete, glaubte der Alchimist die Läuterung seiner eigenen unvollkommenen Seele zu erfahren. Also schmolz er Metalle und fügte sie, wenn die Planeten gut aspektiert waren, zu ständig neuen Legierungen zusammen. Er tat das in der Hoffnung, schließlich alles in Gold verwandeln zu können.

Auch Pflanzen holte der Urchemiker in sein Labor, löste sie in ihre Bestandteile auf und fügte sie neu zusammen, damit die vom Unrat geläuterten Heilkräfte besser zur Wirkung kommen konnten. Spagyrik (vom Griechischen spagein = trennen und ageirein = verbinden) nannten sie diese Kunst und verstanden darunter das Trennen und anschließende Wiederzusammenfügen von Körper (Corpus), Geist (Spiritus) und Seele (Anima, Animus) einer Heilpflanze. Wie das geschehen sollte, wollen wir hier etwas näher betrachten, denn es gibt uns Aufschluß über das Wesen der Pflanze.

Die Spagyriker begannen, indem sie die Heilkräuter mit Wasser in einem verschlossenen Glaskolben (Alembic) erhitzten und die ätherischen Öle (der flüchtige Sulfur) herausdestillierten. Wichtig war, daß das Werk bei der geeigneten Sternenkonstellation vorgenommen wurde. Die durch Wasserdampf herausgelösten flüchtigen, aromatischen Öle wurden als die »Seele« der Pflanze identifiziert. Der nächste Arbeitsgang bestand darin, die nach der Destillation verbliebene Pflanzensuppe zu vergären und den als Geist (Spiritus) identifizierten Äthylalkohol abzufangen. Der Matsch, der danach übrigblieb, wurde im Ofen (Athanor) kalziniert, das heißt zu Asche verbrannt. Diese Asche galt als Salz oder Körper (Corpus) der Pflanze.

Nachdem man Sulfur, Mercurius und Sal oder Seele, Geist und Körper der Pflanze voneinander getrennt hatte, konnte man sie gezielt als Heilmittel einsetzen. Parfüme, geistige Getränke, Liköre und verschiedene Heilsalze waren das praktische Resultat.

Die skurrilen Gedankengänge, die den rauchigen Alchimistenlabors entsprangen, sind nicht jedermanns Sache, und viele Annahmen, etwa, daß die Natur der Verbesserung bedürfe, können in Frage gestellt werden. Dennoch verbirgt sich hinter der verbrämten Symbolik manch tiefe Einsicht. Wir haben schon erläutert, warum man das Wurzelsystem der Flora als eine Art makrokosmischen Kopf verstehen kann. In beiden, in der Wurzel wie im Kopf Nervensystem, ist das saugende, anziehende, verdichtende, zentripetale Sal-Prinzip wirksam. Wie das Wurzelgeflecht, das die notwendigen Elemente aufspürt und aufsaugt, funktioniert unser Sinnes-Nervensystem, das ständig notwendige Informationen aufnimmt und assimiliert. Geräusche, Gerüche, Flüssigkeiten und feste Nahrungsstoffe (Geschmack) werden durch die im Kopf befindlichen Sinnestore in den menschlichen Organismus aufgenommen.

Wir haben auch schon gesehen, wie das Ein- und Ausatmen der Lungen, der Rhythmus des Herzens und das Pulsieren des Blutes sein pflanzliches Ebenbild in dem pulsierenden Wachstum und der Respiration des grünen Blattwerks hat. In beiden ist das Merkur-Prinzip tätig. Nun wollen wir uns eingehend mit dem Sulfur-Prinzip in Mensch und Pflanze befassen.

Das Sulfur-Prinzip bedeutet Auflösung, Auflockerung, Hingabe an das Umgebende, Überwindung von Grenzen und Vergeistigung. Es ist der dem Sal entgegengesetzte Pol. In der Pflanzenwelt stellt die Blüte den Sulfur-Pol dar. In der Blüte ist der vegetative Stoffwechsel beschleunigt, er wird animalischer, und es kommt zu einer kalorisch meßbaren Erhitzung. Hier im Blütenfeuer, in einer Art Verbrennungsprozeß, werden Düfte, Nektar und verschiedene Botenstoffe in die Umwelt verströmt. Hier öffnet sich die Pflanze einer für sie jenseitigen (höheren) Seinsebene, der Ebene der beseelten, astralisierten Tierwesen, den Bienen, Schmetterlingen und anderen Insekten. Hier ist der Punkt, an dem die Vitalität die Pflanze verläßt und sie farbenprächtig auflodert. Gleichzeitig ist hier der Fortpflanzungspol, der sie in einen neuen Daseinszyklus hinüberrettet.

Die Übereinstimmung mit dem menschlichen Wesen ist vollkommen. Im Menschen konzentriert sich das Sulfur Prinzip in den Aktivitäten des Unterleibs. Hier, im Darm, wird die Nahrungsmaterie aufgelöst, und in einem Verbrennungsprozeß wird die darin enthaltene Energie (meßbar als Kalorien) freigesetzt. Gleichzeitig werden schwefelige Gase und Asche (Kot) ausgeschieden. Die angrenzenden urogenitalen Organe nehmen beträchtliche Mengen der freigesetzten Energie auf und stellen sie der Fortpflanzung zur Verfügung. Sie sondern nicht nur Harn ab, sondern eine ganze Palette von Duftstoffen, die unter anderem als feinstoffliche Sexualsignale dienen. Fortpflanzung und Sexualität weisen über das Einzeldasein hinaus. Sie bewirken Ekstase, die die alltäglichen Bewußtseinsgrenzen sprengt, und bringen gleichzeitig neues, eigenständiges Leben hervor.

Polarität von Sal und Sulfur in Pflanze und Mensch

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Das Tierische der Blüten

Am blühenden Pol transzendiert die Pflanze ihr vegetatives Dasein. Hier berührt sie die Tiersphäre. Sie wird animalischer, beseelter. Wie ein tierischer Organismus besitzt die Blüte kein photosynthetisierendes Lebensgrün. Sie sitzt wie ein bunter Schmetterling oder ein schillernder Käfer auf der Pflanze und ernährt sich von der ätherischen Kraft der grünen Teile. In der Blüte versucht die sonst ganz nach außen gerichtete Pflanze, sich nach innen zu stülpen. Es ist der zögernde Ansatz, ein tierhaftes Hohlorgan zu bilden. Doch dieser Schritt in Richtung Mikrokosmos übersteigt ihre Kräfte, sie stirbt ab und flüchtet in Samengestalt zurück in den vitalisierenden Schoß von Mutter Erde.

Die Blüte ist der heiße Pol der Pflanze, genau wie der Unterleib unsere heißeste Körperregion ist. Wo immer Wärme in einem lebenden Organismus auftritt, kündet sie von Astralität, von Beseeltheit. Verlieren wir unsere innere Wärme, dann sterben wir, das heißt, unsere Seele verläßt den leiblichen Mikrokosmos und wird makrokosmisch geistig. Auch bei der Pflanze ist das so. In dem Organ, in dem sie Wärme erzeugt, ist ihre Seele ganz nah. Das Blühen wird durch die unmittelbare Berührung der Pflanzenseele hervorgerufen. Und weil sie dermaßen vom Seelischen durchdrungen sind, lösen Blüten auch in uns seelische Regungen aus. Wir drücken unsere Gefühle anderen gegenüber – bei Hochzeiten, Geburtstagen, Jubiläen oder Beerdigungen – mit Blumensträußen und -kränzen aus.

Manche Blüten sind besonders heiß, etwa die der Aronstabgewächse, die mit Wärme und »tierischem« Gestank Insekten anziehen. Die höchste Temperatur wurde im Arum orientale gemessen: 43 Grad Celsius im Kelch bei einer Außentemperatur von 15 Grad. Der amerikanische Stinkkohl, dessen riesige Blätter die Indianer als »Kohl« aßen, blüht im kalten Februar. Seine Blüten sind so warm, daß die darauf fallenden Schneeflocken schmelzen. Die ersten winzigen, steifgliedrigen Insekten, die sich hinauswagen, finden in dem warmen Kelch Schutz vor der Kälte. Als Gegenleistung bestäuben sie die Pflanze. Der arktische Mohn und die Silberwurz, die nördlich des Polarkreises wachsen, haben weder Nektar noch Duft, sie ziehen die frierenden Kerbtierchen nur mit ihrer Wärme an.

Ein weiteres Kriterium der Beseelung ist die freie Beweglichkeit. Pflanzen können sich besser bewegen, als wir ihnen zutrauen: Umgetretene Stengel, ja sogar Baumstämme können sich wieder in die Senkrechte erheben. Kriecher wie die Gundelrebe oder die Brombeere wandern mittels ihrer Ausläufer zu Standorten, an denen sie bessere Bedingungen vorfinden. Am stärksten jedoch ist die Bewegungstendenz in den Blühorganen. Die Blütenblätter öffnen und schließen sich zu kosmisch bestimmten Zeiten. Bei der Nachtkerze ist das so markant, daß man meint, in der Abenddämmerung sei ein gelber Schmetterling seinem Kokon entschlüpft. Die Avocadoblüte öffnet sich zweimal, einmal für die reifen Staubblätter und dann ein weiteres Mal für die reifen Narben; so wird die Selbstbestäubung verhindert. Wenn ein Insekt die Staubblätter der Zimmerlinde berührt, schnellen diese hoch. Bei der Berberitze, dem Ginster oder dem Alfalfa schnellen sie nach außen. Wenn kein Insekt sie besucht, bestäuben sich viele Pflanzen selbst, indem sie die Staubfäden über die Narben krümmen. Bei der Verbreitung ihrer Samen werden die Pflanzen noch erfinderischer, was die Fortbewegung betrifft.

Manche Staubbeutel, etwa die der Erennessel oder des Berglorbeers, explodieren wie ein Büchsenschuß und schleudern den Pollen in die Luft. Blütenstaub ist übrigens so leicht, daß er zuweilen bis in die Stratosphäre getragen wird – was einige »Panspermisten« als Beweis dafür an sehen, daß das Leben von anderen Galaxien auf die Erde gekommen ist. Die Blütenstaubkörnchen bleiben über Jahrtausende stabil, so daß wir uns aufgrund von Pollenanalysen ein Bild von der Flora der alten Steinzeit machen können.

Die Bestäubung ist ein Geschehen, das ganz im Bereich des Beseelten stattfindet. Meistens sind es Insekten, aber auch Säugetiere und Vögel, die mit schmackhaftem Pollen, Nektar oder Sexuallockstoffen von der Pflanze dazu verführt werden, den Kurierdienst zu verrichten. Bei der Königin der Nacht, einem Kaktus, ist es die Vampirfledermaus, beim knallroten Trompetenstrauch ist es der Kolibri. Die Pandanus-Palme, die auf Hawaii wächst, läßt sich von Ratten bestäuben, der afrikanische Baobabbaum von Fledermäusen, und die zur Weihnachtszeit blühende Nieswurz lockt klebrige Schnecken an, um ihre Pollen weiterzutragen.

Die Seelenhaftigkeit der Blüten äußert sich auch in einem differenzierten Stoffwechsel, der Molekularverbindungen erzeugt, die sonst nur tierische Organismen hervorbringen. Darunter befinden sich Sexualhormone, die auf Insekten, aber auch auf Menschen wirken. Von der Öl weide (Elaegnus angustifolium) heißt es, ihr Duft sei so betörend, daß die Perser ihre Frauen einsperren müssen, wenn dieser Busch blüht. Von den Orchideen ist bekannt, daß sie mittels verführerischer Düfte und optischer Reize die Wespenmännchen derart anmachen, daß diese bis zur Ejakulation mit der Blüte kopulieren. Viele Pflanzen erzeugen Östrogene, die den Blühprozeß anregen. Tierähnliche Molekularverbindungen wie der Nervenbotenstoff Serotonin oder das Nebennierenrindenhormon Noradrenalin finden sich unter anderem in der Rautenblüte. Anderseits produzieren einige Blüten die Düfte von verwesenden Körpersekreten, Fäkalien oder Aas, um Käfer und Schmeißfliegen anzulocken. Diese Verwesungsdüfte beruhen auf verfallenden Stickstoffverbindungen, auf Aminen, die sonst nur dem Stoffwechsel von Tieren entspringen.

Das hier nur kurz Skizzierte unterstreicht die Korrespondenz zwischen dem Blüh-Pol der Pflanze und dem Verdauungs/Fortpflanzungs-Pol des menschlichen Unterleibs. Demzufolge wäre es in unserem Leib nicht etwa der Kopf, sondern der Beckenbereich, in dem sich das Seeli-sche am stärksten manifestiert. Daß dies der Fall ist, erkannte auch Sigmund Freud. Seine psychoanalytischen (zu deutsch »seelenauflösenden«) Untersuchungen legen den Schluß nahe, daß die meisten seelischen Probleme im Unterleib ihren Ursprung haben, im analen und vor allem im genitalen Bereich, und nicht etwa im Kopf. Das wußten auch schon die alten Philosophen, Astrologen und Alchimisten, die die verschiedenen Seelenfunktionen mit den sieben Hauptorganen in Verbindung brachten. Diese Organe wiederum befinden sich in Korrespondenz mit den sieben Planeten, den Verkörperungen der makrokosmischen Astralität. Dabei ist das Gehirn, das dem Mond, dem erdnächsten »Planeten« zugeordnet wird, lediglich ein Spiegel, der die Zustände der inneren Planeten, der Seele, widerspiegelt und dem alltäglichen Bewußtsein zugänglich machen kann – vorausgesetzt, man meditiert tief in sich hinein.

Die Seele sitzt tief im warmen Leib, im Herz, im Bauch, in den Nieren, nicht nur im Kopf. Der Kopf ist kalt, abstrahierend rational. Die Seele ist warm, sie arbeitet mit bunten Bildern. Wie therapiert man also eine angeschlagene, verwundete Seele, deren Pein sich früher oder später in physischen Krankheitssymptomen äußert? Die schamanistischen Heiler erzählen Märchen, singen, tanzen und stellen den Heilprozeß schauspielerisch dar. Das löst tiefe Resonanzen aus. Dazu verabreichen sie Heilkräuter, die nicht nur die allgemeine Lebenskraft stärken oder organspezifisch wirken, sondern auch in Legende und Folklore mit den Geistern und Göttern verbunden sind. Meistens werden sie als warme, duftende Tees verabreicht. Andere räuchern mit Substanzen, die reich an blütenhaften ätherischen Ölen sind. Die Düfte wirken (das haben die Aromatherapeuten inzwischen wiederentdeckt) über das archaische Riechhirn auf die tiefsten Schichten der Seele ein. Auch Edward Bach erkannte intuitiv die Verwandtschaft des Blütenhaften und der Seele. Seine Blütenessenzen sollten ja nicht somatisch wirken, sondern vor allem an den seelischen Ursachen der Erkrankungen ansetzen. (Scheffer/Storl 2012)

Vom Wesen der ätherischen Öle

Ätherische Öle sind Ausdruck der Sommersonnenwärme. Die Hitze und das intensive Licht begünstigen die Verwandlung von Stärke in Fette und Öle. Der Wasserstoffgehalt (H2) nimmt dabei zu. So entwickeln die Kräuter ihre stärksten Heilkräfte.

Die keltischen Druiden assoziierten die Aromen der Heilkräuter mit Lug, dem »Meister aller Künste« (Samildanach). Die Glut dieses geschickten, klugen Gottes führt alles seiner schicksalsbestimmten Vollendung zu: den Sonnenlauf im Westen, das Lebenswerk des Menschen, die Ernte des schnittreifen Korns, den Fall dekadenter Fürsten. Den Pflanzen verleiht er Reife, bunte Farbe, Süße, Aroma und Heilkraft. Im Jahreskreis herrscht er in der Zeit zwischen der Sommersonnenwende und der Herbsttagundnachtgleiche. Das ist die Zeit, in der die Frauen und Kräutersammler ihre Kräuterbündel zusammenstellen. Sein Feiertag, Lugnasad, Anfang August, ist ein Feuerfest. Zu dieser Zeit steht die Sonne im Feuerzeichen Löwe. Im Jahreskreis steht dieses Fest Imbolc, dem Fest des Wassers und der belebenden Feuchtigkeit, diametral gegenüber. Als König der lichten Elfen (Tuatha de Dana) kämpft Lug gegen die Kräfte der Stockung, Verhärtung und Finsternis, die durch primitive, brutale Riesen (Fumore) dargestellt werden. Er ist der Erzengel Michael der Christen.

Die flüchtigen, ätherischen Öle, die vor allem in der Blüte gebildet werden, stehen ganz und gar im Zeichen dieses feurigen, luziferischen Götterwesens. Wie er entziehen sie sich den schweren, feuchten, kalten, verhärtenden Elementen. Sie sind nicht wasserlöslich, verflüchtigen sich schnell, sind leicht entzündlich und brennen sehr hell, fast farblos und durchsichtig. Dem Wasser verweigern sie sich, aber sie lösen sich bereitwillig in Wachs, Fett, Alkohol, Harz und Öl auf. Das ist verständlich, weil diese Substanzen selbst dem Wärmehaften entspringen. Wegen dieser Eigenschaften wurden Heilkräuter mit ätherischen Ölen vor allem zu alkoholischen Tinkturen oder fetthaltigen Salben verarbeitet. Wenn die Kelten und Germanen Heilkräuter mit ätherischen Ölen verabreichten, ließen sie diese in heißer, fetthaltiger Ziegenmilch sieden. Noch heute werden viele Aromastoffe durch Enfleurage gewonnen, das heißt, die Kräuter werden in alte Butter gelegt, um die kostbaren Öle zu extrahieren.

Ätherische Öle sind höchst komplizierte Gemische aus vielen Komponenten, darunter Terpen-Kohlenwasserstoffe, Terpen-Alkohole, Äther, Phenole, Ester, Ketone, Aldehyde, Lactone und so weiter. Bisher wurden etliche hundert chemische Verbindungen als Bestandteile ätherischer Öle nachgewiesen. (Schauenberg/Paris 1970:182) Das Aroma gerösteten Kaffees besteht aus inzwischen 900 entschlüsselten Einzelkomponenten, Rosenduft aus über 400, Lavendel aus über 160, der Duft frischgebackenen Brots aus ungefähr 70 Komponenten. Bis heute ist noch kein einziges dieser Gemische bis ins letzte entschlüsselt worden. Synthetische Duftstoffe, die in billigen Parfüms und als Nahrungsmittelzusätze Verwendung finden, sind stümperhafte Nachahmungen. Nur ein kunstfertiger Meister wie Lug, »der Löwe mit der geschickten Hand«, hätte die Aromen und ätherischen Öle ersinnen können.

Die ätherischen Öle, dieses flüssig gewordene kosmische Feuer, werden in besonderen Drüsenzellen vor allem in den Blüten ausgebildet. Diese Zellen sind reich an Plasma, Dietosomen und Mitochondrien. Mitochondrien wirken übrigens als Resonanzkörper, die die feinsten Klangschwingungen – etwa Vogelgezwitscher, das Summen von Insekten und das Singen von Mantren – registieren. Diese Öle sind keineswegs nur Abfallprodukte oder Ballaststoffe des pflanzlichen Stoffwechsels, wie früher geglaubt wurde. Sie spielen bei der Frucht- und Samenbildung der Pflanze eine hormonähnliche Rolle und ermöglichen zudem eine leichtere Ausscheidung von Giftstoffen, weil sie sich verflüchtigen und schädliche Toxine mit ausschwemmen. Auch schrecken sie viele hungrige Käfer, Raupen und Weidetiere ab, obwohl das nicht ihre primäre Aufgabe, sondern eher eine Nebenwirkung ist. Sie dienen als Sexuallockstoffe für bestäubende Insekten und als Mittel zur Kommunikation mit Nachbarpflanzen und Bodenlebewesen, bei welchen sie wachstumsfördernd oder -hemmend wirken. (Henglein 1994:99)

Diese feinen Öle sind aber nicht nur für die Pflanze da, sondern auch für alle anderen Lebewesen. Sie sind sozusagen das endokrine System Gaias. Aber sie sind noch mehr als das! Durch sie spricht, wie wir gleich sehen werden, die Weltenseele zu den Tier- und Menschenseelen.

Wie stark die ätherischen Öle mit kosmischen Faktoren zusammenhängen, kann man daran erkennen, daß sich, je nach Mondstand und Konstellation, die Menge und Zusammensetzung des essentiellen Öls verändert. Auch die Tatsache, daß die Blumen zu verschiedenen Zeiten duften, daß es so etwas wie eine Duftuhr gibt, deutet darauf hin. Um halb fünf verströmt die Drachenwurz ihren Duft, bei Sonnenuntergang die Linde, etwas später das Geißblatt, noch später in der Nacht kann man die schweren, betäubenden Düfte des Stechapfels oder der Tollkirsche wahrnehmen. Die Nachtkerze entläßt ihren lieblichen, an Vanillepudding erinnernden Duft genau eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang.

Der Geruch der Weltenseele

Das Blühen ist so etwas wie ein Wendepunkt in der Inkarnation der Pflanze. In der Blüte erreicht die Pflanze die Grenze ihres physischen Daseins, sie wendet sich wieder nach »innen«, der kosmischen Seinsweise zu. Ätherische Öle begleiten ihren Rückzug in die geistige Welt, ihre Heimkehr in die Planetensphären. Sie haben mit dem Verströmen, mit Entmaterialisierung, mit Auflösung zu tun. Die Bildung der ätherischen Öle im pflanzlichen Metabolismus ist, wie Rudolf Steiner andeutet, eine Art »gestauter Verbrennungsprozeß«, der verströmende Duft eine Art »Rauch«. Die duftende Blüte ist – um es indisch zu sagen – die Feuerbestattung der verkörperten Pflanze, die Samen sind das künftige Erdenkarma. Die ätherischen Öle begleiten die Pflanze auf ihrem Weg zurück zu den Sternen.

Eigentlich gehören die herrlichen Aromen kaum mehr zur materiellen Welt. Sie sind feinstofflicher Natur, ganz und gar vom Seelenhaften durchdrungen. Weil das so ist, haben sie eine starke Wirkung auf unseren Astralleib. In dem wir sie riechen, nehmen wir teil am außertellurisch Astralischen. Wir riechen förmlich die Weltseele. Das Riechen ist die Brücke zu den astralischen Regionen des Kosmos. (Steiner 1961:161) In der duftenden Lindenallee riechen wir förmlich die Venus. Im Geruch des Stinkasants nehmen wir auf, was Saturn ausströmt, im Veilchen, was Merkur ausströmt. (Schmidt 1981:106) Mit anderen Worten, in den Pflanzendüften kommuniziert das Universum, die Weltenseele mit uns und anderen Geschöpfen.

Mit seiner feinen Nase spürt das Tier jenen kosmischen Kräften nach, die es in seiner Nahrung braucht. So weiß der Hase, die Kuh, das Reh, daß es dieses Kraut fressen soll und nicht das. Und wenn es krank ist, sagt ihm die kosmische Seele – ebenfalls durch den Geruch –, welcher Heilpflanze es bedarf. Instinkt nennen wir das und meinen damit die Verbundenheit der Tiere mit der Weltenseele.

Gerüche sind immer Ausdruck des Seelenhaften. Tiere haben einen Artengeruch, der ihr sozialinstinktives Verhalten steuert. Er hält Herden, Rudel und Schwärme zusammen und offenbart die Gruppenseele. Diese Gruppenseele steht mit dem Archetypus der Art in Verbindung und ist transsinnlich, ist in der »Anderswelt«, in den Planetensphären zu Hause. Nur in Trance, in der Ekstase, wenn er selbst in die jenseitige Welt reist, kann der Schamane mit diesen Tiergeistern reden.

Hunde können 1.000.000mal besser riechen als wir Menschen. Das ist aber nichts im Vergleich zu den Insekten. Die Kerbtierchen sind noch viel tiefer in die kosmische Seelenhaftigkeit eingebettet. Ihre Antennen und Fühler sind unvorstellbar feine Geruchsorgane, die unmittelbar in die Duftatmosphäre ragen, so daß sie sich völlig im Einklang mit der Seele Gaias befinden und sozusagen zu Werkzeugen der kosmischen Kräfte werden.

Im Vergleich zu den Tieren sind die Menschen höchst beschränkt, was das Riechen angeht. Das muß auch sein, denn nur so können sie zu Individuen mit einem eigenständigen »Ich« werden. Der Mensch als Mikrokosmos hat sich weitgehend von der makrokosmischen Geistigkeit emanzipiert. Sein Riechepithel ist verkümmert. Das Riechhirn ist klein geblieben. Dafür ist das »Denkhirn«, der Neokortex, förmlich explodiert. Die Verringerung des Riechhirns spiegelt die Zurückdrängung der Instinkte zu gunsten eines erlernten, kulturell geprägten Verhaltens.

Das Riechvermögen stellt für den Menschen eine letzte Brücke zu den Instinkten dar. Es ist eine Nabelschnur zur Seelenhaftigkeit von Erde und Kosmos. Aufgrund von Überzüchtung und Degenerierung haben unsere Nahrungsmittel immer weniger Aroma, und unsere Lebensräume werden olfaktorisch immer steriler. Das bedeutet nichts geringeres, als daß wir uns zunehmend von unserem geistig-kosmischen Urgrund entfremden! Luftverpestung und die Ausdünstungen von Plastik, Elektronik und Maschinen wirken krankmachend und chaotisierend. (Schmidt 1981:109) Kein Wunder, daß in dieser gefährlichen Zeit Aromastoffe als Heilmittel neu entdeckt werden. In Form von Düften und aromatischen Räuchermitteln bieten uns die Pflanzendevas ihre Hilfe an. Das war früher noch nicht notwendig, denn vor der Industriellen Revolution roch die Welt anders. Eine Symphonie von natürlichen Düften umgab den Menschen. Es gab mehr Wildblumen. Obst und Gemüse dufteten kräftiger. Feuerstellen und die Nähe der Tiere gaben dem Leben mehr Würze. Wenn man den Geruch von biologisch gezogenem Obst, Gemüse und Getreide mit den kommerziellen Kunstdüngerprodukten vergleicht, erinnert man sich daran. Natürliche Nahrungsmittel riechen gesünder, würziger, satter, angenehmer; durch sie können die geistigen Wesenheiten besser mit uns kommunizieren, und die kosmischen Kräfte werden leichter zugänglich. Noch immer ist der erfrischende Geruch eines Nahrungsmittels ein wichtiges Merkmal seiner inneren Qualität.

Pflanzenfamilien mit ätherischen Ölen

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Die Feststellung, daß ätherische Öle vor allem Ausdruck des Blühprozesses sind, könnte den Einwand hervorrufen, daß sich ätherische Öle bei vielen Pflanzenfamilien eben nicht im Frucht/Blütenbereich, sondern in den Blättern und Stengeln, gelegentlich sogar in den Wurzeln befinden. Das ist vor allem bei den Lippenblütlern, den Myrtengewächsen, den Doldenblütlern und einigen Korbblütlern der Fall.

Bei diesen Familien ist es, als seien die astralisch-seelischen Kräfte, die die Pflanze sonst hauptsächlich in der Blütenregion berühren, ein oder zwei Stockwerke, ins Blattwerk und sogar bis in die Wurzel hinuntergerutscht. Bei den meisten Lippenblütlern – das sind Minzkräuter wie Melisse, Thymian, Rosmarin, Majoran, Salbei oder Pfefferminze – sitzen die Blüten nicht nur am oberen Ende des Stengels. Die ganze blättrige Sproßachse hinab findet man die nektarreichen Blüten. Bei dieser Familie mischt sich das Sulfurische mit dem Merkurialen. Der ganze oberirdische Teil der Pflanze ist, vom kosmischen Feuer berührt, blütenhaft entzündet.

Mit anderen Worten, das Seelische drückt tief in die vegetativätherische Sphäre der Pflanze hinein. Das zeigt sich auch in der strengen, vierkantig geometrischen Form der Stengel und vor allem in den zygomorphen Blüten. Zygomorph heißt »joch- bzw. tiergestaltig« und bedeutet, daß sie nicht strahlig rund (aktinomorph) sind, wie etwa die Blüten der Butterblume oder des Gänseblümchens. Die Lippenblüten haben ein Oben und ein Unten, ein klares Hinten und Vorn, und wenn man sie mit Wachs ausgießen würde, hätte der Abguß exakt die Form eines Bienen- oder Hummelköpfchens.

Man könnte auch sagen, daß die Lippenblütler ganz weit in die warme, durchseelte Sphäre der Bienen hineinragen. Sie kommen dem Bienenvolk, das sich ganz dem Licht und der Wärme hingibt, entgegen. Es ist bekannt, daß der Begattungsflug der Immenkönigin in den sonnig warmen Maitagen stattfindet und daß die Bienen eine konstante Korbwärme von 37° halten, was der Wärme unseres Bluts entspricht. Diese Hautflügler ernähren sich ausschließlich vom Wärmepol der Pflanzen und bauen sechseckige, an Kieselkristalle erinnernde Waben.

Auch bei den Myrthengewächsen, zu denen der Eukalyptus, die Gewürznelken und der Teebaum (Melaleuca) gehören, drückt der sulfurische Pol tief in das Vegetative, so daß Blüte, Blatt, Holz und Rinde von ätherischen Ölen und aromatischen Harzen durchdrungen sind.

Bei einigen Schirmblütlern (Umbelliferae) findet man kosmisch-lichthafte Farben und Aromen sogar in den Wurzeln. Dazu gehört die rote Karotte mit ihrem angenehmen Duft, der Sellerie und die Pastinake.

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Die Koniferen, Kiefern, Tannen, Lärchen und Zypressen sind von der Krone bis zu den Wurzeln mit duftenden Harzen versehen. Der Sulfur-Pol dringt bis in die Erde hinab, aber gleichzeitig steigt der verhärtende Sal-Pol bis in die harten »Holzblüten«, die Zapfen, empor. Bei diesen archaischen Pflanzen, die eigentlich lebende Fossilien sind, Relikte aus der Dinosaurierzeit, sind die drei Sphären noch nicht säuberlich voneinander getrennt. Da sie von Kopf bis Fuß mit kosmischer Wärme durchtränkt sind, ist es ihnen möglich, noch hoch oben im Schneegebirge (etwa die Latschenkiefer) oder in der Nähe der Polarkreise zu wachsen, und deswegen vermögen ihre Balsamharze im menschlichen Mikrokosmos bis in die kühlen Nervenregionen hinein beruhigend zu wirken.

Die Heilwirkung aromatischer Pflanzen

Von all diesen Pflanzen können wir eine starke Wirkung auf den sulfurischen Pol des Menschen erwarten, auf den Stoffwechsel, auf die urogenitalen Organe und auf die da mit verbundenen seelischen Aspekte. Als Duft- und Räucherstoffe wirken sie vor allem auf den Astralleib, auf die Psyche. Sie eignen sich bei Störungen, die noch nicht »organisch« sind. Wenn sie dagegen als Kräutertees, Tinkturen oder Speisegewürze aufgenommen werden, wirken sie direkter, unmittelbarer auf die physischen Körperfunktionen ein. Ihre somatischen Wirkungen entfalten sie vor allem im Unterleib, wo sie das Verdauungsfeuer, die Harnorgane und die Sexualität anregen.

Die Reize der Duftstoffe umgehen größtenteils die Großhirnrinde und bewirken eine unmittelbare Reaktion des limbischen Systems, jener Nahtstelle zwischen Körper und Seele, von der aus die unbewußten, autonomen Funktionen gesteuert werden. Die destillierten Essenzen müssen, wenn man sie einnimmt oder einreibt, genaustens dosiert werden. In großen Mengen wirken sie toxisch, besonders auf die Nieren, die Leber und das zentrale Nervensystem.

Hier ein kurzer Überblick, der das Spektrum der physischen Wirkungen ätherischer Öle vor Augen führen soll:

1. Stomachica: Viele ätherische Öle wie Pfefferminzöl, Thymian, Knoblauch, Schafgarbe, Kalmus, Kümmel, Kardamom, Koriander – die Liste ist schier endlos – wirken verdauungsfördernd.

2. Carminativa: Kümmel, Anis, Fenchel, Meisterwurz und andere helfen, unangenehme Darmgase zu vermindern.

3. Emmenagoga: Mittel, die die Monatsblutung anregen und regulieren, darunter Beifuß, Schafgarbe, Muskatellersalbei, Koriander und andere.

4. Abortiva: Mittel, um die Leibesfrucht abzutreiben. Oft handelt es sich dabei um besonders starke Emmenagoga. Petersilienöl, Sadebaum und Haselwurz haben starke abtreibende Wirkung und sollten von Schwangeren gemieden werden.

5. Aphrodisiaka: Düfte spielen grundsätzlich eine große Rolle für die Erotik. Kluge Verführer/Verführerinnen wissen bestimmte ätherische Duftstoffe gezielt als »Duftfallen« einzusetzen. Direkt auf die Harn- und Geschlechtsorgane wirken etwa Wiesenbärenklau, Kalmus, Myrrhe, Bohnenkraut und viele andere.

6. Spasmolytika: Als krampflösende Mittel wirken unter anderen die römische Kamille, Melisse, Ringelblume, Pfefferminze, Salbei und die gewöhnliche Kamille.

7. Diuretika: Wachholder, Alant, Lavendel, Liebstöckl, Hauhechel wirken aufgrund ihrer ätherischen Öle harntreibend.

8. Pflanzen mit ätherischen Ölen gelten als »sonnenhaft«. In ihnen sind die Kräfte der obersonnigen Planeten wirksam, deswegen können sie das im dunklen, wäßrigen Milieu wuchernde »Mondhafte«, nämlich schmarotzende Pilze, Parasiten und Eingeweidenwürmer, vertreiben. Das heutzutage sehr populäre australische Teebaumöl erweist sich, ähnlich wie Kamille und Salbei, als wirksames Mittel gegen Verpilzung (Candida). Rainfarn enthält ein starkes ätherisches Öl, das Darmwürmer vertreibt.

Himmelslüfte

In der Pflanze nimmt der Gehalt an Wasserstoff (Hydrogen) nach oben zur Blüte hin zu. Der Traubenzucker, der sich in den Blättern bildet, ist wasserstoffreicher als die in der Wurzel gespeicherte Stärke. Die ätherischen Öle enthalten am meisten Hydrogen.

Der Wasserstoff wurde so benannt, weil der Chemiker Lavoisier 1783 erstmals Hydrogengas aus Wasser herstellte und dieses wieder zu Wasser verbrannte (oxidierte). Hydrogen ist die absolut leichteste Substanz. Das Gas steigt auf und strebt der höchsten Region der Atmosphäre zu. Aber der Wasserstoff ist auch höchst entzündlich und brennt mit heißester Flamme.

Wasserstoff ist der beste Wärmeleiter, und er ist das universale Lösungsmittel. In Säuren löst er sogar Metalle auf. Alles, was sich mit ihm verbindet, wird leicht und bekommt Auftrieb. Mit Kohlenstoff verbindet er sich – auch im Darm – zu Methangas (CH4); im Verbund mit Phosphor geistert er als Irrlicht (PH3) über die Sümpfe; mit Schwefel (SH2) verbunden bildet er ein Gas, das nach faulen Eiern riecht.

Der Auftrieb, die lösende Wärme, die Anti-Gravität und entmaterialisierende Kraft – alle diese physikalischen Eigenschaften des Wasserstoffs kommen in der lebenden Pflanze am Blütenpol zum Ausdruck. Unter dem Einfluß dieses Elements, das in den ätherischen Ölen gebunden ist, geht die Pflanze verströmend und verstrahlend über sich hinaus.

Wenn der Mensch diese wasserstoffgesättigten Öle als Räuchermittel oder Duftstoffe aufnimmt, wirken sie auch in ihm entkrampfend, auflösend, vergeistigend. Sie helfen ihm über das grob Sinnliche hinaus und öffnen Türen zu ätherischen und geistig-seelischen Bereichen im Mikrokosmos wie im Makrokosmos. Sie öffnen das Tor zu den Göttern.

Das griechische Wort Aither bedeutet »reine Himmelsluft, strahlendes Sonnenlicht«. Damit sind nicht rein physikalische Eigenschaften gemeint, sondern die Sphäre der Götter, der Wohnsitz der Sternengeister. Die ätherischen Öle verraten also die unmittelbare Nähe der heilbringenden Devas, genau wie abscheulicher Gestank die Anwesenheit böser Dämonen und Krankheitserreger anzeigt.

Feines Räucherwerk und duftende Kräuter und Blumen weisen den Weg in die transmateriellen Daseinsbereiche. Sie geleiten den Menschen über die Schwelle, genau wie sie es den Göttern ermöglichen, im Diesseits zu erscheinen. Seit der Altsteinzeit räuchern Schamanen mit Beifuß oder Wachholder, wenn sie »ausfliegen«, wenn sie den »Schamanenbaum« hinaufsteigen, wenn sie mit den Geistern reden wollen. Die indischen Sadhus reiben sich unter anderem mit dem ätherischen Öl des Adlerholzbaumes (Aquilaria malaccensis) ein und fliegen dann in die weiten Regionen des Alls, wo sie Dinge erfahren, von denen sonst kein Sterblicher weiß. Überall auf der Welt räuchern die Menschen ihre Wohnstätten mit aromatischen Kräutern aus, um krankheitsbringende Geister zu vertreiben und um sich und ihre Umgebung zu reinigen, damit sich die guten Geister und Ahnen manifestieren können.

In den ägyptischen Heiltempeln wurden die Kranken mit Zaubersprüchen und Duftstoffen in den therapeutischen Schlaf versenkt, wo sie den heilenden Göttern begegneten. Jeder Duftstoff, jedes essentielle Öl wurde mit einer Gottheit identifiziert. Das hat auch durchaus seine Berechtigung, denn jeder Duftstoff ist spezifisch, einmalig. Jede Pflanzenart erzeugt – als Ausdruck des in ihr wirkenden Devas – ihr eigenes ätherisches Öl.

Den Seelen der Toten wurde der Weg ins Reich des Osiris ebenfalls mit ätherischen Ölen, Harzen und Balsamen geebnet. Für den Jenseitsgang wurden die sterblichen Hüllen mit kostbaren Duftstoffen einbalsamiert. Die Mumien wurden dermaßen mit diesen Substanzen gesättigt, daß sie selbst pharmakologische Wirkung hatten. Im Mittelalter entwickelte sich ein florierender, wenn auch makabrer Handel mit heilkräftigen Mumienteilen. Der Inhalt Tausender von Sarkophagen wanderte in europäische Apotheken.

Auch in der Antike wurden Sterbende mit kostbaren Spezereien gesalbt, damit die Jenseitsreise ohne Verhängnisse vonstatten ging. Die von katholischen Priestern vorgenommene letzte Ölung ist ein schwacher Nachklang dieser Praxis. Der magisch-religiöse Brauch hat tiefe Wurzeln. Schon vor der letzten Eiszeit betteten die Neandertaler ihre Toten auf duftende Büschel blühender Heilkräuter und auf Beifuß. Damit sich das Numinose besser manifestieren konnte, wurden die Götterstatuen mit aromatischen Ölen gesalbt. Auch Könige und Priester wurden bei Amtsantritt gesalbt, damit die Götter durch sie wirken und ratschlagen konnten. Jesus, als Vermittler des Höchsten, wurde ebenfalls zum Christos (griech. »der Gesalbte«).

Bei den Griechen galten alle aromatischen Substanzen als göttlichen Ursprungs. Ursprünglich sei es Aphrodite gewesen, die Göttin der vernunftübersteigenden Liebesekstase, die den Menschen diese Pflanzen offenbarte. Und wo diese Kräuter zur Anwendung kommen, wird bald darauf Harmonia, die Tochter der Aphrodite, gezeugt. Sie weilt als Wohlgefühl und Einklang unter den Menschen.

Mit aromatischen Kräutern wurden die Olympier in den Tempeln und auf den Steinaltären empfangen. Mit Basilikum und Minzen fegten die Priester die Altäre des Zeus und des Hermes. Die Römer reinigten die Jupiteraltäre mit Eisenkraut, dessen lateinischer Name Verbena ursprünglich »Altarsteinfeger« bedeutete. Verbena ist das Kraut der Schmiede, denen der blitztragende Donnergott hold ist. Als Vorbereitung auf die Begegnung mit den Übersinnlichen nahm man reinigende Bäder mit diesen würzigen Kräutern und salbte sich mit duftenden Ölen. Das traf übrigens auch auf die Kräutersammler zu. Eine Heilpflanze zu holen war kein ordinärer, alltäglicher Akt, sondern eine sakrale Handlung, in der man dem Pflanzengeist gegenübertrat, um ihn um Hilfe und Beistand zu bitten. Dazu gingen die griechischen Rhizotomen (Wurzelschneider) in ritueller Nacktheit noch vor Sonnenaufgang, frisch gesalbt und in einem tranceartigen, »heiligen« Zustand zu der Pflanze. Aber schon Theophrast, der griechische »Vater der (rationalen, empirischen) Botanik« und Schüler des Aristoteles, zweifelte den Nutzen dieser Praktiken an: »Daß man Medizinpflanzen vom Winde abgewandt und mit Öl gesalbt oder nachts graben müsse, weil sonst der Leib anschwelle, scheint Unsinn zu sein.«

Aber egal was dieser frühe Rationalist mutmaßt, in allen Kulturkreisen begleiten Duft- und Räucherstoffe den Gang über die Schwelle, die Fahrt über den Totenfluß und den Gang zu den Pflanzendevas.